- Albrecht Ritschl (Wirtschaftshistoriker)
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Albrecht Ritschl (* 1959 in München) ist ein deutscher Wirtschaftshistoriker.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Ritschl promovierte bei Knut Borchardt an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Von 1994 bis 2007 hatte er Professuren an der Universität Pompeu Fabra in Barcelona, der Universität Zürich und der Humboldt-Universität zu Berlin inne, bevor er 2007 an die London School of Economics and Political Science berufen wurde.
Thesen
Ritschl unternahm mehrere Reinterpretationsversuche der jüngeren deutschen Wirtschaftsgeschichte. Seine Forschungsschwerpunkte sind unter anderem:
- Der wirtschaftliche Zusammenbruch der Weimarer Republik. Ritschl behauptet, Deutschland sei 1929/30 in eine Zahlungsbilanzkrise geraten, ausgelöst durch Überschuldung im Ausland und die Verschärfung des Reparationsregimes durch den Young-Plan. In dieser Lage sei die Deflationspolitik Heinrich Brünings alternativlos gewesen.[1]
- Die Beschäftigungspolitik des Dritten Reichs. Ritschl argumentiert, der Aufschwung im Anschluss an die Weltwirtschaftskrise habe bereits 1932 eingesetzt und sei damit nicht der Wirtschaftspolitik zur Zeit des Nationalsozialismus zuzuschreiben. Die schnelle Rückkehr zu Vollbeschäftigung sei eine Folge der Niedriglohnpolitik Brünings gewesen, welche das Dritte Reich bruchlos fortgesetzt habe. Der Autobahnbau hingegen habe in großem Umfang erst 1936 begonnen, als Deutschland praktisch bereits zur Vollbeschäftigung zurückgefunden habe.[2]
- Die Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg. Ritschl bestreitet, die soziale Marktwirtschaft sei eine Erfindung Ludwig Erhards gewesen. Wesentliche liberale Aspekte wie die Anti-Kartellgesetzgebung seien auf Druck der Alliierten, insbesondere der Vereinigten Staaten, zustande gekommen. Andere korporatistische Elemente hingegen, wie z.B. Beschränkungen der Gewerbefreiheit, habe bereits Hjalmar Schacht in den 1930er Jahren eingeführt.[3]
- Konjunkturzyklen im Kaiserreich. Mit Methoden der empirischen Konjunkturforschung bestätigt Ritschl die Existenz einer scharfen Rezession in den 1870er Jahren – die sogenannte Gründerkrise – welche von anderen Wirtschaftshistorikern in Abrede gestellt worden war.[4]
Schriften
- Prices and Production. Elements of a System-Theoretic Perspective. Physica-Verlag, Heidelberg 1989, ISBN 3-7908-0429-0
- Deutschlands Krise und Konjunktur 1924-1934. Binnenkonjunktur, Auslandsverschuldung und Reparationsproblem zwischen Dawes-Plan und Transfersperre. Akademie-Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-05-003650-8
- Albrecht Ritschl (Hrsg.): Preußen im Kaiserreich. Akademie-Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-05-003699-0
- Hat das Dritte Reich wirklich eine ordentliche Beschäftigungspolitik betrieben? In: Neue Ergebnisse zum NS-Aufschwung. Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte. 2003/I, ISBN 3050038608 (PDF)
- Albrecht Ritschl, Thomas Welskopp & Katja Girschik (Hrsg.): Der Migros-Kosmos : zur Geschichte eines aussergewöhnlichen Schweizer Unternehmens. Hier und Jetzt, Baden 2003, ISBN 3-906419-64-9
Weblinks
- Literatur von und über Albrecht Ritschl (Wirtschaftshistoriker) im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Albrecht Ritschl auf der Website der Humboldt-Universität
- Albrecht Ritschl auf der Website der London School of Economics and Political Science
- Im Gespräch: Albrecht Ritschl, auf FAZ.net, 24. Oktober 2008
- Deutschland ist der größte Schuldensünder des 20. Jahrhunderts, auf Spiegel.de, 21. Juni 2011
Einzelnachweise
- ↑ Knut Borchardts Interpretation der Weimarer Wirtschaft. Zur Geschichte und Wirkung einer wirtschaftsgeschichtlichen Kontroverse, 2001
- ↑ Hat das Dritte Reich wirklich eine ordentliche Beschäftigungspolitik betrieben ?, 2002
- ↑ Von der Krise zur Moderne? Zu den langfristigen Wirkungen der NS-Wirtschaftspolitik, 2003
- ↑ Business Cycles and Stock Market Comovement in Germany before World War I: Evidence from Spectral Analysis, 2005
Kategorien:- Wirtschaftshistoriker
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