- Folgen der globalen Erwärmung in der Arktis
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Die Folgen der globalen Erwärmung in der Arktis zählen zu den regionalen Auswirkungen der Erderwärmung. Zu ihnen gehören deutlich stärker als im weltweiten Durchschnitt ansteigende Lufttemperaturen, zurückweichende Gletscher, auftauender Permafrostboden und schmelzendes Meereis.
Mit einer wärmeren Arktis gehen zahlreiche Rückkopplungen einher, also durch die Erwärmung ausgelöste Veränderungen, die sich wiederum auf das Maß der Erwärmung auswirken.[1] Neben ökologischen Folgen sind auch gravierende Konsequenzen für die in der Arktis lebenden Menschen zu erwarten.
Besonders durch den Rückgang des sommerlichen Meereises hat sich darüber hinaus ein Wettrennen von Anrainer-Staaten um die wertvollen Ressourcen entwickelt, die unter dem Meeresgrund des Arktischen Ozeans vermutet werden. Die Umweltveränderungen führen deshalb mittelbar zu politischen Konflikten.
Temperaturerhöhung
Der Zeitraum 1995–2005 war der wärmste seit spätestens dem 17. Jahrhundert, und das Jahr 2005 war mit 2 °C über dem langjährigen Mittel von 1951 bis 1990 außergewöhnlich warm.[2] Zusätzlich zu den zur Erderwärmung führenden Treibhausgasen haben vermutlich auch anderen Bestandteile der Luft wie Rußpartikel einen wesentlichen Teil zu dieser lokalen Erwärmung beigesteuert.[3] Der Ruß stammt wahrscheinlich zum größten Teil aus Waldbränden in borealen Gebieten und zu geringeren Anteilen aus verbrannten fossilen Brennstoffen.[4]
Höhere Temperaturen durch Polare Amplifikation
In den vergangenen Jahrzehnten erhöhte sich die durchschnittliche Lufttemperatur in der Arktis etwa doppelt so schnell wie die globale Durchschnittstemperatur (die sich zwischen 1906 und 2005 um 0,74 °C ± 0,18 °C erhöhte[5]). Die Erwärmung des Gebiets nördlich von 60° N (etwa die Höhe von Stockholm oder Anchorage) beträgt seit einem leichten Temperaturminimum in den 1960ern und 1970ern durchschnittlich 1 bis 2 °C. Einige Regionen, darunter Alaska und Westkanada, erwärmten sich um 3 bis 4 °C seit 1950.[6] Seit 1980 erwärmt sich die Arktis am stärksten im Winter und Frühjahr, und zwar um etwa 1 °C pro Jahrzehnt. Am geringsten ist die Erwärmung im Herbst. Außerdem erwärmen sich die zur Arktis gehörenden inneren Regionen Nord-Asiens und der Nordwesten Nordamerikas am stärksten.[7]
In der Arktis steigt neben der Luft- auch die Wassertemperatur deutlich rascher an als im globalen Durchschnitt.[6] Die Wassertemperaturen des arktischen Nordatlantiks sind heute so hoch wie seit mindestens 2000 Jahren nicht mehr.[8]
Es gibt mehrere Gründe dafür, dass sich die Arktis weit stärker erwärmt als andere Teile der Erdoberfläche – ein Phänomen, das auch als „polare Amplifikation“ bezeichnet wird:[9]
- Die Eis-Albedo-Rückkopplung sorgt dafür, dass in Folge von Schnee- oder Eisschmelze frei werdender dunkler Untergrund sehr viel mehr Wärmeenergie aufnimmt, als es bei der zuvor stark reflektierenden weißen Schicht der Fall war. Dies gilt sowohl für Land- als auch für Wasserflächen.
- Es wird weniger Energie für Verdunstung aufgewendet, so dass mehr Energie zur Lufterwärmung bereitsteht.
- Die Atmosphärenschicht, die sich aufheizen muss, um den Boden mitzuerwärmen, ist flacher.
- Veränderungen ozeanischer oder atmosphärischer Zirkulationen können die Arktis besonders erwärmen.[6]
Künftige Erwärmung
Bis zum Jahr 2100 wird mit einem weiteren Ansteigen der durchschnittlichen Lufttemperatur in der Arktis um 2 bis 9 °C gerechnet. Für die gesamte Erde geht das in Fragen der Klimaforschung maßgebliche Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) von einer demgegenüber deutlich geringeren Erwärmung um 1,1 bis 6,4 °C aus. In der (untersuchten westlichen) Arktis wurden mit dem unteren Rand dieser Schätzungen vergleichbare Temperaturen zuletzt während des sogenannten Holozänen Temperaturmaximums vor 10.000 bis 12.000 Jahren erreicht. Damals waren dort die Temperaturen um 1,6 ± 0,8 °C höher als im Durchschnitt des 20. Jahrhunderts. Zu jener Zeit vollzog sich die Erwärmung allerdings im Laufe von wenigstens zwei Jahrtausenden, trat regional zu unterschiedlichen Zeitpunkten auf und wurde vermutlich durch den damals noch vorhandenen Laurentidischen Eisschild über dem heutigen Kanada „ausbalanciert“.[10]
Zunehmender Niederschlag und „Regen-auf-Schnee-Ereignisse“
Im letzten Jahrhundert gab es in der Arktis eine Zunahme der Niederschläge um etwa 8 %, größtenteils als Regen. Im Herbst und Winter war der Anstieg dabei am stärksten ausgeprägt.[6] Die Niederschlagstrends sind jedoch örtlich sehr unterschiedlich und die Messungen noch recht ungenau.[7]
Im 21. Jahrhundert wird ein weiterer Anstieg der Niederschläge in der Arktis erwartet. Das vom Arktischen Rat in Auftrag gegebene Arctic Climate Impact Assessment (ACIA) prognostiziert einen Anstieg der Gesamtniederschläge um 20 %.[6] Besonders stark werden die Niederschläge in den Küstenregionen im Herbst und im Winter zunehmen.
