Gefangenenzeitschrift

Gefangenenzeitschrift

Gefangenenzeitungen sind Zeitschriften, die von Gefangenen verfasst und gestaltet werden und sich vorwiegend dem Bereich des Strafvollzuges widmen. Die enthaltenen Texte werden zum großen Bereich der Gefangenenliteratur gezählt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die erste Gefangenenzeitung („Forlorn Hope“) wurde 1880 in New York City gegründet. Sie fand viele Nachahmer, sodass in einer der wenigen publizierten Studien aus den USA für das Jahr 1967 weit über 200 Titel gezählt wurden (Baird 1967).
Als erste Gefangenenzeitung in Deutschland wurde „Der Leuchtturm“ (1925) vom preußischen Justizministerium genehmigt. Er erschien zunächst in der Strafanstalt Görlitz, nach deren Schließung (1926) in der Strafanstalt Wohlau und ab 1932 in der Strafanstalt Berlin-Plötzensee. Nach dem 2. Weltkrieg und dem Ende des Nationalsozialismus sind Gefangenenzeitungen in Deutschland sehr weit verbreitet; gegenwärtig sind es mehr als 60 Titel, jedoch unterliegt diese Zahl manchen Schwankungen. Im europäischen Ausland scheinen Gefangenenzeitungen dagegen eher eine Seltenheit zu sein.

Verbreitung

Gefangenenzeitungen gibt es vor allem im Bereich des Strafvollzugs bei erwachsenen Männern. Im Jugendvollzug sind zur Zeit keine Zeitschriften bekannt, allenfalls haben einige, wie gegenwärtig der Diskus 70 in Bremen eine Jugendredaktion. Im Frauenstrafvollzug (nur Schwäbisch Gmünd, Vechta), im Maßregelvollzug (Haldem, Moringen, Lippstadt) und erst recht in der Untersuchungshaft (Oldenburg) sind Gefangenenzeitungen vergleichsweise selten. In U-Haft, Jugend- und Frauenstrafvollzug mag eine Ursache dafür sein, dass die Haftzeiten oftmals sehr kurz sind und eine Mitarbeit in der Redaktion mithin nicht lohnend erscheint; bei weiblichen Gefangenen mag noch hinzukommen, dass die Haftanstalten eher klein sind, mit vergleichsweise wenigen Gefangenen und so aus verschiedenen Gründen (Kosten, wenig Leserschaft) der Aufwand gescheut wird. Manche Gefangenenzeitungen sind ausschließlich intern zugelassen und werden nicht außerhalb der Anstalten verbreitet. Das gilt für sämtliche Gefangenenzeitungen in Bayern, wie zum Beispiel Allmächt (Nürnberg) und Aichach-live (Aichach).

Organisation

So vielfältig das Angebot an Gefangenenzeitungen ist[1], so ähnlich vielfältig ist auch die Art, wie diese organisiert sind. Nur selten sind sie von außen organisiert und nur eingeschränkt oder auch gar nicht Gefangenenzeitungen im eigentlichen Sinn. In dieser Kategorie ist gegenwärtig der „Aufschluss“ in Leipzig, der vom AK Resozialisierung e.V. herausgegeben wird.

Weitaus häufiger sind solche Gefangenenzeitschriften, die von Gefangenen für Gefangene erstellt werden und nur zusätzlich einen (begrenzten) Leserkreis auch außerhalb der JVA finden. Hier muss unterschieden werden zwischen Zeitungen, die von den Gefangenen nahezu selbstständig geführt werden und solche, die von der JVA mitbestimmt werden. Zwischen diesen beiden Bereichen gibt es eine Vielzahl von Abstufungen, die von einer Zusammenarbeit mit einem dafür abgestellten JVA-Mitarbeiter bis zur Inhaltskontrolle durch die Anstaltsleitung (namentlich in der Rolle der Herausgeberin) reichen kann.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass manch eine Gefangenenzeitung auch externe UnterstützerInnen, namentlich in Form eines Vereins hat, der dann für die Verbindung zur Öffentlichkeit, die Einwerbung von Spenden, eventuell auch die Anzeigenverwaltung etc zuständig sein kann.

