Folgenbeseitigungsanspruch

Folgenbeseitigungsanspruch

Der Folgenbeseitigungsanspruch ist ein im deutschen Recht gewohnheitsrechtlich anerkannter Anspruch zur Wiederherstellung eines Zustandes nach einem öffentlich-rechtlichen Eingriff.

Inhaltsverzeichnis

Rechtsgrundlage

Die normativ-dogmatische Herleitung ist umstritten. Als rechtliche Grundlagen werden in der Rechtsprechung und Literatur eine Analogie zu §§ 1004, 12, 862 BGB, das Gebot der Gerechtigkeit, das Rechtsstaatsprinzip, der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, der Grundsatz des Gesetzesvorbehalts, die Freiheitsrechte und die Rechtsschutzgarantie nach Art. 19 Abs. 4 GG genannt.[1] Die mittlerweile wohl herrschende Meinung vertritt die Ansicht, dass sich der Folgenbeseitigungsanspruch aus den jeweiligen Grundrechten ergibt.[1] Dies wird damit begründet, dass die Grundrechte zunächst als Abwehrrechte dienen, sobald der Eingriff in die Rechte jedoch geschehen ist, wandeln sich die Abwehrrechte in das Recht auf Beseitigung der Folgen.[2]

Dass dem Adressaten hoheitlichen Handelns grundsätzlich bei der Aufhebung eines für ihn belastenden Verwaltungsaktes ein materielles Recht auf Beseitigung der unmittelbaren Folgen zusteht, ergibt sich auch aus der Formulierung des § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Dies begründet den Folgenbeseitigungsanspruch jedoch nicht, sondern setzt ihn voraus.[3]

Formen

Hinsichtlich des angegriffenen Verwaltungshandelns wird von einem Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch gesprochen, wenn die Folgen eines (rechtswidrigen) Verwaltungsaktes wieder rückgängig gemacht werden sollen, der allgemeine Folgenbeseitigungsanspruch wird dann auf das übrige Verwaltungshandeln (in der Regel Realakte) angewandt. Beide Arten müssen dieselben Voraussetzungen erfüllen; dennoch ist die begriffliche Unterscheidung nicht überflüssig, zumal der Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch als Annex zu einer Anfechtungsklage geltend gemacht werden kann, während Folgenbeseitigungsansprüche im Übrigen im Rahmen einer allgemeinen Leistungsklage geltend gemacht werden müssen.

Voraussetzungen

Voraussetzung für einen Folgenbeseitigungsanspruch ist

  1. hoheitliches Handeln, also durch eine Verwaltungsbehörde oder durch einen Beliehenen, das einen
  2. Eingriff in ein so genanntes subjektives Recht (wie z.B. ein Grundrecht o.ä.) darstellt. Dadurch muss ein
  3. rechtswidriger Zustand geschaffen worden sein, z.B. durch materielle Rechtswidrigkeit, und
  4. dieser Zustand zum Nachteil des Antragstellers muss noch andauern.

Das Verwaltungshandeln (ob als Verwaltungs- oder Realakt) selbst muss nach heute überwiegend vertretener Ansicht nicht zwingend rechtswidrig sein. Es kommt auf den rechtswidrigen Zustand an. Muss der Bürger die Folgen des Verwaltungshandeln dulden, so ist das Handeln der Behörde nicht rechtswidrig.

Die Beseitigung muss durch die Behörde tatsächlich und rechtlich möglich und zumutbar sein. Die Beseitigung ist unzumutbar, wenn sie einen unverhältnismäßig hohen Aufwand erfordern würde.[4] Wenn die Beseitigung hiernach ausgeschlossen ist, besteht möglicherweise ein Schadensersatzanspruch.

Der Anspruch unterliegt der 3-jährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB.[5]

Rechtsfolgen

Der Umfang der Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs begrenzt sich auf die Wiederherstellung (Restitution) des früheren Zustands (status quo ante in natura) soweit diese möglich, zulässig und zumutbar ist. Der Folgenbeseitigungsanspruch umfasst nur die unmittelbaren Folgen des Eingriffes, sodass Entschädigung oder Schadensersatz aufgrund dessen nicht verlangt werden kann.[6]

Können die Folgen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht nicht beseitigt werden, so ist der Folgenbeseitigungsanspruch ausgeschlossen. Es kommt dann ein "Folgenentschädigungsanspruch" in Betracht, welcher aber kein eigenständiger Anspruch ist und sich auch nicht aus dem Folgenbeseitigungsanspruch herleitet, sondern sich aus den allgemeinen Entschädigungsansprüchen (beispielsweise der Amtshaftung) ergibt.[7] Die Mitverschuldensregelungen des § 254 BGB werden mittlerweile nach der herrschenden Meinung analog angewandt.[8]

Einzelnachweise

  1. a b Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 30 Rdnr. 5
  2. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 30 Rdnr. 6; Martini, Verwaltungsprozessrecht, S. 145
  3. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 30 Rdnr. 4
  4. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 30 Rndr. 14
  5. Jachmann/Drüen, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rdnr. 233
  6. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 30 Rdnr. 16
  7. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 30 Rdnr. 17
  8. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 30 Rdnr. 18; Früher vertrat die Rechtsprechung des BVerwG, dass bei Mitverschulden der Folgenbeseitigungsanspruch gänzlich entfällt (vgl. Maurer aaO.).

Literatur

  • Szymon Mazur: Restitution der Folgen nicht gerechtfertigter Eingriffe in Grundrechte – Der Folgenbeseitigungsanspruch. In: ZJS 2011, 321–326 (PDF-Datei, 96 kB).
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