Fizeau-Experiment

Fizeau-Experiment
Aufbau des Fizeau-Experiments aus dem Jahr 1851

Das Fizeau-Experiment wurde von Hippolyte Fizeau 1851 durchgeführt, um die relativen Lichtgeschwindigkeiten im bewegten Wasser zu messen. Nach der Aussage Albert Einsteins war das Experiment wegweisend für die Entwicklung der Speziellen Relativitätstheorie (vgl. Tests der speziellen Relativitätstheorie).

Obwohl dieses Experiment meist „das“ Fizeau-Experiment genannt wird, war Fizeau ein sehr aktiver Experimentator, der viele andere Experimente auf verschiedenen Gebieten durchführte.

Inhaltsverzeichnis

Das Experiment

Das Experiment war darauf angelegt, die Voraussage von Augustin Jean Fresnel zu überprüfen, nach der ein bewegtes dispersives Medium eine leichte Veränderung der Lichtgeschwindigkeit eines Lichtstrahls bewirken soll. Die Geschwindigkeit des Lichts in Materie ist durch c / n gegeben mit der Brechzahl n. Nach Fresnel würde der Lichtäther von der bewegten Materie teilweise mitgeführt, woraus sich folgender „fresnelsche Mitführungskoeffizient“ ergibt:

 1 - \frac{1}{n^2}

Die Lichtgeschwindigkeit in einem bewegten Medium wäre deshalb nach Fresnel:

 c' = \frac {c}{n} + v \left( 1 - \frac{1}{n^2} \right)

Fizeau (1851) führte nun zwei Varianten folgenden Versuches durch:

Das Fizeau-Experiment: Ein von der Quelle S ausgesandter Lichtstrahl wird von der Glasplatte G reflektiert und durch die Linse L parallel weitergeführt. Nach Durchquerung der Schlitze O1 und O2 entstehen zwei Lichtstrahlen, welche die Kanäle A1 und A2 durcheilen, wobei die Kanäle von einem Wasserstrom in entgegengesetzter Richtung durchströmt werden. Der Spiegel m am Fokus der Linse L' richtet die durcheilenden Strahlen schließlich so an, dass sich einer immer in der Richtung, und der andere immer entgegen der Richtung des fließenden Wassers ausbreitet. Nachdem jeder Strahl den Weg zweimal durcheilt hat, werden die beiden Strahlen bei S' vereinigt, wo sie Interferenzstreifen erzeugen.

Bei der ersten Variante ruhte das Wasser in den Kanälen. Dadurch sollte festgestellt werden, ob die Lichtgeschwindigkeit bei der Bewegung der Erde durch den Äther beeinflusst wurde. Denn wenn ein ruhender Äther existiert, müsste es einen Unterschied machen, ob sich ein Strahl gegen oder in die Bewegungsrichtung des Äthers ausbreitet. Ist jedoch der fresnelsche Mitführungskoeffizient korrekt, würde dieser den erwarteten Effekt aufheben. Fizeau erzielte ein negatives Ergebnis (d. h. keine Verschiebung der Interferenzstreifen), was als Bestätigung von Fresnels Mitführungskoeffizienten angesehen werden kann.

Bei der zweiten (aus heutiger Sicht wichtigeren) Variante durchströmte das Wasser die Kanäle. Hier muss gemäß dem fresnelschen Mitführungskoeffizienten ein positives Ergebnis auftreten, da die Lichtgeschwindigkeit in den Medien je nach Bewegungsrichtung des Wassers unterschiedlich ausfällt. Hier erzielte Fizeau nun ein positives Ergebnis, und bestätigte abermals Fresnels Mitführungskoeffizienten.

Fizeaus Experiment wurde von Albert Abraham Michelson und Edward Morley (1886), und durch Pieter Zeeman (1914) mit denselben Resultaten wiederholt.

1910 versuchte Franz Harress, den fresnelschen Mitführungskoeffizienten mit einer rotierenden Versuchsanordnung nachzuweisen. Es gelang im, jedoch trat daneben noch ein zusätzlicher Effekt auch, der von ihm als „systematischer Fehler“ interpretiert wurde. Tatsächlich handelte es sich dabei um den Sagnac-Effekt, der hier zusammen mit dem Mitführungskoeffizienten zu berücksichtigen ist.

Erklärungen

Da der fresnelsche Mitführungskoeffizienten ursprünglich mit einer teilweisen Äthermitführung gleichgesetzt wurde, wurde von nun an von der Mehrzahl der Physiker die Theorie des vollständigen Äthermitführung als widerlegt betrachtet. Doch während sich Fresnels Formel bewährt hatte, ergab sich aus seiner Theorie der teilweisen Äthermitführung eine Abhängigkeit des Koeffizienten von der Frequenz bzw. der Farbe des Lichtes, was jedoch nicht stimmen konnte.

