Artikel 20 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland

Artikel 20 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland

Der Artikel 20 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland normiert die rechtliche Grundordnung Deutschlands. Inhalt sind Verfassungsgrundsätze und das Widerstandsrecht. Dieser Artikel darf in seinem ursprünglichen Bestand (Absätze 1 bis 3) und Sinngehalt nicht verändert werden.[1] Absatz 4 wurde durch die Notstandsgesetze eingeführt; für ihn gilt die Unabänderlichkeit nach heute allgemeiner Meinung in der Staatsrechtslehre nicht.[2]

Inhaltsverzeichnis

Wortlaut des Artikels 20 GG

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Erläuterung zu den einzelnen Absätzen

Absatz 1

Absatz 1 enthält Staatszielbestimmungen der Bundesrepublik Deutschland. Dies sind die Demokratie, das Sozialstaatsprinzip, die Bundesstaatlichkeit und das republikanische Prinzip.

Absatz 2

Das Volk wird als Souverän verstanden, das durch „besondere Organe der Gesetzgebung“ (Legislative), also Bundestag und Bundesrat, „der vollziehenden Gewalt“ (Exekutive), Regierungen und Verwaltung, und „der Rechtsprechung“ (Judikative), also alle Gerichte, vertreten wird. Diese Organe üben repräsentativ für das Volk die Staatsgewalt aus. Das Volk hat auf jeden Fall das Recht, die drei Gewalten durch Wahlen und Abstimmungen zu leiten. Damit folgt die deutsche Bundesverfassung weitgehend dem Prinzip der mittelbaren Demokratie, ist allerdings offen für Volksabstimmungen. Daher sind die in Bezug auf direkte Demokratie oft weiter gehenden Landesverfassungen grundgesetzkonform. Auf Bundesebene sind Abstimmungen nach herrschender Meinung jedoch nur zulässig, soweit sie im Grundgesetz ausdrücklich vorgesehen sind, also ohne eine Verfassungsänderung nur für Neugliederungen des Bundesgebiets.[3][4][5]

Staatsgewalt

Im Absatz 2 wird das Volk als konstitutiver Begründer der Staatsgewalt definiert. Durch die Formulierung „Alle“ wird festgehalten, dass es keine Gewalt mehr geben darf, die nicht vom Volk begründet ist.

Absatz 3

Dieser Absatz enthält – neben einer Bekräftigung des Gewaltenteilungsprinzips durch die gesonderte Nennung der drei Teilgewalten – die Grundsätze des Vorrangs der Verfassung und des Vorrangs des Gesetzes: Der Gesetzgeber muss sich an die Verfassung, Verwaltung und Gerichte müssen sich außerdem an Gesetze, Rechtsverordnungen, autonome Satzungen und Gewohnheitsrecht halten. Vielfach wird auch der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes hier verortet, dies ist jedoch umstritten.

Art. 20 Abs. 3 GG bildet somit die wichtigste normative Grundlage für das Rechtsstaatsprinzip, auch wenn es hier nicht ausdrücklich erwähnt wird.

Absatz 4

Das Widerstandsrecht ist mit der Einführung der Notstandsgesetzgebung in das Grundgesetz 1968 eingefügt worden. Der Widerstand gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu zerstören, ist somit rechtlich abgesichert.

Strittig ist, wann dieses Recht greift. Nach einer Meinung greift es bereits, noch bevor die Ordnung gefährdet worden ist; schon die Vorbereitungen zu einem solchen Umsturz dürfen bekämpft werden. Nach anderer Meinung greift dieses Recht aber nur, wenn die Verfassungsordnung bereits ausgehebelt wurde - somit bleibt selbst bei offensichtlichen Verstößen der Staatsorgane gegen die Verfassung nur der Weg über Wahlen, Abstimmungen und den Rechtsweg, solange dieser Weg noch besteht (so etwa BeckOK/Huster/Rux, Art. 20 Rn. 192).

Deutsche (nach Art. 116 GG), also Ausländer eindeutig ausgenommen, dürfen dieses Recht aber nur als Ultima ratio nutzen; vorher müssen alle anderen Mittel ausgeschöpft sein. Nach Meinung einiger Staatsrechtler haben die Widerständler auch das Recht, Anschläge und Morde (z. B. Tyrannenmord) zu begehen, um die grundgesetzliche Ordnung wiederherzustellen.