Pressefreiheit/Zensur

Die weitaus meisten Gefangenenzeitungen unterliegen dem Anstaltsrecht. Das Presserecht gilt damit nicht. Für die Mitarbeiter sind sie deshalb „zensiert und abhängig“. Es findet eine Vorzensur durch den verantwortlichen Beamten statt, welche dazu führen kann, dass einzelne Artikel nicht zum Druck gegeben werden. Nur wenige Gefangenenredaktionen (z.B. Lichtblick, Berlin) verfügen über ein Redaktionsstatut, welches ihnen ein gewisses Maß an interner Pressefreiheit zusichert. Auch dies bietet jedoch keine Garantie gegen Zensur, da die Anstalt in ihrer starken Stellung als Drucker/Eigentümer/Verleger das Erscheinen „ihrer“ Gefangenenzeitschrift jederzeit verhindern kann.

Alte Medien/Neue Medien

Das äußeren Erscheinungsbild der Gefangenenpresse ist durch große Vielfalt gekennzeichnet. Viele Gefangenenzeitschriften werden noch mit der mechanischen Schreibmaschine geschrieben und mittels Kopierer vervielfältigt, eine zunehmende Zahl wird jedoch mithilfe von Speicherschreibmaschinen oder sogar auf PCs hergestellt. Diese Vielfalt bietet jedoch auch Chancen. Das eine (die modern ausgestattete Gefangenenzeitungsredaktion) wie auch das andere (die mit einfachsten Mittel agierenden Redakteure) zeigen auf je eigenen Art das Engagement und den Einsatz, eine Zeitung herauszubringen. Einige Anstalten erlauben den Gefangenenzeitungen, die Möglichkeiten der neuen Medien aufzugreifen und eine Internetpräsenz zu haben. Da Gefangene normalerweise keinen Zugang zum Internet haben, wendet sich diese Publikationsform ausschließlich an eine externe Leserschaft, dient also der Öffentlichkeitsarbeit.

Fazit

Gefangenenzeitungen sind aus dem deutschen Vollzugsalltag kaum noch wegzudenken. Allerdings ist auch zu beobachten, dass Gefangenenzeitungen - wie auch Presseerzeugnisse außerhalb - ihr Erscheinen einstellen. Maßgeblich ist hier nicht zuletzt der Kostengesichtspunkt, wobei als Kostenfaktoren insbesondere Druck, Papier und Versand anfallen. So ist gerade die Landschaft der Gefangenenzeitung immer in Bewegung, hier werden Zeitungen eingestellt, dort neue gegründet, und in einigen wenigen Haftanstalten wird mit viel Mühe alles daran gesetzt, traditionsreiche Zeitungen weiter erscheinen zu lassen.

Einzelnachweis

  1. Udo Pasterny, „Deutschsprachige Bibliographie Zeitschriften von 1950 - 1980“,Kapitel Gefangenen-Zeitschriften, Seite 117 - 121. Verlag Azid Presse, Amsterdam 1982. ISBN 90-70215-10-1

Literatur

  • Russell N. Baird: The penal press. Northwestern University Press, Evanston 1967
  • Gernot Joerger: Die deutsche Gefängnispresse in Vergangenheit und Gegenwart. Enke Verlag, Stuttgart 1971
  • Uta Klein: Gefangenenpresse. Über ihre Entstehung und Entwicklung in Deutschland. Forum Verlag Godesberg, Mönchengladbach 1992
  • Uta Klein und Helmut H. Koch (Hrsg.): Gefangenenliteratur. Sprechen, Schreiben, Lesen in deutschen Gefängnissen. Reiner Padligur Verlag, Hagen 1988
  • Anja Vomberg: Hinter Schloß und Riegel. Gefangenenzeitungen aus Nordrhein-Westfalen und Brandenburg zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Forum Verlag Godesberg, Mönchengladbach 2000
  • Janka Kreißl: "Hinter Gittern - Gefangenenzeitschriften in Deutschland". VDM Verlag Dr. Müller, Saarbrücken 2007

Weblinks

Namen und Adressen der frei erhältlichen Gefangenenzeitschriften finden sich auf der Wissensplattform PrisonPortal http://babe.informatik.uni-bremen.de/mediawiki/index.php/Gefangenenzeitungen

Die folgenden Zeitschriften sind auch Online zugänglich:

Artikel über Gefangenenzeitungen in Österreich:


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