Laut dem Arctic Climate Impact Assessment kommt es bereits heute immer häufiger zu so genannten „Regen-auf-Schnee-Ereignissen“. Dabei fällt besonders der Winterniederschlag auf die am Boden liegende Schneedecke. Dies verursacht eine schnellere Schneeschmelze und kann in manchen Regionen zu akuten Überflutungen führen. In Westrussland etwa traten solche „Regen-auf-Schnee-Ereignisse“ um 50 % häufiger über die letzten 50 Jahre auf.
Der schmelzende grönländische Eisschild
Der zweitgrößte Eisschild der Erde (nach der Antarktis) und die größten Gletscher der arktischen Region befinden sich auf Grönland. Der grönländische Eisschild ist einer der letzten Reste der pleistozänen Inlandsvereisung. Er hat sich erhalten, weil sich das Eis durch zwei Rückkopplungen selbst kühlt: Erstens reflektiert es einen großen Teil der Sonnenenergie, ohne sich dabei zu erwärmen (die so genannte Eis-Albedo-Rückkopplung), und zweitens liegt die Oberfläche des kilometerdicken Eisschildes auf Hochgebirgsniveau in kälteren Luftschichten.
Massenverlust Grönlands
Die Temperaturen im Süden der Insel sind seit Mitte des 20. Jahrhunderts um 2,5 °C gestiegen. In der Folge kam es zu deutlich zurückgehenden Gletschern, größeren Schmelzgebieten im Inland und zu einem zunehmendem Massenverlust.
In den höher gelegenen Zentralgebieten nimmt die Masse durch zunehmenden Schneefall derzeit noch zu.[11]
Zum Symbol für den Eisverlust wurde eine neue Insel namens Uunartoq Qeqertoq (auf englisch Warming Island), die im Jahr 2005 an der Ostküste entdeckt wurde. Nachdem eine große Menge Festlandeis geschmolzen war, stellte sich heraus, dass es sich bei Uunartoq Qeqertoq nicht um eine mit dem Festland verbundene Halbinsel handelt, wie zuvor angenommen worden war.
Massenveränderung Grönlands nach verschiedenen Studien Studie Massenveränderung
in Gt pro JahrMethode Zeitraum Krabill et al. 2000 -47 Beobachtungsflüge 1994–1999 Chen et al. 2006[12] -239 ± 23 GRACE 2002–2005 Velicogna et al. 2006 -200 bis -260 GRACE 2002–2006 Luthcke et al. 2007* -145 bis -175 GRACE 2003–2006 Zwally et al. 2007* -80 bis -100 ICESat 2003–2005 Wouters et al. 2008[13] -179 ± 25 GRACE 2003–2008 van den Broeke et al. 2009[11] –237 ± 20 GRACE 2003-2008 * Vorläufige Angaben. Quelle: NASA Earth Observatory, eigene Ergänzungen Die schmelzende Eismenge wird in unterschiedlichen Einheiten angegeben. Ein km³ sind eine Milliarde m³ und näherungsweise (aufgrund der Dichteanomalie) eine Gigatonne (Gt) Eis.
Die Massenveränderungen Grönlands werden mit Satelliten (z.B. mit GRACE, Cryosat und ICESat) erfasst. In den letzten 20 Jahren hat sich die Schmelze deutlich verstärkt. Insgesamt verlor Grönland 1996 noch knapp 100 Milliarden Tonnen an Masse, ein Wert vergleichbar mit den 1960er Jahren, während 2007 fast 270 Milliarden Tonnen verloren gingen.[14] 2007 ist erstmals eine negative Massenbilanz für die Höhe ab 2000m festgestellt worden.[13]
Von 2000 bis einschließlich 2008 lag der gesamte Massenverlust bei ungefähr 1500 Milliarden Tonnen.[11]
Unterschiedliche Forscherteams kommen bei der Auswertung der Satellitendaten zu abweichenden Ergebnisse (siehe Tabelle), doch kommen alle übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass Grönlands Masse stark abnimmt.
Vor allem die Ränder Grönlands sind von einem beschleunigten Eisverlust betroffen. Die Eisschmelze ist auch landeinwärts nachweisbar. Zwischen 1992 und 2005 hat sich der Anteil des grönlandischen Gebietes mit feststellbarer Eisschmelze um etwa 40.000 km2 pro Jahr vergrößert, wodurch jetzt über ein Viertel der Insel schmelzendes Eis aufweist.[15] Eine Studie aus dem Jahr 2011 untersuchte den Massenverlust der Arktis und Antarktis und fand heraus, dass im Zeitraum zwischen 1992 und 2009 in Grönland jedes Jahr 21,9 Milliarden Tonnen mehr Eis schmilzt als im Jahr zuvor.[16] Zum Vergleich: Im Bodensee befinden sich 48 Milliarden Tonnen Wasser.