Hendrik Antoon Lorentz konnte 1892 den Koeffizienten schließlich auf der Basis der maxwellschen elektromagnetischen Lichttheorie ableiten, ohne irgendeine Mitführung des Äthers annehmen zu müssen. Durch Wechselwirkung der Elektronen mit dem Licht wird bei der Bewegung der Materie ein Teil der elektromagnetischen Wellen modifiziert bzw. mitgeführt, wobei das Endergebnis mit dem fresnelschen Mitführungkoeffizieten übereinstimmt. Folgenreicher war jedoch, dass Lorentz dabei als mathematisches Hilfsmittel für Größen erster Ordnung zu v/c eine unterschiedliche Zeitvariable für relativ zum Äther bewegte Systeme verwendete, die so genannte Ortszeit (eine Vorform der Lorentz-Transformation). 1895 ging Lorentz noch einen Schritt weiter und benutzte ausschließlich die Ortszeit als Erklärung, ohne auf die Wechselwirkung von Licht und Materie zu verweisen.

Dies konnte formal wesentlich vereinfacht werden, nachdem Albert Einstein (1905) aus der Lorentz-Transformation das relativistische Geschwindigkeitsadditionstheorem abgeleitet hatte. Darauf aufbauend konnte Max von Laue 1907 mit Hilfe dieses Theorems die korrekte Mitführung für alle Größen zu v/c ableiten, wobei sich der fresnelsche Koeffizient angenähert bei geringen Geschwindigkeiten ergab. Das Experiment stellt folglich auch eine Bestätigung der Speziellen Relativitätstheorie dar.

Einstein betonte deswegen später auch immer wieder die große Bedeutung des Fizeau-Experiments für die Entwicklung der Speziellen Relativitätstheorie, da dieses Experiment bereits frühzeitig eine Abweichung von der klassischen Geschwindigkeitsaddition anzeigte. Beispielsweise berichtet Robert S. Shankland von folgender Aussage Einsteins:[1]

„Er [Einstein] fuhr fort, dass die experimentellen Resultate die ihn am meisten beeinflusst hatten, die Beobachtungen der stellaren Aberration und Fizeau's Messungen zur Lichtgeschwindigkeit in bewegtem Wasser waren. „Diese waren ausreichend“, sagte er.[2]

Relativistisch korrekte Herleitung des Mitführungskoeffizienten

Gemäß der speziellen Relativitätstheorie ist die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum nicht überschreitbar. Das heißt, das Vakuum kann nicht als gewöhnliches materielles Lichtmedium („Äther“) aufgefasst werden, dessen Bewegungszustand einen Einfluss auf die Lichtgeschwindigkeit hätte. Die Lichtgeschwindigkeit in der Materie ist jedoch immer geringer als die Vakuumlichtgeschwindigkeit. Hier ist es gemäß der Relativitätstheorie also erlaubt, dass die (jeweilige) Lichtgeschwindigkeit von der Bewegung des jeweiligen Mediums beeinflusst wird, solange die resultierende Geschwindigkeit nicht die Vakuumlichtgeschwindigkeit übersteigt. Damit dies möglich ist, kann die resultierende Geschwindigkeit nicht durch eine simple Addition von Mediumsgeschwindigkeit und Lichtgeschwindigkeit ermittelt werden, sondern nur mit Hilfe des relativistischen Additionstheorems für Geschwindigkeiten. Es ergibt sich dabei, dass der fresnelsche Mitführungskoeffizient sich allein aus dem relativistischen Additionstheorem herleiten lässt. Irgendwelche Annahmen über die Natur der Lichtausbreitung im bewegten Medium sind dafür nicht erforderlich. Wenn die Richtung der beiden Geschwindigkeiten übereinstimmt, lautet das Additionstheorem:

u = \frac{u' + v}{1 + \frac{u'v}{c^2}}

Setzt man für u' die Lichtgeschwindigkeit im Medium ein, u' = c / n, und identifiziert v mit der Geschwindigkeit des Mediums, so ergibt sich für die Summe beider Geschwindigkeiten u im Laborsystem:

u = \frac{\frac{c}{n} + v}{1 + \frac{v}{nc}} = \frac{c}{n} \cdot \frac{1 + \frac{vn}{c}}{1 + \frac{v}{nc}}

Für kleine Geschwindigkeiten v \ll c/n liefert Taylorentwicklung nach v die Näherung erster Ordnung:

u \approx \frac{c}{n} + v \left( 1 - \frac{1}{n^2} \right)

Dies stimmt mit dem fresnelschen Ergebnis überein.

Siehe auch

Literatur

Zeitschriften

  1. R. S. Shankland, "Conversations with Einstein," Am. J. Physics 41 (7), 895-901 (1973).
  2. Original: "He continued to say the experimental results which had influenced him most were the observations of stellar aberration and Fizeau’s measurements on the speed of light in moving water. “They were enough,” he said."

Bücher

  • Miller, A.I.: Albert Einstein’s special theory of relativity. Emergence (1905) and early interpretation (1905–1911). Reading: Addison–Wesley 1981, ISBN 0-201-04679-2

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