Filariose

Filariose
Klassifikation nach ICD-10
B73 Onchozerkose
B74 Filariose (exkl. Onchozerkose, durch Filarien ausgelöste Tropische (pulmonale) Eosinophilie)
B74.0 Filariose durch Wuchereria bancrofti (Elephantiasis durch Wuchereria bancrofti, Lymphatische Filariose)
B74.1 Filariose durch Brugia malayi
B74.2 Filariose durch Brugia timori
B74.3 Loiasis inkl. Afrikanische Augenwurmkrankheit, Kalabarschwellung, Loa-loa-Filariose
B74.4 Mansonelliasis; Infektion durch Mansonella ozzardi, Mansonella perstans, Mansonella streptocerca
B74.8 Sonstige Filariose inkl. Dirofilariose
B74.9 Filariose, nicht näher bezeichnet
ICD-10 online (WHO-Version 2011)

Als Filariosen werden verschiedene Erkrankungen benannt, die auf die Infektion mit parasitischen Fadenwürmern, den Filarien (Vertreter der Filaroidea), zurückgehen. Sie gehören entsprechend zu den Wurmerkrankungen. Filariosen manifestieren sich artabhängig vor allem im Lymphgefäßsystem oder im oberflächlichen wie auch tieferen Bindegewebe.[1]

Inhaltsverzeichnis

Erreger und Vektoren

Erreger

Bei den Erregern der Filiariosen handelt es sich um verschiedene parasitische Fadenwürmer aus der Gruppe der Filarien (Filaroidea). Dabei lösen die verschiedenen Arten abhängig von ihrer Lebensweise unterschiedliche Typen der Filiariose aus. Wuchereria bancrofti. und Brugia malayi führen dabei aufgrund ihrer Besiedelung der Lympfgefäße zu der sogenannten lymphatischen Filariose während Loa loa als Wanderfilarie im Unterhautgewebe, der Subkutis, lebt und die Loiasis auslöst, die sich auch im Auge manifestieren kann („Augenwurm“). Ebenfalls im Unterhautgewebe leben die Erreger der Onchozerkose, Onchocerca volvulus, die zu der sogenannten Flussblindheit führen kann.

Vektoren

Kriebelmücke mit am linken Fühler austretender Onchocerca-Filarie

Die Larven der Filarien, benannt als Mikrofilarien, werden durch verschiedene blutsaugende Insekten übertragen.[1] Die Übertragung erfolgt durch den Stich der Insekten, die als Zwischenwirt und Vektor dienen. Die Insekten nehmen die Larven der Filarien, die Mikrofilarien, mit dem Blut ihres Wirtes auf und geben zugleich die entwickelten Filarien in das Blut- und Lymphsystem ab.

Stechmücken spielen die zentrale Rolle bei der Übertargung der Erreger der lymphatischen Filariosen. So wird Wuchereria bancrofti wird von Stechmücken der Gattungen Aedes und Culex übertragen bei Brugia malayi von Arten der Gattungen Anopheles und Mansonia als Vektoren wirken. Vektoren der Loiasis sind Bremsen der Gattung Chrysops und Onchocercas volvulus wird nur von einzelnen Arten der Kriebelmücken der Gattung Simulium übertragen. Bei tierpathogenen Filarien können zudem blutsaugende Milben oder Zecken eine Rolle spielen, etwa bei Litomosoides carinii, der Ratten befällt.[2]

Vorkommen und Epidemiologie

Die meisten Filariosen werden durch Insekten in tropischen Ländern übertragen, die Verbreitung der Krankheiten ist entsprechend abhängig vom Verbreitungsgebiet der jeweiligen Vektoren. Man schätzt, dass weltweit ca. 100 bis 200 Millionen Menschen mit Fadenwürmern infiziert sind. Hierbei ist besonders die Bevölkerung in Entwicklungsländer betroffen.

Einteilung und klinisches Bild

Filariosen werden entsprechend der unterschiedlichen Lebensweisen der Filarien und der damit zusammenhängenden Krankheitssymptome unterschieden. Als Filariosen im eigentlichen Sinne werden dabei die lymphatischen Filariosen betrachtet, die durch verschiedene im Lymphgefäßsystem lebende Arten ausgelöst werden.

