- Hannes Meyer
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Hans Emil Meyer, gen. Hannes Meyer (* 18. November 1889 in Basel; † 19. Juli 1954 in Crossifisso di Lugano) war ein Schweizer Architekt und Urbanist, der auch in Deutschland arbeitete und dort als Lehrer und Direktor am Bauhaus großen Einfluss ausübte.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Von 1905 begann Meyer einer Maurerlehre und Ausbildung zum Bauzeichner und Bauführer in Basel. Anschließend besuchte er die Gewerbeschule in Basel, wo er »Kurse für Baubeflissene« belegte. 1909 begann er im Architekturbüro von Albert Fröhlich in Berlin zu arbeiten. Dann wechselte er zu Johann Emil Schaudt, dem Architekten des Kaufhaus des Westens. Nebenher belegte er verschiedene Abendkurse an der Kunstgewerbeschule. 1912–1913 ging er für einige Zeit für Studien nach England. 1916 wurde er Assistent bei Georg Metzendorf in München. Ab 1919 war er selbstständig als Architekt in Basel tätig.
Die Zeit am bauhaus
Hannes Meyer wird 1927 als Meisterarchitekt an das Bauhaus in Dessau berufen; ab 1. April 1928 ist er als Nachfolger von Walter Gropius dort Direktor. Unter Meyers Ägide wird eine Architekturabteilung im Bauhaus eingerichtet, auch bekommen die technischen Fächer einen erheblich stärkeren Stellenwert. Er vertritt den Standpunkt, dass das Bauhaus von seiner Idee, „für das Volk“, also für die ärmeren Kreise zu gestalten, abgekommen ist und gibt die Parole aus: „Volksbedarf statt Luxusbedarf!“ Bauhaus-Produkte waren damals nicht für „jedermann erschwinglich“, die Käufer fanden sich in elitären Kreisen von Bauhäuslern, Freunden und betuchten Gönnern.
Hannes Meyer ist in seinen Städtebauplänen an den genossenschaftlichen Zielen orientiert und weiß sich dem linken Spektrum der Sozialdemokratie verbunden. Während seines Direktorats kam es zu einer zunehmenden Radikalisierung der Bauhaus-Studenten. Das Bauhaus galt in nationalsozialistischen Kreisen, die am 30. Januar 1930 führende politische Kraft wurden, als „rote Kaderschmiede“. Am 1. August 1930 wird er aus politisch motivierten Gründen fristlos entlassen. Seine Nachfolge als Direktor trat Ludwig Mies van der Rohe an.
Nach 1930
Meyer geht noch 1930 nach Moskau und wird dort Hochschullehrer. Zu seiner Begleitung gehören einige Studenten und Bauhaus-Mitarbeiter. Zu dieser sogenannten „Brigade Meyer“ gehörte auch der in München geborene jüdische Architekt Philipp Tolziner, der später über zehn Jahre in einem sowjetischen Gulag verbrachte.
Meyers damalige Lebensgefährtin und Sekretärin Frau Mengel, mit der er einen Sohn hatte, bleibt zunächst in Bremen und findet bei der Familie von Heinrich Vogeler ein Zuhause. 1931 siedelt sie ebenfalls mit ihrem Kind nach Moskau über - begleitet von Heinrich Vogeler, der als KPD-Mitglied nun auch in Moskau Zuflucht sucht.
Hannes Meyer fällt ab 1933 bei den stalinistischen Behörden zunehmend in Ungnade. Auch beginnen die ersten so genannten „Säuberungsaktionen“ innerhalb der großen Moskauer Ausländergemeinde. Meyer kehrt deshalb 1936 in seine Schweizer Heimat zurück. Seine Lebensgefährtin bekommt als deutsche Staatsbürgerin kein Visum. Sie bleibt deshalb mit dem gemeinsamen Sohn in Moskau. Frau Mengel wird kurz darauf verhaftet. Mit vielen anderen Ausländern wird sie ohne Prozess zum Tode verurteilt und erschossen. Der Sohn Johannes Mengel überlebt in einem staatlichen Erziehungsheim und erfährt erst in der Ära Chruschtschow vom gewaltsamen Tod seiner Mutter. Sie wird im Zuge der Entstalinisierung posthum rehabilitiert.
Hannes Meyer versucht von der Schweiz aus in Spanien Fuß zu fassen, was aber durch den Franco-Putsch verhindert wird.
1939 folgt Hannes Meyer einem Ruf der mexikanischen Regierung unter Lázaro Cárdenas del Río. Er wird Direktor des neu gegründeten Instituts für Städtebau und Planung mit Sitz in Mexiko-Stadt. 1942 begründet er den Verlag La Estampa Méxicana der Künstlervereinigung Taller de Gráfica Popular (Werkstatt der Volksgraphiker, TGP), den er von 1947 bis 1949 leitet. 1943 veröffentlicht er beim Exilverlag El libro libre ein Schwarzbuch über den Naziterror in Europa (El libro negro del terror nazi en europa). Ende 1949 geht er nach einem Zerwürfnis mit den mexikanischen Behörden zurück in die Schweiz und widmet sich bis zu seinem Tod im Jahre 1954 vor allem der Herausgabe architekturwissenschaftlicher Literatur.