Isostatische Dynamik
In Folge der Gletscherschmelze steigt Grönland langsam auf. Weil die Eismasse der Insel deutlich abnimmt, reduziert sich das auf Grönland lastende Gewicht. In den letzten Jahren hob sich das Festland hierdurch vor allem in den Küstenregionen stellenweise um bis zu 4 cm pro Jahr an. Vor 2004 lag dieser Wert noch bei 0,5 bis 1 cm. Daraus lasse sich schließen, dass das grönländische Eis derzeit viermal schneller schmelze als noch vor ein paar Jahren, so der Wissenschaftler Shfaqat Khan vom Danish National Space Center.[17] [18]
Gletscherdynamik
An einzelnen Gletschern Grönlands zeigt sich eine überraschende Dynamik, die zuvor (vermutlich auch aufgrund geringerer Forschungstätigkeit) bei Gletschern generell unbekannt war. Innerhalb von Tagen oder Wochen kann sich die Fließgeschwindigkeit eines Gletschers vervierfachen, um dann wieder auf das ursprüngliche Maß zurückzugehen. Im vieljährigen Durchschnitt hat sich bei einigen westgrönländischen Gletschern keine generelle Beschleunigung der Fließgeschwindigkeit gezeigt.[19] Zwei der größten Gletscher der Insel, der Kangerdlugssuaq und der Helheim, die zusammen 35 % zum Massenverlust Ostgrönlands in den vergangenen Jahren beigetragen haben, wurden von einem Team um den Glaziologen Ian Howat detaillierter untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass sich die Schmelzrate der beiden Gletscher zwischen 2004 und 2005 verdoppelt hatte. Bis 2006 war der Massenverlust dann wieder auf den Wert von 2004 zurückgegangen.[20] Eine ähnliche Dynamik lässt sich auch am rechts abgebildeten Jakobshavn Isbræ an der Westküste Grönlands beobachten. Zwischen 2001 und 2003 hatte sich seine Schmelzrate drastisch beschleunigt und war dann 2004 wieder deutlich zurückgegangen. Während sich der Gletscher zwischen 1991 und 1997 im Durchschnitt um 15 m pro Jahr zurückgezogen hatte, war dieser Wert bis 2003 auf fast das Doppelte angewachsen. Parallel beschleunigte sich die Bewegung seiner Eismassen. Betrug deren Geschwindigkeit 1985 noch 6,7 km pro Jahr und 1992 bis 1997 sogar nur 5,7 km, stieg dieser Wert deutlich auf 9,4 km pro Jahr für 2000 und weiter auf 12,6 km im Jahr 2003 an. 2004 hatte sich der Rückzug dann wieder deutlich verringert, was die bis heute kaum berechenbare Dynamik des Jakobshavn Isbræ verdeutlicht.[21]
Anstieg des Meeresspiegels durch Schmelzwasser
Zwischen 1993 und 2003 betrug der weltweite Meeresspiegelanstieg nach Satellitenmessungen pro Jahr durchschnittlich 3,1 ± 0,7 mm. Der Eisschild Grönlands trug hierzu mit 0,21 ± 0,07 mm bei.[22] Bis 2007 erhöhte sich der globale Anstieg weiter auf 3,3 ± 0,4 mm.[23] Das IPCC schätzt, dass bis 2100 Erhöhungen des Meeresspiegels zwischen 0,19 m und 0,58 m möglich sind. Der Beitrag der schwer zu modellierenden Eisschilde Grönlands und der Antarktis ist hiervon allerdings ausdrücklich ausgenommen, weil das wissenschaftliche Verständnis ihrer Dynamik keine seriöse Abschätzung erlaubt.[24]
Grönlands Eismasse ist groß genug, um den Meeresspiegel weltweit über 7 m ansteigen zu lassen. Eine der heute absehbar größten katastrophalen Folgen der Erderwärmung bestünde demnach in einem kollabierenden Eisschild. In den vergangenen Jahren wurden Schätzungen kontinuierlich nach unten korrigiert, ab wann ein nicht wieder umkehrbarer Auflösungsprozess einsetzen und wie lange er anhalten würde, bis das gesamte grönländische Eis abgeschmolzen ist. Zu Beginn der 2000er Jahre wurde ein solches Szenario allenfalls im Laufe von Jahrtausenden für möglich erachtet. Heute ist es eher Konsens, dass hierbei höchstens in Jahrhunderten gerechnet werden sollte. Die in den vergangenen Jahren bekannt gewordenen Daten über rapide Veränderungen der Eisschilde deuten auf eine Dynamik hin, die das Bild von trägen, riesigen Eismassen zunehmend in Frage stellt.[25]
Zudem wurden 2006 und 2007 Studien veröffentlicht, welche den Verlust von beträchtlichen Teilen des Eisschildes sogar binnen einiger Jahrzehnte für nicht ausgeschlossen halten. Zu dieser Schlussfolgerung kommt ein Artikel von Jonathan Overpeck et al. in der Zeitschrift Science. Dieser sucht nach klimatischen Bedingungen in der Klimageschichte, die den in diesem Jahrhundert erwarteten ähneln. Dabei wird er mit der Eem-Warmzeit vor etwa 129.000 bis 118.000 Jahren fündig. Damals lagen die Meeresspiegel um wenigstens 4 und möglicherweise über 6 m höher als heute. Die Bedingungen in der Arktis, so die Autoren, könnten gegen Ende des 21. Jahrhunderts denen während der Eem-Warmzeit gleichen. Wenn aber damals große Teile des grönländischen Eisschildes geschmolzen seien, dann könne schwerlich davon ausgegangen werden, dass er nun vergleichbar hohe Temperaturen unbeschadet überstehen würde.[26] NASA-Klimatologe James E. Hansen warnte bereits 2005 vor einem rapiden Meeresspiegelanstieg als Folge überraschend schnell schmelzender Eisschilde. Hansen verweist dafür auf den am Übergang zur aktuellen Warmzeit aufgetretenen Schmelzwasserpuls 1A vor über 14.200 bis 14.700 Jahren. Während des Pulses stieg der Meeresspiegel um 20 m innerhalb von 400 bis 500 Jahren, oder um durchschnittlich einen Meter alle 20 Jahre.[27] Hansen nimmt nicht an, dass ein vergleichbar rascher Anstieg der Ozeane sehr wahrscheinlich sei, er geht jedoch von einer (im Plural) „in Metern“ zu messenden Erhöhung bis Ende des 21. Jahrhunderts aus.[28] [29]
Mögliche veränderte Zirkulation des Ozeans
Es gibt verschiedene Mechanismen welche die von der Sonne erzeugte Wärme- und Strömungsenergie vom Äquator zu den Polen befördern. Dazu zählen die global miteinander verbundenen Bewegungen der Wassermassen des Ozeans. Diese Bewegungen entstehen aufgrund von Unterschieden in der Temperatur und im Salzgehalt. Man bezeichnet dies als thermohaline Zirkulation.