Im Hinblick auf das Ziel, die verfassungsmäßige Ordnung zu schützen, müssen die Aktionen aber verhältnismäßig, also neben dem Verfolgen eines legitimen Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen sein.

Auswirkungen auf die Grundrechte

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes hat jeder Bürger die Möglichkeit, sich mittels einer Verfassungsbeschwerde gegen eine Missachtung der Verfassungsgrundsätze zu wehren. Rechtlich begründet wird dies damit, dass das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes[6] nicht durch einen Staatsakt eingeschränkt werden darf, der nicht mit den in Art. 20 GG niedergelegten Verfassungsgrundsätzen in Einklang steht.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Art. 79 Abs. 3 GG, Ewigkeitsklausel
  2. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rz. 761.
  3. Josef Isensee: Demokratie ohne Volksabstimmung. In: Christian Hillgruber, Christian Waldhoff (Hrsg.): 60 Jahre Bonner Grundgesetz- eine geglückte Verfassung? Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche
  4. Peter Unruh: Der Verfassungsbegriff des Grundgesetzes, S. 455. Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche
  5. Heinrich Wilms: Staatsrecht I, S. 45. Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche
  6. Art. 2 GG
Rechtshinweis Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten!

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Artikel 61 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland — Die Präsidentenanklage gemäß Artikel 61 des deutschen Grundgesetzes ist ein Verfahren zur Amtsenthebung des Bundespräsidenten. Rechtsgrundlagen Artikel 61 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (1) Der Bundestag oder der Bundesrat… …   Deutsch Wikipedia

  • Artikel 140 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland — ist die wichtigste staatskirchenrechtliche Bestimmung des deutschen Grundgesetzes. Wortlaut Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes. Die in Bezug… …   Deutsch Wikipedia

  • Artikel 115b des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland — regelt für den Verteidigungsfall die Vereinigung der Funktion des Regierungschefs mit derjenigen des Inhabers der Befehls und Kommandogewalt. Wortlaut Mit der Verkündung des Verteidigungsfalles geht die Befehls und Kommandogewalt über die… …   Deutsch Wikipedia

  • Artikel 19 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland — enthält verschiedene allgemeine Regelungen für die verschiedenen Grundrechte des deutschen Grundgesetzes. Wortlaut Artikel 19 (1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann,… …   Deutsch Wikipedia

  • Artikel 92 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland — bildet die Eingangsnorm im Grundgesetz Abschnitt Die Rechtsprechung. Wortlaut Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut; sie wird durch das Bundesverfassungsgericht, durch die in diesem Grundgesetze vorgesehenen Bundesgerichte und… …   Deutsch Wikipedia

  • Artikel 57 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland — regelt die stellvertretende Ausübung der Funktion des Staatsoberhauptes der Bundesrepublik Deutschland. Inhaltsverzeichnis 1 Wortlaut 2 Erläuterungen 3 Rechtsvergleich …   Deutsch Wikipedia

  • Artikel 58 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland — regelt die Gegenzeichnung der Akte des Bundespräsidenten durch Mitglieder der Bundesregierung. Wortlaut Anordnungen und Verfügungen des Bundespräsidenten bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler oder durch den… …   Deutsch Wikipedia

  • Artikel 30 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland — ist die grundsätzliche Norm für die Zuständigkeitsabgrenzung von Bund und Ländern. Wortlaut Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung… …   Deutsch Wikipedia

  • Artikel 31 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland — enthält eine Kollisionsnorm in der föderalen deutschen Rechtsordnung. Wortlaut Bundesrecht bricht Landesrecht. Erläuterungen Die Vorschrift normiert den Geltungsvorrang jedweden Bundesrechts (Grundgesetz, Bundesgesetzes, Bundes Verordnungen) vor… …   Deutsch Wikipedia

  • Artikel 103 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland — besteht aus drei Absätzen, in denen drei grundrechtsgleiche Justizgrundrechte geregelt sind. Wortlaut Artikel 103 (1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit… …   Deutsch Wikipedia

  • Artikel 23 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland — Der Artikel 23 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland in der Fassung von 1992 wird auch als Europa Artikel bezeichnet. Im Jahre 1992 wurde er neu eingefügt (BGBl. I 92, 2086) und ersetzte somit den vormaligen[1] Artikel 23, den… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”