Franz Mußner

Franz Mußner

Franz Mußner (* 31. Januar 1916 in Edlham/Oberbayern) ist ein deutscher Theologe und Neutestamentler. Er ist emeritierter Professor für biblische Theologie an der Universität Regensburg.

Mußner gilt als einer der Bahnbrecher der modernen Bibelwissenschaft und der jüdisch-christlichen Verständigung. Für das Werk „Traktat über die Juden“, das in sechs Weltsprachen übersetzt wurde und für seinen Einsatz um die Aussöhnung von Juden und Christen wurde er 1985 mit der Buber-Rosenzweig-Medaille geehrt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Von 1922 bis 1927 besucht Mußner die Volksschule im nahe gelegenen Feichten. Auf dem Gymnasium ist er für ein Jahr bei den Benediktinern von Niederalteich (St.-Gotthard-Gymnasium) und dann bis zum Abitur (1936) am damaligen Humanistischen Gymnasium Passau (heutige Bezeichnung: Gymnasium Leopoldinum). Nach einem halben Jahr Arbeitsdienst folgt das Studium der Philosophie und Theologie in Passau, Eichstätt und Würzburg, bis der Zweite Weltkrieg das Studium unterbricht. Mußner ist von Herbst 1939 an Soldat an der Ostfront. Ab dem Herbst 1944 werden Theologiestudierende als wehrunwürdig aus dem Militärdienst entlassen. Am 2. April 1945 (Ostermontag) wird Franz Mußner in Passau zum Priester geweiht. In seinem Heimatbistum wirkt er in zwei Pfarreien (Neuötting; Tittling) als Kaplan. Zum Sommersemester 1947 wird er von seinem Heimatbischof DDr. Simon Konrad Landersdorfer OSB zum Weiterstudium beurlaubt. Franz Mußner studiert in München Exegese des Neuen Testaments, zunächst bei Friedrich Wilhelm Maier und dann bei dessen Nachfolger, Josef Schmid. Er schließt das Lizenziat in Bibelwissenschaften in Rom am Päpstlichen Bibelinstitut ab und zählt dort auch den späteren Kardinal Augustin Bea zu seinen Lehrern. Im Sommersemester 1950 wird er durch die Theologische Fakultät der Universität München zum Doktor der Theologie promoviert. Der Titel der Dissertation lautet: ZΩH. Die Anschauung vom „Leben“ im vierten Evangelium unter Berücksichtigung der Johannesbriefe (Münchener Theologische Studien 1/5; München 1952).

Mit der Habilitation im Sommersemester 1952 wird Mußner Privatdozent an der Theologischen Fakultät der Universität München. Die Habilitationsschrift hat das Thema „Christus, das All und die Kirche. Studien zur Theologie des Epheserbriefes“ (Trierer Theologische Studien 5; Trier 1955, zweite Auflage 1968). Er setzt sich darin vor allem kritisch mit dem Entmythologisierungsprogramm Rudolf Bultmanns auseinander. Für das Wintersemester 1952/53 erhält Franz Mußner einen Ruf auf den Lehrstuhl für Neues Testament an die Theologische Fakultät Trier. Er gestaltet die Diskussion über das Verhältnis des „historischen Jesus“ zum „Christus des Glaubens“ maßgeblich mit. Mußner ist lange Jahre Theologieprofessor in Trier und prägt mehrere Jahrgänge von Theologiestudierenden in der Zeit vor und während des Zweiten Vatikanischen Konzils. Es beschäftigt ihn auch intensiv die Frage nach der Hermeneutik, nach der verstehenden Aneignung eines Textes, speziell des biblischen Textes. Daran anschließend befasst er sich mit der modernen Sprach- und Literaturwissenschaft und dem Strukturalismus. Noch in der Trierer Zeit entsteht Mußners Kommentar zum Jakobusbrief (Herders theologischer Kommentar zum Neuen Testament XIII/1; Freiburg i.Br. 1964, zweite Auflage 1967, dritte Auflage 1975, vierte Auflage 1981; Übersetzung ins Italienische; Nachdruck Leipzig 1976).

Im Sommersemester 1965 nimmt Franz Mußner einen Ruf an die Philosophisch-Theologische Hochschule in Regensburg an und im Sommersemester 1967 an die Katholisch-Theologische Fakultät der neu errichteten Universität Regensburg. Mußner wird somit zu einem Mitglied der Gründergeneration dieser Universität in einer nicht nur hochschulpolitisch turbulenten Zeit. Mußner arbeitet an seinem Kommentar zum Galaterbrief, der 1974 erscheint und 1988 seine fünfte Auflage erfährt (Herders theologischer Kommentar IX; Freiburg i.Br. 1974; Leipzig 1974).