Lymphatische Filiariosen

Lebenszyklus von Brugia malayi

Die lymphatische Filariose gilt auch als Filariose im eigentlichen Sinne und wird vor allem durch die Filarien Wuchereria bancrofti, Brugia malayi und Brugia timori ausgelöst.[1]

Die Erstinfektion erfolgt in den tropischen Epidemiegebieten bereits frühkindlich. Die Filarien entwickeln und vermehren sich in den Lymphknoten der infizierten Personen und die Mikrofilarien wandern in die peripheren Lymphgefäße, wo sie periodisch nachgewiesen werden können. Während dieser Zeit entwickelt der infizierte Körper zunehmend eine Immunabwehr, woraus sich eine Erhöhung der Zahl eosinophiler Granulozyten im Blutbild (Eosinophilie) mit Fieber und intermittierender Lymphangitis entwickelt. Zugleich kommt es zu einem starken Anstieg der Anzahl der Mikrofilarien (Mikrofilamärie), die eine tageszeitabhängige Periodizität (circadiane Periodizität) aufweisen.[1]

Bei zunehmender Manifestation der Krankheit entwickeln sich verschiedene Spätfolgen, die sich vor allem aufgrund der Zunahme lebender und abgestorbener Mikrofilarien in den Lymphbahnen ausbilden. Vor allem im Hodenbereich des Mannes kommt es zu Entzündungen und Schwellungen des Hodens (Orchitis), des Nebenhodens (Epididymitis) und der Samenstränge (Funikulitis), Wasserbrüche in den Hoden (Hydrozele) und Lymphödeme des Hodensacks (Lymphscrotum). Nach mehrjährigem Verlauf und zunehmender Verstopfung der Lymphgefäße (Obstruktion) und nachfolgender Verödung durch abgestorbene Mikrofilarien kommt es Verhärtungen der Lymphgefäße (Lymphvarikosen), Chylurie und Chylothorax durch Abflussstörungen der Lymphe sowie der Ausbildung der Elephantiasis vor allem der Beine aufgrund von Lympfansammlungen im Gewebe.[1]

Loiasis

Loa loa unterhalb der Bindehaut im Auge eines Menschen.
Hauptartikel: Loiasis
Hauptartikel: Loa loa

Die Loiasis wird ausschließlich durch Loa loa ausgelöst und ihre Verbreitung ist auf tropische Regenwaldgebiete Afrikas beschränkt. Anders als bei den lymphatischen Filariosen wandern die Filarien im Unterhautzellgewebe (Wanderfilarie), im Bindegewebe unter der Haut sowie unterhalb der Bindehaut des Auges (subkonjunktival).[3] Kommt Loa loa im Auge vor, wird er als „Augenwurm“ bezeichnet.

Die Symptome der Loiasis sind vor allem auf Immunreaktionen und allergische Reaktionen zurückzuführen. Es bilden sich scharf abgegrenzte und stark juckende Schwellungen der Haut, die jeweils für einige Tage präsent sind und in unregelmäßigen Abständen erneut auftreten (rezidivieren) und als Kalabar-Beule oder Kamerunbeule bezeichnet werden.[3] Die Larven (Mikrofilarien) werden in das Lymphsystem abeggeben und können so entsprechend nachgewiesen werden, haben jedoch keine Symptomatik analog zu den lymphatischen Filariosen.

Onchozerkose und Flussblindheit

Lebenszyklus von Onchocerca volvulus
Hauptartikel: Onchozerkose

Die Onchozerkose, auch bekannt als Knotenfilariose, wird durch eine Infektion mit Onchocercas volvulus ausgelöst. Wie bei der Loiasis leben die adulten Würmer auch bei dieser Infektion im Unterhautbindegewebe. Sie wandern jedoch nicht, sondern bleiben lokal in Knoten und geben ihre Larven in das angrenzende Bindegewebe ab. Die Larven zerstören hier die elastischen Fasern und führen zu chronischem Juckreiz, Hautentzündungen (Dermatitis), Lichenifikation, Atrophie der betroffenen Gewebe, Depigmentation der Haut sowie loslösung von Hautfalten im Bindegewebe (Presbydermie).[4]

In den Epidemiegebieten kommt es durch Befall der Augen mit den Mikrofilarien in bis zu 10% der Infektionsfälle zu einer Erblindung. Dies kann sowohl durch den Befall der Hornhaut und der Augenkammer wie auch durch den Befall der hinteren Augenbereiche nahe der Netzhaut und des Sehnervs geschehen. Der Befall in den vorderen Abschnitten führt zu lokalen Entzündungen der Hornhaut (Keratitis), der Bindehaut (Konjunktivitis), der Iris und des Ziliarkörpers (Iridozyklitis) sowie der mittleren Augenhaut (Uvea, Uveitis) und darüber zu Lichtscheu (Photophobie), Glaukom (grüner Star) und Katarakt (grauer Star). Im hinteren Augenbereich führt die Infektion zu allergischen Reaktionen, der Entzündung der der Netzhaut und der Aderhaut (Chorioretinitis) sowie des Sehnervs (Neuritis nervi optici) oder zur Optikusatrophie. Diese durch den Befall mit den Mikrofilarien von Onchocercus volvulus ausgelösten Formen der Erblindung werden als Flussblindheit zusammengefasst.[4]