Architekturauffassung
Hannes Meyer betrachtete das Bauen als elementaren Prozess, der biologische, geistige, seelische und körperliche Bedürfnisse berücksichtigt und dadurch Leben ermöglicht.[1] Ein sehr umfassender Ansatz, bei dem Meyer möglichst viele Faktoren mit einbeziehen wollte. Er befasste sich vor Allem mit dem Wohnungsbau: bei Wohnungen und Siedlungen untersuchte er systematisch Ausrichtung, Belichtung, Durchlüftung, Störfaktoren (Schall, Geruch), Sichtbeziehungen, Nachbarschaft. Er analysierte die funktionalen und psychologischen Faktoren eines Grundrisses, stellte dann Tabellen und Diagramme auf und versuchte, die Architektur auf die Formel „Funktion × Ökonomie“ zu reduzieren. Architektur wurde so zu einem logisch-rationalen Prozess, der bei absoluter Optimierung zu einem einzig richtigem Ergebnis führen musste. Meyer sagte Bauen ist kein ästhetischer Prozess und Bauen ist nur Organisation[2] und leugnete damit die gestalterische Komponente der Architektur. Auch das Bild des Architekten ist bei Meyer ein ganz anderes als z. B. noch bei Gropius: „Das neue Haus ist […] ein Industrieprodukt und als solches ist es ein Werk der Spezialisten. Der Architekt war Künstler und wird ein Spezialist der Organisation“.[3]
Werke (Auswahl)
- 1919–1921: Wohnsiedlung Freidorf in Muttenz
- 1927: Petersschule Basel (mit Hans Wittwer, nicht ausgeführt)
- 1927–1928: Völkerbundpalast in Genf (Wettbewerbseintrag, nicht ausgeführt)
- Zwanziger/Dreißiger Jahre: Beteiligung an der Planung der Stadt Birobidschan im gleichnamigen Jüdischen Autonomen Gebiet der UdSSR
- 1928–1930: Bundesschule des ADGB und Lehrerhäuser in Bernau bei Berlin
- 1929–1930: Erweiterung der Siedlung Dessau-Törten (Laubenganghäuser)
- 1938–1939: Genossenschaftliches Kinderheim Mümliswil
Literatur
- Werner Kleinerüschkamp: Meyer, Hannes. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 17, Duncker & Humblot, Berlin 1994, S. 344 f.
- J. Geist, D. Rausch: Die Bundesschule des ADGB in Bernau bei Berlin 1930–1993. Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege, Potsdam 1993, ISBN 3-910196-12-8
- Wilma Ruth Albrecht: Moderne Vergangenheit – Vergangene Moderne. In: Neue Politische Literatur. 30. 1985, 2, S. 203–225 (zu Hannes Mayer S. 210 ff.)
- Bauhaus-Archiv u. a. (Hrsg.): Hannes Meyer. Architekt Urbanist Lehrer 1889-1954. Berlin 1989
- M. Hays: Modernism and the posthumanist subject: the architecture of Hannes Meyer and Ludwig Hilberseimer. Cambridge 1992
- M. Kieren: Hannes Meyer – Dokumente zur Frühzeit, Architektur- und Gestaltungsversuche 1919-1927.
- U. Poerschke: Funktion als Gestaltungsbegriff. Dissertation BTU Cottbus 2005
- C. Schnaidt: Hannes Meyer. Bauten, Projekte und Schriften, Buildings, projects and writings. Teufen 1965
- K. Winkler: Der Architekt Hannes Meyer - Anschauungen und Werk. Berlin 1989
- H. Prignitz: TGP: ein Grafiker-Kollektiv in Mexiko von 1937–1977. Berlin 1981, ISBN 3-922005-12-8
- H. Prignitz-Poda: Taller de Gráfica Popular – Werkstatt für grafische Volkskunst: Plakate und Flugblätter zu Arbeiterbewegung und Gewerkschaften in Mexiko 1937–1986. Berlin 2002, ISBN 3-935656-10-6
- B. Merten: Der spezifische Beitrag Hannes Meyers zum Bauhaus. Magisterarbeit, Rheinische Friedrich-Wilhelms Universität, Bonn 2005
- Hermann Funke: Wer hat Angst vor Hannes Mever? Ein verfluchter Architekt. In: Die Zeit, Nr. 8/1967
Weblinks
Commons: Hannes Meyer – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien- Literatur von und über Hannes Meyer im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Hannes Meyer. In: archINFORM.
Einzelnachweise
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