- Faltboot
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Ein Faltboot ist ein zerlegbares Boot, welches im Wesentlichen aus einer flexiblen Bootshaut und einem zerlegbaren Innengerüst besteht. Die Bootshaut wird aus Gummi, PVC, TPU oder Hypalon für das Unterschiff und einem Textil – beispielsweise Baumwolle oder ein moderner Verbundwerkstoff (Laminat) – für das Verdeck gefertigt. Das Bootsgerüst besteht meist aus Holz – zum Beispiel Esche und Birkensperrholz – oder Aluminium und Kunststoff.
Als Antriebshilfe wurden spezielle Faltbootmotoren entwickelt.
Bei den gängigen Faltbootmodellen handelt es sich meistens um Kanus. Diese sind vor allem Kajaks, seltener sind Faltkanadier zu sehen. Vereinzelt trifft man auch auf Ruderboote, Jollen sowie Dingis. Eine spezielle Variante namens Banana-Boot besteht aus zusammenklappbaren Kunststoffplatten.
Obwohl die meisten aufblasbaren Boote sich auch zusammenfalten lassen, werden diese üblicherweise als Schlauchboote oder Luftboote und nicht als Faltboote bezeichnet.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Schon 500 v. Chr. wurden mit „Faltbooten“ Waren von Armenien nach Babylon transportiert. Die Bootshäute wurden von mitgeführten Eseln wieder zurückgetragen. (Herodot)
Die Unangan, Ureinwohner der Aleuten, verwenden seit alter Zeit nicht zerlegbare Kajaks mit Gerüsten aus Treibholz, Knochen und einer Bespannung aus Tierhäuten. Mit diesen Baidarkas gehen sie auf die Jagd nach Seelöwen. Von Größe und Form können sie am ehesten als Urahnen der modernen Faltboote gelten.
Das erste moderne Faltboot baute 1905 der Architekturstudent Alfred Heurich in Form eines Faltkajaks. Er fuhr damit erstmals auf der Isar von Bad Tölz nach München; bis zu seinem Tode legte er über 100.000 km mit Faltbooten zurück. Der Sportartikelhändler Johann Klepper aus Rosenheim lizenzierte 1907 Heurichs Konstruktion und begann die Serienfertigung.
Das Faltbootfahren entwickelte sich in den folgenden Jahrzehnten zu einem Massenvergnügen. Die Deutsche Reichsbahn setzte in den 1920er Jahren sogar Sonderzüge für Faltbootfahrer ein, die am Wochenende in großen Scharen zum Wasserwandern die Flüsse und Seen eroberten. Sogar an den Olympischen Sommerspielen 1936 in Berlin nahmen Faltboote teil. In dieser Zeit verbreitete sich die Idee des Faltbootes von Deutschland aus auch in das übrige Europa und nach Nordamerika sowie Japan, erreichte jedoch nie die gleiche Verbreitung wie in Deutschland.
Die Popularität sank während des Zweiten Weltkriegs und erreichte das Vorkriegsniveau danach nicht mehr. Durch die aufkommende Motorisierung ab den 1950er Jahren konnten die steifen, nichtzerlegbaren Kunststoffkajaks auf den Autos transportiert werden, was zu starken Rückgängen der Faltboote führte. Dennoch waren Faltboote noch bis in die 1970er Jahre auf deutschen Gewässern häufig zu sehende Fahrzeuge, danach seltener. In der DDR und Osteuropa erfreuten sich, aufgrund der besonderen Bedeutung von Camping und eingeschränkter Reisemöglichkeiten, die Faltboote von Pouch und MTW bis zum Schluss größter Beliebtheit, obwohl diese relativ teuer und schwer zu beschaffen waren.
Inzwischen gibt es eine kleine Renaissance, so wurden z. B. 2004 europaweit etwa 4.000 Faltboote verkauft. In Mitteleuropa erhältliche Faltboote stammen meist aus Deutschland, Frankreich, Norwegen, Polen, Russland, den USA, Kanada oder Japan.
Vor- und Nachteile
Faltboote haben im Vergleich zu steifen Booten den Vorteil, dass sie praktisch in jedem öffentlichen Verkehrsmittel – bei entsprechender Reisevorbereitung auch im Flugzeug – transportiert werden können und so richtiges Wasserwandern erst möglich wird. Das Pendeln zurück zur Einsatzstelle oder der Zwang zu Rundtouren entfallen. Beim PKW-Transport entfällt der Nachteil des hohen Luftwiderstands und Beschädigungsrisikos bei Transport auf einem Dachgepäckträger.
Nachteile sind vor allem höhere Anfälligkeit für Beschädigungen, was die Einsatzmöglichkeiten von Faltbooten beschränkt. So ist Fahren im Wildwasser ohne Gefahr für das Material kaum möglich. Trotzdem verträgt die Bootshaut einfache Grundberührungen, vor allem, wenn die Haut mit Kielstreifen versehen wurde (Verstärkungen der Bootshaut an den Stellen, an denen das Gerüst innen an der Bootshaut anliegt). Speziell auf Großgewässern bringt die mangelnde Abschottung von Faltbooten Risiken mit sich; dieses Problem kann aber durch Schwimmkörper oder eine speziell angepasste Kajaksocke entschärft werden. Die vielen Einzelteile erfordern mehr Wartung und Pflege, lassen sich dafür aber auch bei Bedarf (Abnutzung, Beschädigung) einfach auswechseln, improvisieren oder nachbauen. Neue Faltboote sind wegen ihrer aufwändigen Herstellung meistens teurer als Festboote gleicher Größe.
