Fernmeldegeheimnis

Fernmeldegeheimnis

Das Fernmeldegeheimnis (in neuerer Terminologie auch Telekommunikationsgeheimnis) ist ein Verbot des unbefugten Abhörens, Unterdrückens, Verwertens oder Entstellens, von Fernmelde- (Fernschreib-, Fernsprech-, Funk- und Telegrafen-) Botschaften. Die Legaldefinition findet sich in § 88 Abs. 1 Telekommunikationsgesetz sowie in § 206 Abs. 5 StGB. Demnach unterliegen dem Fernmeldegeheimnis „der Inhalt der Telekommunikation und ihre näheren Umstände, insbesondere die Tatsache, ob jemand an einem Telekommunikationsvorgang beteiligt ist oder war“ sowie „die näheren Umstände erfolgloser Verbindungsversuche“. Es schützt daher die unkörperliche Vermittlung von Informationen an individuelle Empfänger und mithin auch die sog. Verkehrsdaten. Zu beachten gilt weiter, dass die Daten nach Abschluss des Kommunikationsvorgangs nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr zum Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses zählen. Diese Daten sind dann in den Herrschaftsbereich des Teilnehmers übergegangen und eine Gefahrenlage aufgrund der Kommunikation über eine räumliche Distanz besteht nicht mehr. Jedoch kommt dann der Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG zum Tragen.

Das Fernmeldegeheimnis ist in vielen Staaten verfassungsrechtlich geschützt und wird ergänzt durch das Briefgeheimnis und das Postgeheimnis.

Inhaltsverzeichnis

Deutschland

Das Fernmeldegeheimnis im Grundgesetz von 1949 gehört zu den Grundrechten (Art. 10 GG), allerdings besteht die Möglichkeit, das Fernmeldegeheimnis durch ein einfaches Gesetz einzuschränken, d. h. der Staat darf sich in bestimmten gesetzlich geregelten Situationen Kenntnis von Inhalt oder Umständen der Kommunikation verschaffen. Solche gesetzliche Einschränkungen existieren zum Zwecke der Strafverfolgung mit den § 100a, § 100b, § 100c, § 100g, § 100h und § 100i Strafprozessordnung.

Im Strafrecht betrifft das Fernmeldegeheimnis vor allem Bedienstete von Telekomunikationsanbietern (§ 206 Abs. 1 bis 3 StGB, Verletzung des Post- oder Fernmeldegeheimnisses), aber auch jedermann (§ 206 Abs. 3 StGB, sowie § 148 Telekommunikationsgesetz vom 22. Juni 2004).

Der Art. 10 GG a.F. lautete ursprünglich:

Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich. Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden.

Durch Gesetz vom 24. Juni 1968, als Teil der Notstandsgesetze von 1968, erhielt der Art. 10 GG n.F. diese Fassung:

(1) Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.
(2) Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden. Dient die Beschränkung dem Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes, so kann das Gesetz bestimmen, daß sie dem Betroffenen nicht mitgeteilt wird und daß an die Stelle des Rechtsweges die Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane tritt.

Zur Einschränkung von Art. 10 GG siehe auch Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses.

Tatsächlich betrug die Anzahl der Anordnungen zur Überwachung von Telekommunikation im Jahr 2006 35.816 Anschlüsse, zuzüglich 7432 Verlängerungsanordnungen.[1] Allein in Berlin wurden im Jahr 2008 mehr als 1,1 Millionen Telefonate überwacht.[2]

E-Mail

Ein besonders aktuelles Problem ist die Frage nach der Rechtmäßigkeit von der Überwachung des Internets, insbesondere des E-Mail-Verkehrs. Um E-Mails abzufragen, kann man das Post Office Protocol, das nur eine Vermittlung vom Sender an den Empfänger leistet, oder das Internet Message Access Protocol (IMAP), das die E-Mails nicht nur überträgt, sondern auf dem Server vorhält und dort verwaltet, benutzen. Bei ersterem scheint klar, dass das Fernmeldegeheimnis die Übertragung schützt.

Problematisch ist, ob auch E-Mails auf IMAP-Servern geschützt sind (also vom Schutzbereich des Grundrechts erfasst sind). Nach der Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes ist auch eine staatliche Sicherstellung und Beschlagnahme von E-Mails auf dem Mailserver eines Providers ein Eingriff in das Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 Abs. 1 GG.[3] Jedoch könne ein solcher Eingriff durch die allgemeinen Vorschriften über Sicherstellung und Beschlagnahme im Strafverfahren (§§ 94 ff. StPO) gerechtfertigt werden[3] (verfassungsrechtliche Schranke). Hierbei seien allerdings wiederum das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und Besonderheiten im Ablauf des Verfahrens zu berücksichtigen[3] (vgl. Schranken-Schranken). Erforderlich könne es insbesondere sein, den „Betroffenen“ [also Träger des Grundrechts] über die Maßnahmen zu informieren und E-Mails später zu löschen oder zurückzugeben.[4]

Voice over IP

Kompliziert ist auch die Frage nach der Rechtmäßigkeit einer geplanten Überwachung des Telefonverkehrs über das Internet, Voice over IP. Noch ist dieser Streit allerdings eher theoretischer Natur, da es noch keine effiziente Infrastruktur der Überwachungsbehörden in Deutschland gibt, die den Telefonverkehr des Internets überwachen könnte.