In den vergangenen 120.000 Jahren ist der Nordatlantikstrom mehrfach unterbrochen gewesen.[30] Ursache dafür war vermutlich jeweils der Zufluss großer Mengen Süßwassers, welches den Verdichtungsprozess abschwächte und das Absinken des Oberflächenwassers verhinderte. Theoretisch ist es denkbar, dass der Nordatlantikstrom durch den verstärkten Eintrag von Süßwasser aus den grönländischen Gletschern erneut unterbrochen wird. Ein Versiegen des Golfstroms hätte, wenn auch keine Eiszeit, so doch einen starken Kälteeinbruch in ganz West- und Nordeuropa zur Folge.
Eine Unterbrechung des Nordatlantikstroms wird bislang von den beteiligten Wissenschaftlern als zumindest mittelfristig sehr unwahrscheinlich erachtet.[31] Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts wird nach Simulationen mit Klimamodellen eine leichte Abschwächung des Nordatlantikstroms erwartet. Im Zuge von Untersuchungen des Nordatlantikstroms in den 2000er Jahren wurde deutlich, dass dieser starken natürlichen Schwankungen unterliegt, aber bisher keine Abschwächungstendenzen aufweist.[32]
Die im Winter 2005/2006 durch veränderte, atmosphärische Strömungsmuster in die Arktis transportierte Heizleistung betrug 90 Terawatt, was der Leistung von 90.000 herkömmlichen Atomkraftwerken entspricht.[33]
Zurückgehende Gletscher außerhalb Grönlands
Auch an anderen Stellen in der Arktis beginnen die Gletscher abzuschmelzen. Seit 2000 gingen von den 40 Gletschern der 8.100 km² großen Vatnajökull-Eiskappe auf Island alle bis auf einen zurück.[34] In Island gingen zwischen 1995 und 2000 von 34 untersuchten Gletschern 28 zurück, vier waren stabil und zwei wuchsen.[35]
Im Kanadisch-arktischer Archipel gibt es zahlreiche große Eiskappen. Dazu zählen die Penny- und Barneseiskappen auf der Baffininsel (mit 507.451 km² die fünftgrößte Insel der Welt), die Byloteiskappe auf der Bylot-Insel (11.067 km²) und die Devoneiskappe auf der Devon-Insel (55.247 km²). Diese Eiskappen verlieren an Mächtigkeit und ziehen sich langsam zurück. Seit den 1950er Jahren sind über 20 Eisschilde auf der Baffininsel als direkte Folge der Erderwärmung um mehr als die Hälfte geschrumpft, wie eine Studie der University of Colorado at Boulder ergab. Das sei die geringste Ausdehnung seit mindestens 1.600 Jahren, so die Autoren. Der Rückgang sei um so bemerkenswerter, da natürliche Faktoren wie die langfristige Neigung der Erdachse zu sinkender Sonneneinstrahlung in der Arktis geführt habe und in der Folge ein Anwachsen der Eismasse zu erwarten gewesen sei. Setze sich der Trend wie in den vergangenen 50 Jahren gleichförmig in der Zukunft fort, sei das vollständige Verschwinden der Eisschilde bis spätestens 2070 zu erwarten - ein Zustand, der zuletzt wahrscheinlich im mittleren Holozän vor 5.000 bis 8.000 Jahren dagewesen war.[36] Die Penny- und Barneseiskappen sind allein zwischen 1995 und 2000 in niederen Lagen (unter 1.600 m) jährlich um über 1 m dünner geworden. Insgesamt haben die Eiskappen der kanadischen Arktis zwischen 1995 und 2000 jährlich 25 km³ Eis verloren.[37] Zwischen 1960 und 1999 hat die Devoneiskappe 67 ± 12 km³ Eis verloren. Die Hauptgletscher, die vom Rand der östlichen Devoneiskappe ausgehen, haben sich seit 1960 um 1–3 km zurückgezogen.[38] Die Simmoneiskappe auf dem Hazen-Hochland der Ellesmere-Insel hat seit 1959 47 % ihrer Fläche eingebüßt.[39] Halten die gegenwärtigen Bedingungen an, so wird das verbleibende Gletschereis auf dem Hazen-Hochland um 2050 verschwunden sein.
Nördlich von Norwegen liegt die Insel Spitzbergen, die von vielen Gletschern bedeckt ist. Der Hansbreen-Gletscher auf Spitzbergen z. B. zog sich zwischen 1936 und 1982 um 1,4 km zurück. Weitere 400 m Länge verlor er zwischen 1982 und 1998.[40] Auch der Blomstrandbreen hat sich verkürzt: In den vergangenen 80 Jahren hat die Länge des Gletschers um etwa 2 km abgenommen. Seit 1960 zog er sich durchschnittlich mit 35 m pro Jahr zurück, wobei sich die Geschwindigkeit seit 1995 erhöht hat.[41] Der Midre Lovenbreen-Gletscher hat zwischen 1997 und 1995 200 m Länge verloren.[42]
Schrumpfendes arktisches Meereis
Die Entwicklung des Meereseises zu beobachten ist keine leichte Aufgabe, denn es schwankt stark in seiner Dicke und Dichte. Seine Flächenausdehnung lässt sich vergleichsweise einfach von Satelliten aus erfassen.