Mansonelliasis

Auch die Mansonella-Filarien leben im Bindegewebe. Dabei finden sich Mansoniella ozzardi und Mansonella perstans im Bindegewebe des Bauchfells (Peritoneum) und Mansonella streptocerca im Unterhautzellgewebe. Anders als andere Filarien sind sie weitgehend apathogen, lösen also keine über die Wurminfektion hinausgehenden Erkrankungen und Symptome aus.[5][6][7]

Sonstige Filariosen

Mit Herzwurm (Dirofilaria immitis) infiziertes Hundeherz

Neben den beschriebenen Filariosen werden weitere Filariosen des Menschen von der Internationalen statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme zusammengefasst. Hierunter fallen vor allem Zoonosen, also Infektionen mit Arten, bei denen der Mensch nicht der eigentliche Wirt ist (Fehlwirt). Beispiele für entsprechende Zoonosen sind Infektionen mit Dirofilaria immitis und Dirofilaria repens, Acanthocheilonema reconditum und Brugia pahangi. Diese Arten befallen neben dem Menschen vor allem Hunde (→ Herzwurmerkrankung, Kutane Dirofilariose), Katzen (→ Dirofilariose), Huftiere und Primaten.[2]

Diagnostik

Abhängig von der Art und dem Ort der Manifestation der Filariose erfolgt die Dignostik ebenfalls unterschiedlich. Bei den lymphatischen Filariosen treten die Mikrofilarien im Blutbild und der Lymphflüssigkeit auf und können dort nachgewiesen werden, wobei die Mikrofilarien von Loa loa und Wuchereria bancrofti zu jeweils artspezifischen Tageszeiten nachweisbar sind. Sie treten in der Regel nachts auf und sind somit abgestimmt auf das Blutsaugverhalten der Vektoren. Lymphatische Mansonella-Arten zeigen dagegen kein periodisches Auftreten.[1] Die Mikrofilarien von Onchocercas volvulus und Mansonella streptocerca treten in der Haut auf.[1]

Auch verschiedene Verfahren der Serodiagnostik geben Hinweise auf die Infektion mit Filarien, vor allem der Immunfluoreszenztest (IFT), die Komplementbindungsreaktion (KBR) und das Enzymimmunoassay (EIA) zum Nachweis von Antikörpern und Antigenen im Blutserum.[1]

Behandlung

Die medikamentöse Behandlung zur Behandlung und zeitlich begrenzten Prophylaxe erfolgt bei Loiasis und lymphatischen Filariosen durch die Gabe von Diethylcarbamazin, einem Anthelminthikum.[1] Ivermectin, ein Avermectin wird gegen Mikrofilarien und Albendazol, ebenfalls ein Anthelminthikum, gegen adulte Filarien empfohlen.[8] Weitere Arzneimittel können bei der Behandlung der Onchozerkose zum Einsatz kommen.

Die Spätfolgen, vor allem die Elephantiasis, können chirurgisch behandelt werden.

Fachzeitschriften

Literatur und Belege

  1. a b c d e f g h i Stichwort „Filariose“ in Pschyrembel Wörterbuch Sexualität. Walter de Gruyter, Berlin 2006; Seite 473. ISBN 3-11-016965-7.
  2. a b Stichwort „Filariasis“ in Heinz Mehlhorn (Hrsg.): Encyclopedic Reference of Parasitology. Biology, Structure, Function Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York 2001. ISBN 3-540-66239-1.
  3. a b Stichwort „Loiasis“ in Pschyrembel Wörterbuch Sexualität. Walter de Gruyter, Berlin 2006; Seite 893-894. ISBN 3-11-016965-7.
  4. a b Stichwort „Ochozercose“ in Pschyrembel Wörterbuch Sexualität. Walter de Gruyter, Berlin 2006; Seite 1104. ISBN 3-11-016965-7.
  5. Stichwort „Mansonella ozzardi“ in Pschyrembel Wörterbuch Sexualität. Walter de Gruyter, Berlin 2006; Seite 937. ISBN 3-11-016965-7.
  6. Stichwort „Mansonella perstans“ in Pschyrembel Wörterbuch Sexualität. Walter de Gruyter, Berlin 2006; Seite 937. ISBN 3-11-016965-7.
  7. Stichwort „Mansonella streptocerca“ in Pschyrembel Wörterbuch Sexualität. Walter de Gruyter, Berlin 2006; Seite 937. ISBN 3-11-016965-7.
  8. E. Palumbo: Filariasis: diagnosis, treatment and prevention. In: Acta bio-medica. Band 79, Nummer 2, August 2008, S. 106–109, ISSN 0392-4203. PMID 18788504. (Review).

Weblinks

 Commons: Filariose – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • filariasis.net – ein Open-Access-Portal über die lymphatische Filariose

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