Herausragende Fahrten
Die bevorzugten Reviere der Faltboote liegen im Binnenland und an den Küsten. Dennoch wurden Faltboote auch für spektakuläre Befahrungen von Meeren verwendet:
- etwa 1926 fuhr der spätere Völkerkundler und Reiseschriftsteller Erich Wustmann nach seinem Schulabschluss im Faltboot von Schleswig-Holstein durch das Skagerrak und die norwegische Küste hinauf; er legte viele Landgänge ein und fuhr bis in den nächsten Winter hinein nordwärts (später veröffentlicht als Faltbootfahrt von Fjord zu Fjord).
- 1928 überquerte Franz Romer den Atlantik in einem 6,40 m langen Faltboot. Er verwendete ein segelbares Boot, um von Lissabon aus in 58 Tagen über den Atlantik zu fahren. Romer war der erste Mensch, der in einem Faltboot den Atlantik lebend überquerte. Nach einem Zwischenstopp in Saint Thomas und San Juan, Puerto Rico, ist er auf dem Weg nach New York verschollen.
- Im Jahr 1932 startete der Deutsche Oskar Speck zu einer in der Geschichte wohl einmaligen Reise. Mit seinem Faltboot fuhr er alleine von Ulm aus um die halbe Welt bis Australien. Nach sieben Jahren erreichte er 1939 sein Ziel. Heute findet man sein Boot im Australian National Maritime Museum in Sydney.
- Im Jahr 1956 überquerte der deutsche Arzt Dr. Hannes Lindemann in einem Klepper-Faltboot vom Typ Aerius II, welches er auf den Namen "Liberia III" taufte, in 72 Tagen den Atlantik. Es ist bis heute mit 5,20 m das kleinste Wasserfahrzeug, mit dem jemals ein Mensch den Atlantik lebend überquert hat. Das Boot ist heute im Deutschen Museum ausgestellt.[1][2]
- Harald Fritzsch aus der DDR gelang 1968 zusammen mit seinem Freund eine gewagte Flucht per Faltboot über das Schwarze Meer aus dem damaligen Ostblock in die Türkei.
- 1982, zu Beginn des Falkland-Krieges, landeten britische Kommandoeinheiten mit Klepper-Faltbooten, die vom argentinischen Radar nicht ortbar waren, auf den Falklandinseln und errichteten den ersten Brückenkopf.
Zu erwähnen ist auch Herbert Rittlinger, der als Reiseschriftsteller und inoffizieller „Faltbootkönig“ viele Bücher zum Thema Faltboot veröffentlichte, unter anderem „Ganz allein zum Amazonas“, „Das baldverlorene Paradies“, „Schwarzes Abenteuer“ oder „Die neue Schule des Kanusports“.
Hersteller
- Bergans (Ally Faltkanadier und -kajak, Norwegen)
- Boatory (Atlyak Kajaks, China)
- Feathercraft Folding Kayaks (Kanada)
- FirstLightKayaks (Neuseeland)
- Folbot (USA)
- Fujita (Japan)
- Klepper Faltbootwerft AG (Deutschland)
- Long Haul (USA)
- Nautiraid (Frankreich)
- Neris (Ukraine)
- nortik (Deutschland)
- Pakboats (USA)
- Poucher Boote GmbH (Deutschland)
- Seavivor (USA)
- Triton (Russland)
- Wayland (Polen)
ehemalige Hersteller:
- MTW Wismar (DDR)
- Granata (Großbritannien)
- Hammer (Deutschland)
- Kette (Deutschland)
- LFB Stern (DDR)
- Metzeler (Deutschland)
- PAX Sonneberg (DDR)
- Pionier (Deutschland)
- Tyne (Großbritannien)
Weblinks
Commons: Faltboot – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- www.faltboot.de
- Faltbootliteratur aus neun Jahrzehnten
- Das Kleppermuseum
- Faltbootbastelseiten Mit Informationen über historische Faltboote und über Marken die heute nicht mehr hergestellt werden.
Einzelnachweise
- ↑ Reinhard Werth: Hirnwelten. Berichte vom Rande des Bewusstseins. C. H. Beck, München 1998, ISBN 3-406-44076-2, S. 56.
- ↑ Petra Dietsche: Das Erstaunen über das Fremde. Vier literaturwissenschaftliche Studien zum Problem des Verstehens und der Darstellung fremder Kulturen (= Europäische Hochschulschriften. Reihe 1: Deutsche Sprache und Literatur. Bd. 748). P. Lang, Frankfurt am Main u. a. 1984, ISBN 3-8204-5299-0, S. 15.
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