Freidorf BL

Freidorf BL

Die Siedlung Freidorf gehört zu Muttenz, Kanton Basel-Landschaft, in der Schweiz.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Wohnsiedlung Freidorf ist der bedeutendste Siedlungsbau der Schweiz aus der Zeit zwischen den Weltkriegen.

Sie wurde vom Verband Schweizerischer Konsumvereine als Modellprojekt des Sozialen Wohnungsbaues gestiftet. Initiator war Bernhard Jäggi (1869-1944). Jäggi war seit 1900 Revisor des Verbandes in Basel, seit 1909 Präsident der Verwaltungskommission und bekleidete führende Positionen in mehreren mit der Genossenschaftsbewegung verbundenen Unternehmen. Von 1902 bis 1916 war er Grossrat der SP in Basel, 1910 Präsident, 1911 bis 1916 Nationalrat. Ende 1916 trat er von seinen Ämtern zurück und aus der SP aus, da ihm der Kurs zu radikal war. 1919 begann er, seine lang gehegte Idee eines Freidorfes in die Tat umzusetzen, bezog nach Fertigstellung selbst eine Wohnung im Freidorf. Jäggi stiftete 1923 auch das genossenschaftliche Seminar im Freidorf.[1] Die „Siedlungsgenossenschaft Freidorf“ besteht noch heute als solche.

Entworfen hat die Siedlung der spätere Bauhaus-Architekt Hannes Meyer (1889-1954), erstellt wurde sie in den Jahren 1919 bis 1921 im Genossenschaftsmodell nach Gartenstadt-Vorbild. Meyer selbst beschrieb das Freidorf als halb Kloster und Anstalt, halb Gartenstadt und Juradorf. Die Bebauungspläne wurden 1919 auf einer Sonderausstellung des Zürcher Kunstgewerbemuseums (zu der auch ein Katalog erschien) zusammen mit denen der Genfer Gartenstadt "Piccard, Pictet Co." gezeigt.

Freidorf Muttenz, gesehen von der St. Jakobs-Strasse

Das ringsum von einer Mauer umgebene Baugelände, oberhalb einer Geländekante ("Schänzli") am Rande von Muttenz an der St. Jakobs-Strasse, ist annähernd dreieckig geformt, nach Meyer die symbolische Idealform der "ersten schweizerischen Vollgenossenschaft" (1919-21). Der Architekt Rudolf Christ (1895-1975) soll den Siedlungsplan maßgeblich bestimmt haben.[2]

Um einen zentralen Dorfplatz sind rasterförmig 150 Reihenhäuser angeordnet, jeweils mit kleinen Vorgärten und rückseitigen Nutzgärten ausgestattet. Die ganze Siedlung ist durch Baumreihen stark durchgrünt. In der Dorfmitte liegt ein ebenfalls von Bäumen beschatteter Platz, der als Spielwiese gedacht ist und mit einem Brunnen und Obeliskdenkmal geschmückt ist. An diesen grenzt das 1922-1924 erbaute sogenannte „Genossenschaftshaus“, das ursprünglich als Gaststätte, Laden, Schule und Seminar diente. Anfang 1921 wurde eine Tramlinie von Basel nach Muttenz eröffnet, welche direkt am Freidorf vorbeiführt, so dass auch die Verkehrsanbindung günstig war.

Das Freidorf stellt in der Schweizer Gartenkunst des 20. Jahrhunderts einen Höhepunkt in der Entwicklung zum sogenannten Wohngartenstil dar, der im Gegensatz zur zeitgenössisch vorherrschenden Stilrichtung des architektonischen Gartens die Funktion über die strenge Orientierung an formalen Gestaltungsprinzipien setzte. Ein eigener privater Garten sollte nicht mehr länger ein Privileg des reichen Bürgertums sein, sondern Fortsetzung des Wohnraumes im Freien und gestalterisch offen für wechselnde Aktivitäten (ähnlich den Konzepten von Harry Maasz in Deutschland).[3]

Das Ortsbild des Freidorfes wurde vom Bund als auch dem Kanton Basel-Landschaft im Zuge des Inventars der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS) als von nationaler Bedeutung klassiert (eine entsprechende Bundesrats-Verordnung (VISOS) ist seit 1. Oktober 1981 in Kraft).

Die 1920–1921 erbaute Wasserhaus-Siedlung in Münchenstein, auf der Basis von Entwürfen von Hans Benno Bernoulli wurden die Pläne durch den Architekten W. Brodtbeck AG ausgearbeitet, stellt eine privatwirtschaftliche Alternative zur gleichzeitig realisierten, aber genossenschaftlich finanzierten Siedlung Freidorf dar.

Heute sind die Häuser grundsätzlich an Familien mit minderjährigen Kindern vermietet; die Miete eines Hauses bedingt die Mitgliedschaft in der Genossenschaft und ein festes Anstellungsverhältnis von mindestens 50% bei der Coop.[4]

Literatur

  • Hannes Meyer: Die Siedelung Freidorf. In: Das Werk. 12 (1925), 2, S. 40-51. Online-Text: [2]. Reprint in: Martin Kieren (Hrsg.): Hannes Meyer, Architekt: 1889 - 1954; Schriften der zwanziger Jahre, Baden: Müller, 1990, ISBN 3-906700-23-2.
  • Johann Friedrich Schär: Die Siedlungsgenossenschaft Freidorf. In: Die Bodenreform (1922), S. 167-171. Online-Text: [3]
  • Faust, Helmut: Geschichte der Genossenschaftsbewegung. Ursprung und Weg der Genossenschaften im deutschen Sprachraum. Frankfurt/Main 1965, S. 458.

Weblinks

Quellen

  1. Hans-Rudolf Heyer in: Jäggi [Jaeggi, Bernhard] im Historischen Lexikon der Schweiz; sowie [1]
  2. Rudolf Christ. In: archINFORM. Abgerufen am 3. Januar 2010
  3. Hans-Rudolf Heyer in: Gärten, Städtische Wohngärten im Historischen Lexikon der Schweiz
  4. Wohnen im Freidorf | Häuser
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