Gerdauen

Gerdauen
Siedlung städtischen Typs
Schelesnodoroschny/Gerdauen
Железнодорожный
Föderationskreis Nordwestrussland
Oblast Kaliningrad
Rajon Prawdinsk
Gegründet 1325
Frühere Namen Gerdauen (bis 1946)
Siedlung städtischen Typs seit 1946
Höhe des Zentrums 35 m
Bevölkerung 2857 Einw. (Stand: 2006)
Zeitzone UTC+2 (Sommerzeit: UTC+3)
Telefonvorwahl (+7) 40157
Postleitzahl 238410
Kfz-Kennzeichen 39, 91
OKATO 27 233 555
Geographische Lage
Koordinaten: 54° 21′ N, 21° 19′ O54.35833333333321.32222222222235Koordinaten: 54° 21′ 30″ N, 21° 19′ 20″ O
Schelesnodoroschny (Kaliningrad) (Russland)
DEC
Schelesnodoroschny (Kaliningrad) (Oblast Kaliningrad)
DEC
Oblast Kaliningrad
 
Lage von Schelesnodoroschny in der Oblast Kaliningrad

Schelesnodoroschny (russisch Железнодорожный; deutsch bis 1946 Gerdauen; polnisch alt Gierdawy, heute Żeleznodorożnyj) ist ein Ort in der Oblast Kaliningrad in Russland mit knapp 2900 Einwohnern (2006).

Inhaltsverzeichnis

Geografie

Der Ort liegt am Westufer des kleinen Flusses Omet und dem Banktinsee im Süden der Oblast Kaliningrad. Die Oblasthauptstadt ist etwa 50 Kilometer in nordwestlicher Richtung entfernt. Unweit im Süden verläuft die Grenze zu Polen.

Geschichte

Um die Mitte des 13. Jahrhunderts besaß der Prußenführer Girdawe, dessen Name Sprecher bedeutet, auf einer Anhöhe am Fluss Omet eine Burg. Während des Prußenaufstandes gegen den Deutschen Orden im Jahre 1262 weigerte sich Girdawe, gegen das Ordensheer zu kämpfen, brannte seine Burg nieder und begab sich unter den Schutz des Ordens nach Königsberg. Unter dem Komtur Heinrich von Eysenberg errichtete der Deutsche Orden anstelle der ehemaligen Prußenburg 1325 eine neue Burg zum Schutz gegen die Litauer. Diese belagerten die Burg 1347, konnten sie aber nicht einnehmen. 1368 wurde im Zusammenhang mit der Erwähnung des Burgherren Kuno von Hattenstein Gerdauen als Name der Burg genannt, der offensichtlich von Girdawe dem Prußenführer abgeleitet war. Unter dem Hochmeister Winrich von Kniprode wurde das Umland der Burg ab Mitte des 14. Jahrhunderts mit deutschen Einwanderern besiedelt. Am 21. September 1398 verlieh der Hochmeister Konrad von Jungingen Gerdauen das Kulmer Stadtrecht. Bald darauf wurde die Stadt mit einer Wehrmauer versehen, und man begann mit dem Bau einer Kirche. 1428 wurde das Nordenburger Dominikanerkloster nach Gerdauen verlegt.

Als der Deutsche Orden nach dem 2. Thorner Frieden in finanzielle Schwierigkeiten geriet, verpfändete er 1469 unter anderem auch Gerdauen samt Burg an die Brüder Georg und Christoph von Schlieben, die später auch erbliche Eigentümer wurden. Ein großer Brand, der 1485 durch Polen verursacht wurde, richtete große Schäden in der Stadt an, die erst nach acht Jahren wieder behoben waren. Nachdem sich in Preußen die Reformation durchgesetzt hatte, wurde um 1530 das Gerdauer Dominikanerkloster aufgelöst.

Historisches Wappen

Nach der Bildung des Königreiches Preußen 1701 kam Gerdauen zum Kreis Rastenburg. Der preußische König Friedrich I. erteilte 1708 Gerdauen das Recht, jährlich vier Jahrmärkte abzuhalten. Während des Siebenjährigen Krieges überfielen im Sommer 1757 Kosaken das Schloss und verwüsteten es. Als Preußen nach dem Wiener Kongress seine Verwaltung neu gliederte, wurde Gerdauen am 1. Februar 1818 Kreisstadt des gleichnamigen Kreises. Die modernen Verkehrswege des 19. Jahrhunderts erreichten die Stadt zunächst 1858 mit der neuen Chaussee nach Angerburg. 1871 erfolgte der Anschluss an die Bahnlinie Thorn – Insterburg, nach Königsberg wurde 1898 eine Bahnstrecke eröffnet, und eine Kleinbahn nahm 1917 ihren Betrieb auf. Bedingt durch die günstigen Verkehrsanbindungen wurde Gerdauen zu einem bedeutenden Zentrum des Getreidehandels, außerdem waren eine Tuchmanufaktur und eine Gerberei vorhanden. Die Einwohnerzahl hatte sich von 2858 im Jahre 1890 auf 4578 im Jahre 1910 erhöht.