Zu Beginn der Satellitenbeobachtung 1979 und in den Folgejahren betrug die durchschnittliche Ausdehnung der Eisfläche noch ungefähr 7,5 Mio. km2. Zwischen 1979, dem Beginn der modernen Satellitenbeobachtung und 2005 nahm die beobachtete Eisfläche um 1,5 bis 2,0 % pro Dekade ab. Der Eisflächenrückgang ist generell im September am stärksten, es ist traditionell der Monat mit der geringsten Ausdehnung; der Eisrückgang beträgt in diesem Monat 8,6 ± 2,9 % pro Jahrzehnt.[45] Wird der untersuchte Zeitraum um nicht mit Satelliten beobachtete Jahre bis 1953 nach hinten erweitert, beträgt die Abnahme noch 7,7 ± 0,6 % pro Dekade.[46]
Der Flächenverlust beschleunigte sich in den Wintern 2005 und 2006 erheblich. In diesen beiden Jahren fiel die maximale Ausdehnung des Meereises um jeweils 6 % – eine Steigerung um den Faktor 30 bis 40 im Vergleich zur in den Jahrzehnten zuvor ermittelten Schmelzrate.[47]
Am 16. September 2007 wurde mit 4,13 Millionen km2 der Tiefstwert des Rekordjahres 2005 von 5,32 Mio. km2 deutlich unterschritten.[48] Der Wert für den September 2007 lag bei 4,28 Mio. km2, etwa 23 % weniger als noch 2005 und 39% weniger als der Durchschnittswert der Jahre 1979–2000.[49]
Größere Unsicherheiten bestehen in der Erfassung der Dicke des Eispanzers, die jedoch für die Beurteilung der Situation unerlässlich ist. Hier schwanken die Angaben zwischen 40 % und 8 bis 15 % Abnahme.[22] In einer Pressemitteilung von September 2007 anlässlich der ersten Ergebnisse einer Arktisexpedition mit dem Forschungsschiff Polarstern schreibt das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI): „Große Flächen des arktischen Meereises sind in diesem Jahr nur einen Meter dick und damit etwa 50 Prozent dünner als im Jahr 2001.“[50]
Zhang und Rothrock von der University of Washington verwendeten ein komplexes numerisches Modell, das mit realen Daten für Strömungen, Temperaturen, Bewölkung gefüttert und mit Messungen der Eisdicke durch U-Boote und durch den Satelliten ICESat getestet wurde, um die "weißen Flecken auf der Landkarte" aufzufüllen. Ihr Ergebnis zeigt, dass bei Betrachtung des Eisvolumens die Lage wesentlich alarmierender ist als bei Betrachtung der Eisfläche allein. Die Grafik rechts spricht für sich selbst. [44]
In Folge der Eisabschmelzung meldete die Europäische Weltraumorganisation ESA am 14. September 2007, dass erstmals seit Beginn der Satellitenbeobachtungen die Nordwestpassage eisfrei war.[51] 2008 waren dann zum ersten Mal sowohl die Nordwest- als auch die Nordostpassage prinzipiell beschiffbar.[52] Die im Sommer 2008 gemessene Eisfläche war zwar geringfügig größer als im Jahr 2007, jedoch nahm die Eisdicke weiter ab.[53] Während in den Medien viel über die künftig mögliche Abkürzung des Seeweges zwischen Europa und Asien spekuliert wird, dürfte die winterliche Unpassierbarkeit der Passagen und die auch im Sommer reelle Gefahr, einen Eisberg zu rammen, dessen wirtschaftliche Nutzung für die nahe Zukunft marginal bleiben lassen.[54]
Das IPCC ging noch in seinem aktuellen Bericht aus dem Jahr 2007 davon aus, dass bis 2100 der Nordpol im Sommer eisfrei sein könnte. Keines der dort gezeigten Klimamodelle wies jedoch für die nächsten Jahre einen Meereisverlust aus, wie er bereits im Erscheinungsjahr des Klimaberichts beobachtet werden konnte.[55][56] Ein Team um die Forscherin Marika Holland hat in einer Modellstudie 2006 ermittelt, dass die Arktis bereits im Sommer 2040 erstmals gänzlich frei von Meereis sein könnte.[57] Gemeinsam mit ihrer Kollegin Julienne Stroeve schließt Holland nach einer 2007 erschienenen Studie sogar 2020 als erstes Jahr dafür nicht aus.[58] Das europäische DAMOCLES-Projekt (Developing Arctic modelling and observing capabilities for long-term environmental studies) kommt zum selben Ergebnis.[59][60]
Von einem internationalen Forscherteam wurden im Jahr 2008 die Zirkulationsmuster der Atmosphäre im hohen Norden untersucht; diese haben sich zu Beginn dieses Jahrzehnts drastisch umgestellt - mit einer systematischen Verlagerung von Luftdruckzentren nach Nordosten im Winterhalbjahr. Dadurch ergibt sich ein ausgeprägter atmosphärischer und ozeanischer Hitzetransport polwärts. Es sei dies die treibende Kraft hinter den aktuellen Klimaveränderungen in der Arktis.[55]
Selbstverstärkende Schmelze durch Eis-Albedo-Rückkopplung
Die Eis-Albedo-Rückkopplung bezieht sich auf die Schnee- und Eisflächen, die einen großen Teil der Arktis bedecken. Sie reflektieren bis zu 90 % der eingestrahlten Sonnenenergie ins Weltall. Das Abschmelzen der Schnee- und Eisfächen bringt die darunter liegenden Land- und Wasseroberflächen zum Vorschein, die mit ihrer dunkleren Farbe einen großen Teil der Sonnenenergie absorbieren. Die Oberfläche wird hierdurch weiter erwärmt.In der Folge bilden sich Schnee und Eis im Herbst später, im Frühling schmelzen sie früher, und im Sommer schwindet das Meereis schneller.