Im Laufe seiner Studien kommt Franz Mußner zur „Entdeckung des Judentums“ als „Wurzel“. Im Blick auf die furchtbaren Verbrechen der Shoa mit der Ermordung von sechs Millionen Juden und auf die Einsichten der Katholischen Kirche, die im Dekret „Nostra Aetate“ (Nr. 4) des Zweiten Vatikanischen Konzils ein neues Verhältnis der Kirche zum Judentum eröffnete, beginnt bei Mußner ein Lernprozess, der vor allem in seinem wichtigen Werk „Traktat über die Juden“ (München 1979) wesentliche Ergebnisse hervorbrachte. Mit zwei weiteren Büchern zu diesem Thema (Die Kraft der Wurzel. Judentum – Jesus – Kirche, Freiburg i.Br. u.a. 1987, zweite Auflage 1989; Dieses Geschlecht wird nicht vergehen. Judentum und Kirche, Freiburg i.Br. u.a. 1991) spricht Mußner von einer „Trilogie“, die sein zentrales Anliegen umschreibt, das er in zahlreichen Artikeln untermauert hat: Das Judentum bildet die Wurzel des Christentums, es ist der edle Ölbaum, auf den die Heiden, die Christen werden, als wilde Schößlinge aufgepfropft wurden (Paulus im Römerbrief, Kapitel 9-11). Der Bund Gottes mit dem Volk der Juden ist von Gott nie gekündigt worden. Die einst an das Volk Israel ergangenen Verheißungen sind nicht ausgelöscht und den Juden nicht genommen; am Ende der Zeiten wird Gott das Heil auch an Israel, am Judentum wahr machen. Für Mußner ist damit zugleich die Herausstellung des Jude-Seins Jesu verbunden: Er ergänzt die Glaubensformel des Konzils von Chalcedon, die besagt, dass Jesus wahrer Gott und wahrer Mensch ist, dahingehend, dass Jesus wahrer Mensch und Jude (vere homo iudaeus) ist, z.B. in seinem Artikel „Was haben die Juden mit der christlichen ‚Ökumene‘ zu tun?“, in: Una Sancta 50 (1995) 331-339. Immer wieder optiert Mußner dafür, das Bekenntnis zu Christus gegen antijüdische Verfälschungen abzuschirmen, Gottes Sprechen zu Israel nicht zu entwerten und großen theologischen Respekt für die jüdische Überlieferung zu zeigen. Die Unterschiedenheit der beiden Wege, des jüdischen und des christlichen, gilt es nach Mußner zu tolerieren und positiv zu würdigen: Das Nein Israels zum Glauben an Jesus Christus ist noch einmal umfangen von der stets größeren Gnade Gottes und Gottes geheimnisvollen Ratschluss.

Mußners Einsatz für den Respekt vor und die Verständigung mit dem Judentum in Publikationen und persönlichem Auftreten führt dazu, dass er 1985 mit der Buber-Rosenzweig-Medaille geehrt wird. Diese Auszeichnung wird vom deutschen Koordinierungsrat der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit an Persönlichkeiten, Initiativen oder Einrichtungen vergeben, die sich um Verständigung und christlich-jüdische Zusammenarbeit verdient gemacht haben.

Nicht nur in der Universität, auch in der Kirche ist Mußner immer aktiv: Er wird Mitglied des wissenschaftlichen Rates der Katholischen Akademie in Bayern, Berater der Ökumene-Kommission der Deutschen Bischofskonferenz, Konsultor des Vatikanischen Einheitssekretariats, Präses der Marianischen Bürgerkongregation. Ab dem 1. Januar 1978 ist Franz Mußner Domkapitular seiner Heimatdiözese Passau. Bis 1987 ist er aktiver theologischer Berater des Bischofs.

Zu seinem 65. Geburtstag 1981 erhält Franz Mußner eine Festschrift unter dem Titel „Kontinuität und Einheit“ (hg. von Paul-Gerhard Müller und Werner Stenger).

