Forschungstauchen

Forschungstauchen

Beim Forschungstauchen nehmen Taucher wissenschaftliche Aufgaben unter Wasser wahr.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Sämtliche wissenschaftlich motivierten Unterwasseraktivitäten von entsprechenden deutschen Einrichtungen dürfen nur von geprüften Forschungstauchern durchgeführt werden. Diese Vorgabe stammt aus der Regel der gesetzlichen Unfallversicherung (GUV-R 2112) „Einsatz von Forschungstauchern“, erschienen am 1. Januar 2006 (Nachfolge der ZH 1/540 „Richtlinien für den Einsatz von Forschungstauchern“). Die Regel wurde vom Fachausschuss Tiefbau (des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften) und der Prüfungskommission für Forschungstaucher unter der Mitwirkung der Kommission Forschungstauchen erarbeitet.

Die GUV-R 2112 gibt das Standardverfahren vor, nach dem Unternehmer wissenschaftliche Unterwasserarbeiten durchführen lassen müssen. Der Begriff Unternehmer ist im Originaltext der GUV-R 2112 folgendermaßen definiert: „Unternehmer sind Mitglieder der Unfallversicherungsträger. Als Unternehmer gelten auch Institutsleiter oder Leiter von Forschungseinrichtungen, die Forschungstaucher mit wissenschaftlichen Arbeiten unter Wasser beauftragen.“

Die Regel soll in erster Linie maximale Sicherheit schaffen und damit Unfälle vermeiden. Im Falle eines schwereren Unfalls wird sie aber von der ermittelnden Staatsanwaltschaft als Bewertungsgrundlage für die Klärung der Schuldfrage, bzw. in Zivilrechtsverfahren zur Klärung von Haftungsansprüchen benutzt. Ein Leiter einer wissenschaftlichen Einrichtung, der Taucheinsätze durchführen lässt, die nicht den Vorgaben der GUV-R 2112 entsprechen, läuft somit bei Unfällen Gefahr, in den nachfolgenden Rechtsverfahren (Strafrecht und Zivilrecht) erhebliche Nachteile und Einbußen (Haft- und/oder hohe Geldstrafen) zu erfahren!

Ein geregeltes Verfahren für Forschungstaucher entstand erst 1970, nachdem zwei Taucher im Jahre 1969 vor Helgoland tödlich verunglückten und andere schwere Tauchunfälle im wissenschaftlichen Umfeld vorkamen. Da die Tätigkeit weder der klassischen Berufstaucherei noch dem Sporttauchen zugeordnet werden konnte, wurde ein eigenes Tauchverfahren mit einem spezifischen Ausbildungsgang eingeführt. Der „Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften“ hat seinerzeit die „Richtlinien für den Einsatz von Forschungstauchern“ herausgegeben.

Aufgaben

Biologische Beobachtungen
Forschungstaucher mit Schreibtafel

Aufgaben eines Forschungstauchers umfassen die Anwendung wissenschaftlicher Arbeitsmethoden auf unterschiedlichsten Ebenen des Tauchens bzw. im weiteren Sinne die Nutzung des Tauchens zum Erreichen wissenschaftlicher Ziele. Beispielsweise die gezielte Probennahme, das Ausbringen wissenschaftlicher Geräte oder das Kartieren unter Wasser.

Die umfassten Gebiete sind u.a. Biologie, Geologie, Hydrogeologie, Geoökologie, Archäologie, Humanbiologie und Tauchmedizin, kurz gesagt die „Bio- und Geowissenschaften“, die Umweltwissenschaften und die Ingenieurstechnik. Der Einsatz in Rundfunk- und Fernsehanstalten sowie in Betriebswirtschaft und Marketing stellen weitere (Rand)gebiete dar. Die Ingenieurtechnik dient auch der Erfassung und Visualisierung der verschiedenen Parameter.