Diese Rückkopplung kann bereits beobachtet werden. Sie ist deutlich bei den zurückgehenden Gletschern, der abnehmenden arktischen Schneedecke und des schrumpfenden Meereises erkennbar. Dabei beschränkt sich die Wirkung nicht bloß auf die direkte Umgebung der verringerten Albedo. In einer Simulation zeigte sich eine dreieinhalbfach erhöhte Erwärmung der westlichen arktischen Landgebiete in Jahren mit rapide zurückgehendem Meereis. Die höheren Temperaturen ziehen sich bis zu 1500 km in das Landesinnere hinein.[62] Neben den Treibhausgasen, die für die globale Erwärmung verantwortlich sind, stellt lokal Ruß das Hauptproblem dar. Er wird von den Winden befördert, schlägt sich in der Arktis nieder und verdunkelt die Oberfläche des strahlend weißen Schnees und Eises.[3] [4]
Politische Konflikte
Der politische Status der Arktis ist bis heute nicht abschließend geklärt. Durch den Rückgang des arktischen Meereises und den dadurch frei werdenden Zugang zu Rohstoffen unterhalb des Meeresbodens haben die damit verbundenen Konflikte zwischen den Anrainerstaaten neue Aktualität erfahren. Zum Bearbeiten politischer Fragen rund um die Arktis wurde 1996 der Arktische Rat gegründet, doch weder darin noch in den relevanten UN-Gremien konnte bisher eine Einigung erzielt werden.
Der (geografische) Nordpol und das ihn bis zu einer Entfernung von mindestens 300 km umgebende Gebiet sind so weit vom Festland der Anrainerstaaten entfernt, dass sie nach derzeitigem Recht nicht im Besitz eines Staates sind. Allerdings hat jeder Staat die Möglichkeit, innerhalb von zehn Jahren nach Ratifizierung des Seerechtsübereinkommens unter bestimmten Bedingungen eine Ausweitung seiner Kontrolle auf den Kontinentalschelf und somit auf mehr als 200 sm Entfernung vom Festland zu beantragen.[63] Aufgrund dieser Regelung beantragten bisher Norwegen (SRÜ ratifiziert 1996), Russland (1997), Kanada (2003) und Dänemark (2004)[64] eine solche Ausweitung ihres Gebietes.
Am 20. Dezember 2001 beantragte Russland offiziell bei der UN-Kommission zur Begrenzung des Festlandsockels (CLCS) in Übereinstimmung mit dem Seerechtsübereinkommen (Art. 76 Satz 8)[63] die Festlegung neuer Außengrenzen für den russischen Kontinentalschelf jenseits der 200 Seemeilen weiten ausschließlichen Wirtschaftszone, allerdings innerhalb des russischen arktischen Sektors. Das hierdurch von Russland beanspruchte Gebiet mit einer Fläche von etwa 1,2 Millionen Quadratkilometern stellt einen großen Teil der Arktis inklusive des Nordpols dar.[65][66] Der Antrag wurde unter anderem damit begründet, dass sowohl der Lomonossow- als auch der Mendelejew-Rücken unterseeische Fortsetzungen der eurasischen Landmasse seien. Der Antrag wurde bisher von den Vereinten Nationen weder angenommen noch zurückgewiesen. Um den russischen Anspruch zu bekräftigen, tauchten Anfang August 2007 zwei russische U-Boote vom Typ Mir in eine Tiefe von 4261 Metern unter dem Meeresspiegel und setzten am geografischen Nordpol eine russische Flagge in den Meeresboden. Während die diplomatischen Auswirkungen dieser Aktion gering waren, sorgten sie für ein beträchtliches Medieninteresse an der Frage, wem eigentlich die Arktis gehört.
Eine Sondersituation stellt der Teil des Nordpolarmeeres um die kanadische Küste und den kanadisch-arktischen Archipel dar. Obwohl diese Gewässer laut internationalem Seerecht zum Teil tatsächlich kanadisch sind, erkennen die USA, die Europäische Union und einige andere Staaten die kanadische Hoheit nicht an, sondern benutzen sie wie internationale Gewässer. So wurden bereits mehrfach US-amerikanische U-Boote nahe an den kanadischen Inseln vorbei ohne vorherige Anfrage auf Erlaubnis bei der Regierung durch kanadisches Hoheitsgebiet geführt. Zwar sind die betroffenen Gewässer, zu denen auch die Nordwestpassage zählt, aufgrund der weitgehenden Vereisung über neun Monate des Jahres momentan noch nicht sehr attraktiv für die zivile und militärische Schifffahrt, doch bei anhaltender Eisschmelze wird die Nordwestpassage für viele Schiffe eine deutliche Abkürzung – bis zu 7000 Seemeilen – gegenüber der Fahrt über den gebührenpflichtigen mittelamerikanischen Panamakanal darstellen.
Das zu Dänemark gehörende autonome Gebiet Grönland kommt geografisch dem Nordpol mit seiner Küstenlinie am nächsten. Dänemark behauptet, dass der von Russland beanspruchte Lomonossow-Rücken in Wahrheit eine Fortsetzung der Insel Grönland sei. Die dänischen Forschungen hierzu begannen mit der Expedition LORITA-1 im Frühjahr 2006.[67] Sie werden im Rahmen des Internationalen Polaren Jahres ab August 2007 mit dem Unternehmen LOMROG fortgesetzt. Am 12. August 2007 begaben sich 40 Wissenschaftler, darunter zehn aus Dänemark, an Bord des schwedischen Eisbrechers Oden, der von Tromsø aus in Richtung Nordpol auslief. Während die dänischen Messungen die Kopenhagener Auffassung belegen sollen, dass der Kontinentalsockel am Pol mit der Insel Grönland verbunden ist, untersuchen die schwedischen Teilnehmer an der Expedition die Klimageschichte der Arktis.