Im Ersten Weltkrieg wurden durch Kampfhandlungen in der Nähe von Gerdauen im September 1914 zahlreiche Häuser zerstört. Mithilfe der Patenstädte Budapest und Berlin-Wilmersdorf konnte der Wiederaufbau bis 1921 abgeschlossen werden. 1939 hatte sich die Zahl der Einwohner auf 5125 erhöht. Der Zweite Weltkrieg richtete relativ wenig Schaden in Gerdauen an.

Nach Kriegsende 1945 kam die Stadt zur sowjetischen Oblast Kaliningrad. 1946 wurde der Ort in Schelesnodoroschny (etwa „Eisenbahnstadt“) umbenannt, wobei er das Stadtrecht verlor und seither den Status einer Siedlung städtischen Typs besitzt. Auch nach Flucht und Vertreibung der deutschen Bevölkerung blieb die Stadt zunächst gut erhalten, doch die neue Grenzlage erschwerte die weitere Entwicklung. Ab den 1960er Jahren begann der Verfall der Stadt. Ein erheblicher Teil der Altbausubstanz ist seither zerstört, auch die Kirche ist heute nur noch eine Ruine.

Einwohnerentwicklung

Jahr Einwohnerzahl Bemerkung
1875 2864 *
1885 2887 *
1890 2858 * (davon 30 Katholiken und 55 Juden)
1910 4578 *
1933 4712 *
1939 5125 *
1989 3246 *
2002 2945 *
2006 2857  

Anmerkung: * Volkszählung ** Volkszählung (gerundet)

Sehenswürdigkeiten

Erhalten sind Reste der Ordensburg und der alten Ordenskirche sowie eine alte Wassermühle. Trotz des starken Verfalls bietet die Stadt noch immer ein bemerkenswertes architektonisches Beispiel für eine im Ersten Weltkrieg neu aufgebaute Stadt auf historischem Stadtgrundriss.

Bedeutende Persönlichkeiten

Literatur

  • Conrad G. Neun Urkunden zur Geschichte der Stadt Gerdauen (1398–1708), in: Zeitschrift der Altertumsgesellschaft Insterburg. H.5. Insterburg, 1898. S. 1–19.
  • Conrad G. Ein Verzeichnis von Urkunden der Stadt Gerdauen, in: Altpreußische Monatsschrift. Bd. 36. 1899. S. 138–141.
  • Kasiske K. Die Siedlungstätigkeit des Deutschen Ordens im östlichen Preußen bis zum Jahre 1410 (Einzelschriften der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung, Bd. 5). Königsberg i. Pr., 1934.
  • Frederichs H. Gerdauen, Kr. Gerdauen, in: Deutsches Städtebuch / Hrsg. von E. Keyser. Bd. I. Nordostdeutschland. Stuttgart – Berlin, 1939. S. 54–55.
  • Der Kreis Gerdauen. Ein ostpreußisches Heimatbuch / Zusammengest. und bearb. von O.-W. Bachor. 2. Aufl. (Ostdeutsche Beiträge aus dem Göttinger Arbeitskreis. Bd. XLIII). Würzburg, 1968.
  • Müller-Dultz W. Das Depositum der Stadt Gerdauen, in: Altpreußische Geschlechterkunde. Jg. 20. 1972. H. 1/2. S. 1–14.
  • Рогачевский А.Л. Учредительная грамота г. Гердауэна (к 600-летию города) [Die Gründungsurkunde der Stadt Gerdauen (zum 600. Jahrfeier der Stadt)], in: Калининградские архивы. Материалы и исследования. Научн. сб. Вып. 2. Калининград, 1999. С. 33–48.
  • Рогачевский А.Л. К истории городского землевладения в средневековой Пруссии: грамота Тевтонского ордена г. Гердауэну 1407 г. (из берлинского архива) [Zur Geschichte des städtischen Grundbesitzes im mittelalterlichen Preußen: Eine Urkunde des Deutschen Ordens für die Stadt Gerdauen aus dem J. 1407 (aus dem Berliner Archiv)], in: Старая Европа. Очерки истории общества и культуры. Памяти Александра Николаевича Немилова (1923–2002). Сб. науч. ст. / Под ред. А.Ю. Прокопьева. СПб., 2007. С. 70–114. ISBN 978-5-8465-0669-5
  • Wagner Wulf D.: Kultur im ländlichen Ostpreußen. Geschichte, Güter und Menschen im Kreis Gerdauen. Husum 2008.

Weblinks

Siehe auch


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