Eine weitere Festschrift anlässlich des 90. Geburtstags wird Mußner von Michael Theobald und Rudolf Hoppe überreicht. Sie trägt den Titel „Für alle Zeiten zur Erinnerung“. Beiträge zu einer biblischen Gedächtniskultur (Stuttgart 2006). Auch Papst Benedikt XVI. würdigt Franz Mußner zu seinem 90. Geburtstag. In der Festschrift von 2006 dankt der Papst in seinem Grußwort für alles, was Mußner „in einem langen Leben als Priester und Gelehrter für Glaube und Kirche, für die Erkenntnis der Wahrheit getan“ habe. Mußner habe in weiten philosophischen Horizonten gedacht. Er habe ökumenische Leidenschaft entwickelt, vor allem aber immer nachdrücklicher das Problem der Beziehung zum Judentum in das Zentrum seines Ringens gerückt. Der „Traktat über die Juden“ – ein zentrales Werk Mußners – bleibe ein „Markstein dieses Mühens“. Mußner sei es als Priester immer darum gegangen, nicht nur gelehrte Erkenntnis zu gewinnen, sondern das lebendige Wort Gottes auszulegen und anderen zugänglich zu machen. Schwierige Themen des biblischen Glaubens habe Mußner katechetisch erschlossen. Der Papst spricht von der Freundschaft und kollegialen Weggemeinschaft mit dem früheren Neutestamentler an der Universität Regensburg und dankt „ganz besonders für die langen Jahre der Freundschaft, die Du mir geschenkt hast“. Sie hätten ihn menschlich wie wissenschaftlich bereichert. So beginnt das Grußwort auch mit den Worten „Lieber Freund Mußner!“. Auch der damalige Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, Kardinal Walter Kasper, hat dem 90-Jährigen zum Geburtstag in einem Schreiben persönlich gratuliert.

Auszeichnungen

  • 3. März 1985: Buber-Rosenzweig-Medaille
  • 7. Mai 1996: Ehrendoktor der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Passau
  • 22. Juni 2000: Ökumenischer Preis der Katholischen Akademie in Bayern aus der Stiftung Wilhelm und Antonie Gierlichs am für Franz Mußners ökumenische Aktivitäten

Publikationen

  • ZΩH. Die Anschauung vom „Leben“ im vierten Evangelium unter Berücksichtigung der Johannesbriefe = Münchener Theol. Stud. 1/5 (München 1952) (Dissertation).
  • Christus, das All und die Kirche. Studien zur Theologie des Epheserbriefes = Trierer Theol. Stud. 5 (Trier 1955, 2. Aufl. 1968) (Habilitationsschrift).
  • Was lehrt Jesus über das Ende der Welt? Eine Auslegung von Mk 13 (Freiburg 1958, 2. Aufl. 1964) (Übersetzung ins Englische und Japanische).
  • Die Botschaft der Gleichnisse Jesu = Schriften zur Katechetik, I (München 1961, 2. Aufl. 1964) (Übersetzung ins Englische, Spanische und Japanische).
  • Der Jakobusbrief = Herders theol. Kommentar zum NT, XIII/1 (Freiburg 1964, 2. Aufl. 1967, 3. Aufl. 1975, 4. Aufl. 1981) (Übersetzung ins Italienische) (Leipzig 1976).
  • Die Auferstehung Jesu (Freiburg 1969)
  • Der Galaterbrief = Herders theol. Kommentar IX (Freiburg 1974, 2. Aufl. 1974, 3. Aufl. 1977). (Leipzig 1974).
  • Traktat über die Juden (München 1979) (Übersetzungen ins Französische, Italienische, Englische und Spanische). Überarbeitete Neuauflage mit einem Vorwort von Michael Theobald, Göttingen 2009.
  • Dieses Geschlecht wird nicht vergehen. Judentum und Kirche, Freiburg u.a. 1991.
  • Jesus von Nazareth im Umfeld Israels und der Urkirche. Gesammelte Aufsätze (WUNT 111), hg. von M. Theobald, Tübingen 1999.

Quellen

  • Paul-Gerhard Müller/Werner Stenger (Hg.), Kontinuität und Einheit, FS Franz Mußner, Freiburg i.Br. (u.a.) 1981.
  • Michael Theobald, Die Entdeckung des Juden Jesus von Nazareth und die Christologie. Die Herausforderung im Werk von Franz Mußner, in: Franz Mußner, Jesus von Nazareth im Umfeld Israels und der Urkirche. Gesammelte Aufsätze, hg. von Michael Theobald (WUNT 111; Tübingen 1999), 1-10.
  • Michael Theobald/Rudolf Hoppe (Hg.), „Für alle Zeiten zur Erinnerung“. Beiträge zu einer biblischen Gedächtniskultur. Festgabe für Franz Mußner zum 90. Geburtstag (SBS 209), Stuttgart 2006.

Weblinks


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