Dazu ist neben dem sicheren Tauchen und der Fähigkeit zur effektiven Ersten Hilfe auch eine genaue Kenntnis der Möglichkeiten und Besonderheiten bei der Unterwasserforschung notwendig, die möglichst von den Bearbeitern selbst bewertet werden können. Die taucherischen Grundlagen, die intensiven Sicherheitsübungen sowie das wissenschaftliche Handwerkszeug werden den Teilnehmern in berufsgenossenschaftlich anerkannten Ausbildungsbetrieben vermittelt.

Siehe auch: Unterwasserarchäologie

Unterschiede zu anderen Arten des Tauchens

Beim Forschungstauchen besteht der Hauptunterschied zum Sporttauchen darin, dass der Unternehmer schriftlich einen fachlich geeigneten, erfahrenen Taucheinsatzleiter bestellt, der wiederum eine geeignete Tauchgruppe zusammenstellt. Der Taucheinsatzleiter hat den Taucheinsatz akribisch zu planen, zu überwachen und zu dokumentieren sowie bei Störungen geeignete Maßnahmen zu veranlassen. Zentrales Element seiner Planung ist die Gefährdungsbeurteilung, die nach dem Arbeitsschutzgesetz eigentlich Unternehmerpflicht ist. Der Unternehmer kann aber seine Verantwortung an eine qualifizierte Person delegieren. In der Gefährdungsbeurteilung müssen alle potentiellen Gefahren für sämtliche Beteiligte genannt und geeignete Abwehrmaßnahmen entwickelt werden. Die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung müssen in Form einer Unterweisung allen Beteiligten mitgeteilt werden. Eine wesentliche Rolle dabei spielt die Rettungskette - beginnend von der Rettung des Verunfallten in eine sichere Umgebung - bis zu Erreichbarkeit der Tauchstelle durch Rettungskräfte (z.B. Melde- und Transportwege). Die GUV-R 2112 fordert: „Ein fachlich geeigneter Taucheinsatzleiter ist ein erfahrener Forschungstaucher, der mindestens 100 Tauchgänge mit einer Mindesttauchzeit von 60 Stunden unter Einsatzbedingungen nachweisen sollte und von einem Ausbildungsbetrieb für Forschungstaucher anerkannt worden ist“. Die Kommission Forschungstauchen zertifiziert diese Qualifikation.

Ein weiterer Unterschied zum Sporttauchen besteht darin, dass die Kontrolle des Tauchgangs weitgehend über eine Oberflächenmannschaft erfolgt; der Forschungstaucher arbeitet meist allein unter Wasser und kann sich somit voll auf seine Aufgabe konzentrieren. Der Taucheinsatzleiter legt Tiefe und Tauchzeit nach der Tabelle der GUV-R 2112 (entspricht der Tabelle der Berufstaucher) fest und stellt über eine Luftmengenberechnung sicher, dass der Taucher dabei nicht in Luftnot kommt. Ein Signalmann über Wasser hat mittels einer Signalleine und bei erschwerten Tauchbedingungen über eine zusätzliche Sprechverbindung Kontakt zu dem Forschungstaucher. Sind mehrere Taucher gleichzeitig unter Wasser (3 sind max. erlaubt), müssen sie untereinander mit Leinen (Hand- oder Buddyleine) verbunden sein. Für Einsätze, die eine höhere Mobilität erfordern (z.B. großflächige Kartierungen), kann ein sogenannter Blub verwendet werden. Dabei handelt es sich um einen zylindrischen, auffällig gefärbten Schwimmkörper, an dessen Ende die Signalleine des Tauchers befestigt ist. Beim Ziehen an der Leine richtet sich der Blub auf, so kann mit dem Signalmann kommuniziert werden. Die Absicherung übernimmt ein Sicherungstaucher, der sich nahezu vollständig ausgerüstet für Notfälle bereithält.

Zur Standardausrüstung zählen Trockentauchanzug und Vollgesichtsmaske.

