- Experimentelle Psychologie
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Experimentelle Psychologie (e.P.) ist der Zweig der psychologischen Forschung, der sich vornehmlich des Experiments als wissenschaftlicher Methode bedient, vgl. Stw. psychologisches Experiment.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Angeregt von physiologischen Experimenten, zum Beispiel von Ernst Heinrich Weber, wurde die e.P. um 1860 hauptsächlich von Hermann von Helmholtz, Gustav Fechner und Wilhelm Wundt durch Veröffentlichungen zur sensorischen Psychophysiologie, Psychophysik und physiologischen Psychologie begründet.[1] 1879 eröffnete Wundt auch das erste psychologische Laboratorium in Leipzig und hielt dort Vorlesungen, die von Studenten aus aller Welt besucht wurden. So gründete z.B. Benjamin Bourdon (1860-1934), ein französischer Schüler Wundts, 1896 ein psychologisches Laboratorium in Rennes nach dem Vorbild von Wundt.[2] Auch Stanley Hall (1844-1924) war zwei Jahre lang Schüler von Wundt in Leipzig und etablierte das erste psychologische Laboratorium der USA an der Johns Hopkins University in Baltimore ab 1882.[3] Dort war sein Nachfolger John B. Watson (1878-1958), der Begründer des Behaviourismus. Wundts erster Assistent, James McKeen Cattell (1860-1944), wurde 1888 der erste Psychologie-Professor in den USA und trug dazu bei, dass Psychologie in den USA von Anfang an naturwissenschaftlich ausgerichtet war. Ein weiterer Schüler Wundts war der Begründer des Strukturalismus, Edward Bradford Titchener (1867-1927).[1] Wundts bekanntester Schüler in Deutschland war der Begründer der modernen Psychiatrie, Emil Kraepelin (1856-1926), der im Rahmen einer zweijährigen Tätigkeit als Assistent die Methode des Wortassoziierens erlernte.[4]
Konzept
Das Konzept der e.P. ist orientiert am naturalistischen und reduktionistischen Wissenschaftsverständnis der Naturwissenschaften und steht damit in Gegensatz zu philosophischen oder anderen geisteswissenschaftlichen Ansätzen, wie der Psychoanalyse oder dem methodischen Verstehen im Sinne von Dilthey. Die e.P. erarbeitet objektive, reliable und valide Daten, also nachweisbare Fakten als Grundlage für psychologische Theorien.
Die Selbstbeobachtung ist nicht geeignet, als Methode objektiven Charakters angesehen zu werden, dagegen wird die dialogische bzw. kontrollierte Introspektion einer experimentellen Methodik durchaus gerecht.
Mit der e.P. nahm Deutschland damals in der ganzen Welt eine führende und beispielgebende Stellung ein, was die naturwissenschaftliche Betrachtungsweise von psychischen Phänomenen betraf. Dieses Verständnis hatte sich seit ca. 1850 auch auf die Beurteilung psychischer Krankheiten ausgedehnt, vgl. auch die Kritik am damals aufkommenden Begriff der Psychose und der mit ihm verbundenen Vorstellung der naturwissenschaftlichen (genetischen) Erklärung. Damit wurde vor allem unter dem späteren Einfluss der aus der USA wieder nach Europa zurückkommenden Leitgedanken des Behaviourismus bzw. der Kontroverse zwischen Eigen- und Fremdbeobachtung auch eine bis heute gültige Streitfrage heraufbeschworen, nämlich ob die Psychologie als eine Erfahrungswissenschaft zu bezeichnen ist.[5]
Einzelnachweise
- ↑ a b Wilhelm Karl Arnold et al. (Hrsg.): Lexikon der Psychologie. Bechtermünz Verlag, Augsburg 1996, ISBN 3-86047-508-8, (a) zu Stw. „Mitbegründer“: Spalte 547; (b) zu Stw. „Schüler Wundts“: Spalte 2327
- ↑ Serge Nicolas u. Ludovic Ferrand, Psychologie et Histoire, 2001, vol. 2, Seite 148-173
- ↑ DSB, ISSN 1866-4784 Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte Berlin
- ↑ Spitzer, Manfred: Geist im Netz, Modelle für Lernen, Denken und Handeln. Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 1996, ISBN 3-8274-0109-7. Seite 236
- ↑ Hofstätter, Peter R. (Hrsg.): Psychologie. Das Fischer Lexikon, Fischer-Taschenbuch, Frankfurt a.M. 1972, ISBN 3-436-01159-2; zu Stw. „Psychologie als Wissenschaft und Introspektion“: Seite 77 f.
Literatur
- Jürgen Bortz: Lehrbuch der empirischen Forschung für Sozialwissenschaftler. Springer-Verlag Berlin 1984. ISBN 3-540-12852-2
- Viktor Sarris: Methodologische Grundlagen der Experimentalpsychologie
- Band 1: Erkenntnisgewinnung und Methodik. Ernst Reinhardt Verlag München Basel 1990. ISBN 3-497-01111-8
- Band 2: Versuchsplanung und Stadien. Ernst Reinhardt Verlag München Basel 1992. ISBN 3-497-01112-6
Weblinks
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