Exergone und endergone Reaktion

Exergone und endergone Reaktion

Chemische Reaktionen werden in Bezug darauf, ob die freie Enthalpie G der an der Reaktion beteiligten Komponenten ab- oder zunimmt, als exergone oder endergone Reaktionen bezeichnet. Diese Begriffe sind nicht mit exotherm und endotherm zu verwechseln (siehe unten sowie Abgrenzung).

ΔRG < 0 exergon
ΔRG > 0 endergon

Inhaltsverzeichnis

Exergone und endergone Reaktionen

Reaktionen, die thermodynamisch günstig sind, werden als exergon bzw. exergonisch bezeichnet. Eine Reaktion ist dann exergon, wenn in deren Verlauf die freie Enthalpie G der Reaktionspartner abnimmt, also wenn ΔRG der Reaktion ein negatives Vorzeichen hat.
Endergone Reaktionen sind hingegen thermodynamisch ungünstig, ΔRG hat ein positives Vorzeichen.
Sowohl exergone als auch endergone Reaktionen laufen prinzipiell „freiwillig“ ab, sofern die Reaktionskinetik dies zulässt. Bei exergonen Reaktionen liegt das Gleichgewicht lediglich weiter auf der Seite der Produkte als bei endergonen. Es ist dabei zu beachten, dass bei genauer Betrachtung jede Reaktion eine Gleichgewichtsreaktion ist. [1]

Ein Beispiel für einen endergonen Prozess ist die Entstehung eines Proteins in einer wässrigen Lösung von Aminosäuren. Diese Reaktion kann nur dann realisiert werden, wenn sie an andere, exergone Prozesse gekoppelt wird, so dass in der Summe das Vorzeichen von ΔRG negativ ist; in biologischen Systemen gelingt dies meist durch die Hydrolyse von ATP. Ohne diese Koppelung liefe die Reaktion zwar ab, jedoch nur in einem marginalen Umfang, der für die Bewältigung der biochemischen Aufgabe völlig unzureichend wäre. Da die Rückreaktion einer endergonen Reaktion stets exergon ist (und umgekehrt), sollten Proteine eigentlich spontan wieder in ihre Aminosäuren zerfallen. Allerdings ist die Geschwindigkeit der Zerfallsreaktion unter physiologischen Bedingungen so klein, dass sie vernachlässigt werden kann, das heißt Peptidbindungen sind in diesem Fall kinetisch stabil. Hier entscheidet also ein Argument aus der Reaktionskinetik.

Systeme streben stets dem Gleichgewichtszustand zu, weil hier die freie Enthalpie G den minimalen Wert annimmt. Hat ein System sein Gleichgewicht erreicht, verändern sich die Konzentrationen der Reaktionspartner nicht mehr, weil G auf keinem Weg weiter verringert werden kann, und es gilt ΔG = 0.

Wichtige Unterscheidungen

  • G ist die nur hypothetische freie Gesamtentalpie (da die freie Enthalpie keinen absoluten Nullpunkt hat, ist dies eine hypothetische Größe)
  • ΔG ist allgemein die Änderung der freien Enthalpie bei einem Vorgang
  • ΔRG beschreibt die Änderung der freien Enthalpie bei vollständigem Ablaufen der Reaktion

Das vollständige Ablaufen einer Reaktion ist hypothetisch, da jede Reaktion nur bis zum chemischen Gleichgewicht läuft. Dennoch ist ΔRG eine wichtige Größe, da mit ihrer Hilfe die Gleichgewichtskonstante berechnet werden kann:[2]

\ K = \exp\left(\frac{-\Delta_\mathrm{R} G^\ominus}{RT}\right)

Bestimmung der freien Reaktionsenthalpie

ΔRG ist gegeben durch folgende Beziehung (oft auch als Gibbs-Helmholtz-Gleichung bezeichnet):

\Delta_\mathrm{R} G=\Delta_\mathrm{R} H - T\cdot\Delta_\mathrm{R} S
  • ΔRG = freien Reaktionsenthalpie
  • ΔRH = Reaktionsenthalpie (d. h. Änderung der Enthalpie der Stoffe bei Ablaufen der Reaktion)
  • ΔRS = Reaktionsentropie (d. h. Änderung der Entropie der Stoffe bei Ablaufen der Reaktion)

ΔRG kann mit Hilfe tabellierter Werte (Standardreaktionsentropien \Delta S^{\circ} und Standardreaktionsenthalpien  \Delta H^{\circ} ) für Standardbedingungen berechnet werden. Man spricht dann von Freier Standardreaktionsenthalpie  {\Delta G^{\circ}}. Eine Umrechnung auf andere Temperaturen kann mit Hilfe der Van-’t-Hoff-Gleichung geschehen.

Deutung der Gibbs-Helmholtz-Gleichung \Delta G  = \Delta H - T\cdot\Delta S

Dies ist keine Herleitung der Gibbs-Helmholtz-Gleichung!

Thermodynamik der chemischen Reaktion

Triebkraft für das Ablaufen einer chemischen Reaktion ist die Zunahme der Entropie S im Universum (vgl. 2. Hauptsatz der Thermodynamik).

Betrachtet man ein System, das keine Wärme mit der Umgebung austauschen kann (adiabatisches System), so lautet die einzige Bedingung, die an einen spontan ablaufenden Vorgang zu stellen ist, ΔSSystem > 0. Entscheidend ist dabei nicht, ob die einzelne Reaktion exergon oder endergon ist, sondern dass das System sich noch nicht im Gleichgewicht befindet.

Exotherme und endotherme Reaktion

Erlaubt man dem System den Wärmeaustausch mit der Umgebung (diabatisches System), muss zusätzlich die Entropieänderung in der Umwelt berücksichtigt werden. Diese kann erfasst werden über die Enthalpieänderung des Systems ΔH:

  • als negativer Beitrag, wenn die Reaktion exotherm ist, thermische Energie an die Umgebung verteilt wird und auf diese Weise in der Umwelt die Entropie zunimmt,
  • als positiver Beitrag, wenn die Reaktion endotherm verläuft und die Entropie in der Umwelt abnimmt, weil thermische Energie im Reaktionsgefäß konzentriert wird.

Das System strebt Zustände mit minimaler freier Enthalpie G an, da dies der Zustand maximaler Entropie ist.

Einzelnachweise

  1. P. Stephan, K. Schaber, K. Stephan, F. Mayinger: Thermodynamik - Grundlagen und technische Anwendungen - Band 2: Mehrstoffsysteme und chemische Reaktionen 15. Auflage, Springer, Heidelberg 2010, ISBN 978-3-540-36709-3.
  2. Walter J. Moore; "Grundlagen der physikalischen Chemie", Walter de Gruyter, 1990

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