Norwegen hielt sich zunächst weitestgehend aus Diskussionen über den Status des Gebiets um den Nordpol herum heraus. Es konzentrierte sich vielmehr auf seine Auseinandersetzung mit Russland über einen Teil der Barentssee und den Status von Spitzbergen. Am 27. November 2006 reichte Norwegen jedoch ebenfalls einen Antrag bei der CLCS ein, in dem vorgeschlagen wird, die norwegische 200-Meilen-Zone in drei Gegenden des Nordost-Atlantiks sowie des Nordpolarmeeres zu erweitern: dem Loophole in der Barentssee, dem westlichen Nansen-Becken sowie dem Bananahole im europäischen Nordmeer. Es wird angemerkt, dass ein weiterer Antrag betreffend der Ausweitung des Kontinentalschelfs in anderen Gegenden nachgereicht werden könne.[68]
Für die US-Regierung spielen mögliche Gebietsgewinne durch den Anrainerstatus des nördlichsten Bundesstaats Alaska eine untergeordnete Rolle, weil ihr durch die vergleichsweise kurze Küstenlinie bei sämtlichen Verfahren nur eine geringe Fläche zufallen würde. Der Blickpunkt der US-amerikanischen Arktispolitik ist vielmehr auf die Nordost- und die Nordwestpassage gerichtet. Diese Gewässer sollten nach Ansicht der Regierungen unter Bill Clinton und George W. Bush soweit wie möglich internationalisiert werden, um eine möglichst ungehinderte Schifffahrt und weitere wirtschaftliche Nutzung auf ihnen zu eröffnen. Damit stießen sie auf Widerstand bei Kanada, Russland und dem amerikanischen Senat, der eine Ratifizierung des SRÜ ablehnte.
Folgen für Ökosysteme
Sollte das arktische Meereis tatsächlich längerfristig und vollständig saisonal verschwinden, ist das Verschwinden der Eisbären zumindest in einigen Regionen nach Ansicht des Arctic Climate Impact Assessment möglich. Zu einer ähnlichen Schlussfolgerung gelangen auch Ian Stirling vom Canadian Wildlife Service und Claire L. Parkinson vom Goddard Space Flight Center der NASA in einer 2006 erschienenen Studie, die von zunehmenden problematischen Konfrontationen zwischen Bären und Menschen in Folge des sich verkleinernden Lebensraumes und des verknappten Nahrungsangebotes der Eisbären ausgeht.[69] Das US Geological Survey geht trotz des noch unsicheren Zusammenhangs von Eisfläche und Populationsgröße von einem Rückgang der Eisbärenpopulation um zwei Drittel bis 2050 aus, sollte das Meereis wie in den Modellen angenommen zurückgehen. Weil der beobachtete Eisverlust bislang schneller geschieht als die Modelle annehmen ließen, könnte dies noch eine Unterschätzung darstellen.[70] [71] Eisbären hätten als einzige Möglichkeit, während der Sommermonate die Lebensweise der auf dem Festland lebenden Braunbären nachzuahmen.[72]
Für andere Säugetiere hätte ein solch gravierender Einschnitt in das arktische Ökosystem gleichfalls schwerwiegende Folgen. Hierzu zählen vor allem Meeressäuger, die für die anliegenden menschlichen Gemeinschaften sehr wichtig sind. Bei einer Untersuchung von sieben arktischen und vier subarktischen Säugetieren wurden Mützenrobben, Eisbären und Narwale als die vom Klimawandel am stärksten betroffenen Tiere ausgemacht. Vor allem aufgrund ihres großen Lebensraumes sind Ringelrobben und Bartrobben vermutlich am wenigsten betroffen.[73] Vorteile hätte ein solcher Wandel möglicherweise für einige Walarten, die von zunehmenden offenen Wasserflächen profitieren.
Abnehmende Schneebedeckung
In den letzten 30 Jahren hat die schneebedeckte Fläche der arktischen Landgebiete um etwa 10 % abgenommen. Nach Modellrechnungen wird die Schneebedeckung bis zu den 2070er Jahren um zusätzlich 10–20 % abnehmen. Der größte Rückgang wird dabei in den Monaten April und Mai erwartet, wodurch sich die Schneesaison verkürzt. Die Wassereinträge von Flüssen in das Nordpolarmeer und in die Küstenmeere dürften früher als heute einsetzen. Angenommen wird zudem, dass die Gefrier- und Schmelzzyklen im Winter zunehmen und zur verstärkten Bildung von Eis- anstelle von Schneeschichten führen. Landtieren wird dadurch das Erreichen von Futter- und Aufzuchtplätzen erschwert.
