Al-wala wa-l-bara

Al-wala wa-l-bara

al-walā' wa-l-barā'a (arabischالولاء والبراء‎) ist ein Rechtsbegriff und wichtiger muslimischer Grundsatz im Umgang mit den Anhängern anderer Religionen. Übersetzt heißt es etwa „Freundschaft/Unterstützung und Meidung“. Gemeint ist damit der Grundsatz, sich von allen Nichtmuslimen fernzuhalten und die Nähe von Muslimen zu suchen und diese im Notfall gegen Nichtmuslime zu unterstützen.

Inhaltsverzeichnis

Begründung

Zur Begründung wird häufig folgender Koranvers herangezogen:

„Ihr Gläubigen! Nehmt euch nicht die Juden und die Christen zu Freunden! Sie sind untereinander Freunde (aber nicht mit euch). Wenn einer von euch sich ihnen anschließt, gehört er zu ihnen (und nicht mehr zu der Gemeinschaft der Gläubigen). Gott leitet das Volk der Frevler nicht recht.“

Übersetzung Rudi Paret: Sure 5,51, seine Ergänzungen in Klammern

Ibn Qayyim al-Gauziyya († 1350), ein hanbalistischer Theologe, hat in seinem Werk über die Behandlung der „Schutzbefohlenen“ (Dhimmis) diejenigen Koranverse angeführt, die die Abgrenzung von Nicht-Muslimen befehlen: Sure 2,105/109/120; Sure 3,28/75/118-120; Sure 4,44-45/51-52/138-139/144; Sure 5,51-53(siehe oben) 5,57-58/80-81; Sure 9,8-9/23/28; Sure 58,14-15/22; Sure 60,1-4/13. Diese im Koran begründete Geisteshaltung gegenüber der nichtmuslimischen Bevölkerung in den eroberten Gebieten ist stets Gegenstand genauer Erörterungen über das Fremdenrecht (Siyar), spätestens seit Abu Hanifa. Sie kommt in der Moderne in zahlreichen Rechtsgutachten (Fatwā), die eindeutig die Abgrenzung der Muslime von Nicht-Muslimen als wegweisend und als Rechtsgrundsatz betonen, ebenfalls zum Ausdruck.

Nach Sayyid Qutb, dem führenden Theoretiker der Muslimbruderschaft des 20. Jahrhunderts, bedeutet Wilaya nach dem obigen Koranvers keine Ablehnung von bloßer Freundschaft, sondern ausschließlich die bedingungslose Ablehnung von Schutz- und Bündnisverhältnissen mit den „Schriftbesitzern“, d. h. Juden und Christen, alternativ übersetzt also „nicht zu Beschützern nehmen“ (Lit.: Bedeutung des Qur´ans, S. 374f). Dies ist für Qutb historisch nicht nur in der medinensischen Zeit der Prophetie, in der der Anlass zur Offenbarung von Sure 5,51-53 (asbab al-nuzul) zu sehen ist, gegeben, sondern auch in der Moderne. Wegen der für Qutb historisch belegbaren Feindschaft der Juden bzw. Christen gegenüber dem Islam hält er die Hinwendung in Glaubensfragen für unmöglich.

Entsprechend wird der Begriff barāʾa in der Enzyklopädie des islamischen Rechts definiert: „von den falschen Religionen und Glaubensrichtungen fernbleiben. Dies erfordert von demjenigen, der sich zum Islam bekennt, daß er jeder Glaubensrichtung und Religion, die im Widerspruch zum Islam steht, ledig ist“ [1]

Zeitgenössische Meinungen

Der ägyptische Gelehrte Yusuf al-Qaradawi vertritt die Meinung, dass Freundschaft und soziale Beziehungen mit Nicht-Muslimen zulässig seien. Das Gebot, soziale Kontakte zu unterlassen, sieht er nur gegenüber Personen oder Personengruppen gerechtfertigt, die den Islam oder Muslime aktiv bekämpfen. Ebenso ist es nach Qaradawi erlaubt, sich auf staatlicher Ebene bei Nicht-Muslimen in technischen, politischen und militärischen Fragen um Hilfe zu bemühen. Dies ist nach seiner Aussage aber gegenüber denjenigen verboten, die den Islam selbst bekämpfen.[2]

Der saudische Großmufti Abd al-Aziz ibn Baz vertrat dazu eine andere Meinung. Per se sei freundschaftlicher Umgang mit Nicht-Muslimen verboten. Er werde nur dadurch zulässig, wenn er entweder den Zweck verfolge, die entsprechenden Personen zum Islam zu bekehren, dem Gastrecht zu entsprechen oder wenn der Umgang mit ihnen dem muslimischen Gemeinwesen diene. Freundschaftlicher Umgang ohne einen solchen speziellen Grund sei für Muslime mit Andersgläubigen unzulässig.[3] Der salafitische Gelehrte Salih al-Fausan stellte fest, es sei unmöglich, mit Andersgläubigen freundschaftliche Beziehungen zu führen, da man als Muslim verpflichtet sei, Andersgläubige zu hassen.[4]

Einzelnachweise

  1. al-Mausūʿa al-fiqhiyya. Kuwait 2003. Bd. 8. S. 54.
  2. Yusuf Al-Qaradawi : Erlaubtes und Verbotenes im Islam, 4. Auflage, München 2003 S. 471 - 476
  3. Internetquelle zu Ibn Baaz' Entscheidung (englisch)
  4. Internetquelle auf der al-Fausan zitiert wird (englisch)

Siehe auch

Literatur

  • Adel Theodor Khoury: Islamische Minderheiten in der Diaspora. Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz/Kaiser München, 1985 (Entwicklung und Frieden, Band 40), ISBN 3-7867-1216-6, ISBN 3-459-01628-0
  • Sayyid al-Qutb: Fi zilal al-qur'an. (‏في ظلال القرآن‎) Kairo 1954 (Im Schatten des Korans)
  • Julius Hatschek: Der Musta'min. Berlin 1920
  • Wilhelm Heffening: Das islamische Fremdenrecht bis zu den islamisch-fränkischen Staatsverträgen. Eine rechtshistor. Studie z. Fiqh. Neudruck der Ausgabe Hannover 1925. Biblio-Verlag, Osnabrück 1975, ISBN 3-7648-0375-4

Weblinks


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