Forschungstaucher dürfen keine gewerblichen Taucherarbeiten durchführen. Derartige Tätigkeiten werden durch Berufstaucher (Geprüfter Taucher) durchgeführt.

einige Eckpunkte der GUV-R 2112

Maximale Tauchtiefe: 50m

Minimale Tauchgruppengröße: 3 Personen - Taucheinsatzleiter/Signalmann, Einsatztaucher, Sicherungstaucher

Atemgas: Luft; es können aber auch Mischgase (vorwiegend Nitrox) verwendet werden, bzw. mit reinem Sauerstoff ausgetauscht werden. Dabei ist die berufsgenossenschaftliche Information für Arbeit und Gesundheit bei der Arbeit BG-Information „Tauchereinsätze mit Mischgas“ (BGI 897, vom Juni 2004) zu beachten.

Wenn innerhalb der Nullzeit getaucht wird, kann ein autonomes Leichttauchgerät (Drucklufttauchgerät) verwendet werden.

Sobald aber Haltezeiten (Dekostopps) nach der Austauchtabelle nötig werden, muss schlauchversorgt getaucht werden.

Die nächste Taucherdruckkammer muss in max. 3 Stunden erreicht werden können.

Bei jedem Taucheinsatz muss (unabhängig zur Tiefe und Dauer) zur Versorgung verunfallter Taucher eine Sauerstoffatemmöglichkeit vorhanden sein, die für mind. 3 Stunden das Atmen von reinem Sauerstoff ermöglicht.

Ausbildung

Die Ausbildung gliedert sich in eine Vor- und eine Endausbildung. In Deutschland gibt es zur Zeit 6 berufsgenossenschaftlich anerkannte Betriebe für Forschungstaucher, die eine komplette Ausbildung anbieten: Universität Rostock, Universität Kiel, Biologische Anstalt Helgoland (Alfred Wegner Institut Bremerhaven), Universität Oldenburg, Technische Universität München, Universität Konstanz. Die Universität Hamburg bietet nur die Vorausbildung an. Grundvoraussetzung zur Zulassung zur Forschungstauchausbildung ist der Nachweis der Notwendigkeit wissenschaftlicher Arbeit unter Wasser, beispielsweise im Bereich Ozeanographie oder Meeresbiologie, sowie eine nach berufsgenossenschaftlichen Maßstäben durchgeführte Tauchtauglichkeitsuntersuchung nach Grundsatz G31 (Taucherarbeiten).

Die Dauer der Ausbildung ist mit mind. 240 Stunden kürzer als die zum Geprüften Taucher, beinhaltet aber ähnliche Inhalte. Jedoch hat die Vermittlung praktischer Fähigkeiten naturgemäß einen anderen Schwerpunkt und geht neben dem intensiven Sicherheitstraining eher in die Richtung der Suche, Vermessung und Bergung. Auch die Anwendung unterschiedlicher Probenahmegeräte und Dokumentationstechniken wird in der Ausbildung vermittelt.

Deutschland wendet seit dem 1. Januar 2006 europäische Standards (gemäß den Beschlüssen des Workshop of the European Scientific Diving Committee, 24/10/2000, Banyuls-sur-mer, France) an.

Die deutsche Ausbildung zum Forschungstaucher erfüllt die Anforderungen des European Scientific Diver (ESD). Dazu gehören neben einer umfangreichen theoretischen Ausbildung: mind. 70 Freiwassertauchgänge, davon 20 mit wissenschaftlicher Aufgabe, 10 in Tiefen 15-24m, 5 in Tiefen >25m.

Die Qualifikation Advanced European Scientific Diver (AESD) beinhaltet darüber hinaus Erfahrungen in Planung und Leitung wissenschaftlicher Tauchgänge. Einige Forderungen an die Taucherfahrungen: mind. 100 Freiwassertauchgänge, davon 10 zwischen 20 und 29m, 10 >29m (bis zum jeweiligen nationalen Limit), 20 unter erschwerten Bedingungen sowie 20 nachgewiesene Taucheinsatzleitungen. Zertifiziert werden diese Qualifikationen durch die Kommission Forschungstauchen Deutschland.

Aufbauend auf der Ausbildung zum Forschungstaucher ist die Spezialisierung, beispielsweise zum Archäologischen Forschungstaucher möglich.

Siehe auch

Zentrum für Wissenschaftliches Tauchen AWI-CSD

Weblinks


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