Schwindender Permafrost
Der Permafrostboden wurde in den vergangenen Jahrzehnten deutlich wärmer. In Alaska wurden Temperaturanstiege an der Oberfläche um 5 bis 7 °C seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts gemessen, wobei die Erwärmung bis Mitte der 1980er Jahre bei 2 bis 4 °C lag und seitdem weitere 3 °C hinzugekommen sind. Neben der Oberfläche erwärmt sich auch die obere Bodenschicht. Im Nordwesten Kanadas wurde eine durchschnittliche Erwärmung der obersten 20 m des dortigen dauergefrorenen Bodens um 2 °C während der vergangenen 20 Jahre ermittelt. Geringere Erwärmungen wurden auch in Sibirien und Norwegen festgestellt. Von zwölf im Arctic Climate Impact Assessment untersuchten Regionen weist nur eine einzige eine leichte Abkühlung zwischen den späten 1980er bis zur Mitte der 1990er Jahre auf, während sich die elf anderen zum Teil deutlich erwärmten. Im Laufe des 21. Jahrhunderts wird erwartet, dass sich der südliche Rand des ständig gefrorenen Gebietes mehrere hundert Kilometer weit nach Norden verschieben wird. Bis 2080 könnte nach Berechnungen mit verschiedenen Klimamodellen die ständig gefrorene Bodenfläche auf 47 bis 74 % des heutigen Areals geschrumpft sein.[74]
Einige Folgen tauenden Permafrosts sind Küstenerosion, auslaufende oder versickernde Teiche und Seen, neu entstehende Feuchtgebiete und großflächige Entstehung von Thermokarst. Dazu sind geschädigte Wälder durch so genannte „betrunkene Bäume“ zu erwarten, wenn vorher fest im gefrorenen Boden verankerte Bäume im tauenden Matsch an Halt verlieren und in Schieflage geraten. Für Infrastruktur, etwa Straßen oder Pipelines, die auf Permafrost gebaut sind, muss mit erheblichen Schäden gerechnet werden, besonders wenn nicht kontinuierlich Ausbesserungsmaßnahmen vorgenommen werden. Zum Teil treten diese Schäden bereits heute auf, sie erzwingen hohe Ausgaben in den betroffenen Regionen.
Es wird geschätzt, dass arktischer Permafrostboden ca. 30% allen weltweit in Böden lagernden Kohlenstoffs enthält. Im Zusammenhang mit der im Jahr 2007 aufgetretenen dramatischen Meereisschmelze wurde die resultierende Erwärmung arktischer Landflächen in Zeiten starken Meereisverlustes untersucht. Klimamodelle zeigten während dieser Zeit eine Erwärmung von Landflächen, die 3.5 mal schneller als die durchschnittliche, für das 21. Jahrhundert modellierte Erwärmung abläuft. Das betroffene Gebiet erstreckte sich 1500km ins Landesinnere.[75]
Steigende Methan-Emissionen durch tauenden Permafrost
Im Permafrost sind große Mengen an Kohlenstoff in den riesigen Torfmooren Sibiriens und Teilen Nordamerikas gebunden. Die borealen Wälder und die arktische Tundra besitzen einige der größten Landvorräte an Kohlenstoff weltweit. Diese kommen in Form von Pflanzenmaterial in den Wäldern und als Bodenkohlenstoff in der Tundra vor. Der oben beschriebene Rückgang des arktischen Permafrosts führt zur Freisetzung großer Mengen des Treibhausgases Methan, was die globale Erwärmung wiederum verstärkt.[76][77]
Austrocknende arktische Teiche
Vermutlich in Folge der Erderwärmung sind einige so genannte arktische Teiche im kanadischen Cape Herschel (auf der Ellesmere-Insel gelegen) zum Sommer 2006 erstmals vollkommen ausgetrocknet. Die seit 1983 von den Wissenschaftlern John P. Smol und Marianne S.V. Douglas beobachteten Teiche hatten nach paläolimnologischen Analysen wenigstens mehrere Jahrtausende ununterbrochen Wasser geführt.[78] Arktische Teiche sind kleine und relativ flache, besonders artenreiche Biotope. Außerdem sind sie eine der wichtigsten Quellen für Oberflächenwasser sowie Lebensraum zahlreicher Vögel und Insekten. Ihr Verschwinden wird auf das gestiegene Verhältnis von Verdunstung zu Niederschlägen zurückgeführt, ein Phänomen das nach Angaben der Autoren „möglicherweise mit der Klimaerwärmung zusammenhängt“.[79] In der Vergangenheit sind bereits öfter subarktische Teiche verschwunden, was mit dem zurückgehenden Permafrost erklärt werden konnte. Die arktischen Teiche seien jedoch eindeutig verdunstet, wie die gestiegene Salzkonzentration in noch nicht ganz verschwundenen Teichen mit stark reduzierter Wassermenge zeigt.
Soziale Folgen
In der Arktis leben schätzungsweise 3,8 Millionen Menschen, wovon etwa 10 % indigene Einwohner sind. In den Worten des Arctic Climate Impact Assessment sind sie in Folge des Klimawandels „mit großen wirtschaftlichen und kulturellen Folgen konfrontiert“, und müssen mit Gefahren oder Einschränkungen ihrer Nahrungssicherheit, ihrer Gesundheit und ihrer bisherigen Lebensweise rechnen.[6] Durch das zurückgehende Meereis können sich beispielsweise Inuit-Jäger nicht mehr auf traditionelles Wissen und Jagdrouten verlassen. Angeblich häuft sich die Zahl der Vorfälle, bei denen Menschen durch zu dünn gewordenes Meereis brechen und ertrinken.
Da der Zugang zu Nahrungsmitteln in jedem Fall von sicheren Reisewegen abhängt, bedrohen schwindendes Meereis oder auftauender Permafrost die Existenz mancher menschlicher Siedlungen in der Arktis. Beides beeinflusst auch die Wanderrouten von Rentieren und damit die Lebensweise der von ihnen abhängigen Menschen. Die klassischerweise von den Inuit gejagten Tiere sind ebenfalls von den bislang vorherrschenden Bedingungen in der Arktis abhängig. Hierzu gehören besonders Robben und Walrosse.
Erste Dörfer in der Arktis mussten aufgrund von Küstenerosion durch tauenden Permafrostboden aufgegeben und mehrere Kilometer entfernt im Inland neu aufgebaut werden. Für die Zukunft wird verstärkte Küstenerosion durch zurückgehendes Meereis, steigende Meeresspiegel und weiterhin tauenden Boden erwartet. War der Umzug ganzer Dörfer bislang auf Einzelfälle beschränkt, rechnet das Arctic Climate Impact Assessment mit einer zunehmenden Zahl davon in der Zukunft.[6]
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