Österreich

Im § 119Vorlage:§/Wartung/RIS-Suche Strafgesetzbuch wird jede „im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersystems übermittelten“ Nachricht geschützt.

Weitere Bestimmungen finden sich im Fernmeldegesetz vom 13. Juli 1949.

Schweiz

In der Schweiz regelt der Art. 13 Abs. 1 der Bundesverfassung das Fernmeldegeheimnis und gewährt jeder Person Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihres Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs.

Geschichte

Bereits die Weimarer Reichsverfassung von 1919 garantierte den Bürgern im Artikel 117 das Fernsprechgeheimnis.

DDR

Die Verletzung des Fernmeldegeheimnisses war in der DDR formal in §202 StGB (DDR) unter Strafe gestellt[5]. Dennoch erfolgte eine systematische Kontrolle aller Telefongespräche aus oder in den Westen sowie vieler Gespräche innerhalb der DDR durch die Abteilung 26 der Stasi. Diese arbeiteten mit der Deutschen Post der DDR zusammen.

Die Telefonüberwachung des MfS begann 1950. Die Hauptabteilung S (Technische Sicherheit) bestand am Anfang aus zwei Einheiten mit weniger als 20 Mitarbeitern. Mitte der 80er Jahre waren ca. 1000 Mitarbeiter beschäftigt. 1986 wurden 2.030.130 Gespräche abgehört[6].

Literatur

  • Malte Sievers: Der Schutz der Kommunikation im Internet durch Artikel 10 des Grundgesetzes. Nomos-Verlags-Gesellschaft, Baden-Baden 2003, ISBN 3-8329-0018-7 (Kieler rechtswissenschaftliche Abhandlungen. NF 39), (Zugleich: Kiel, Univ., Diss., 2002).
  • Marc Störing: Alles bleibt anders – Karlsruhe urteilt über die Grenzen des Fernmeldegeheimnisses. In: c’t. 8, 2006, S. 58–59.
  • Josef Foschepoth: Postzensur und Telefonüberwachung in der Bundesrepublik Deutschland (1949–1968). In: ZfG. 57, 2009, S. 413–426.
    dazu auch Peter Mühlbauer: Postzensur und Telefonüberwachung, Telepolis, 5. Juni 2009, unter heise.de.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://www.heise.de/newsticker/meldung/Bundesnetzagentur-veroeffentlicht-Jahresstatistik-zur-Telefonueberwachung-172023.html Bundesnetzagentur]
  2. Berliner Senat
  3. a b c Bundesverfassungsgericht - Pressestelle -: Pressemitteilung Nr. 79/2009 vom 15. Juli 2009 : Sicherstellung und Beschlagnahme von E-Mails auf dem Mailserver des Providers nicht verfassungswidrig. abgerufen am 19. Juli 2009 (zum Beschluss vom 16. Juni 2009 – 2 BvR 902/06 –): „Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat eine Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen, die sich gegen die Sicherstellung und Beschlagnahme von E-Mails auf dem Mailserver des Providers wendete. Zwar greifen diese Maßnahmen in das verfassungsrechtlich gewährleistete Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 Abs. 1 GG ein. Die allgemeinen strafprozessualen Vorschriften der §§ 94 ff. StPO rechtfertigen jedoch diesen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis, wenn dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den sachlichen Erfordernissen einer entsprechenden Ausgestaltung des strafprozessualen Verfahrens Rechnung getragen wird...“
  4. Bundesverfassungsgericht - Pressestelle -: Pressemitteilung Nr. 79/2009 vom 15. Juli 2009 : Sicherstellung und Beschlagnahme von E-Mails auf dem Mailserver des Providers nicht verfassungswidrig. abgerufen am 19. Juli 2009 (zum Beschluss vom 16. Juni 2009 – 2 BvR 902/06 –): „... Soweit E-Mails von den Ermittlungsbehörden gespeichert und ausgewertet werden, kann es erforderlich sein, den Betroffenen Auskunft über die Datenerhebung zu erteilen, um sie in den Stand zu versetzen, etwaige Grundrechtsbeeinträchtigungen abzuwehren. Dem wird durch die besonderen strafprozessualen Auskunftsregelungen gemäß § 147, § 385 Abs. 3, § 397 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 385 Abs. 3, § 406e und § 475 StPO sowie bei Nichtverfahrensbeteiligten durch § 491 StPO Rechnung getragen. Der begrenzte Zweck der Datenerhebung gebietet grundsätzlich die Rückgabe oder Löschung aller nicht zur Zweckerreichung benötigten kopierten E-Mails. § 489 Abs. 2 StPO enthält entsprechende Schutzvorkehrungen.“
  5. StGB (DDR)
  6. Angela Schmole: MfS-Handbuch, Teil III/19: Telefonkontrolle, Abhörmaßnahmen und Videoüberwachung; Die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik; Berlin 2006
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