Gerhard Kaindl

Gerhard Kaindl

Gerhard Kaindl (* 1945; † 4. April 1992 in Berlin) war ein Elektroingenieur aus Berlin-Schöneberg. Er war der Landesschriftführer der Deutschen Liga für Volk und Heimat (DLVH). Darüber hinaus war er Mitglied des Vereins Die Nationalen e. V., von dem er als Kandidat zu den Berliner Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen am 24. Mai 1992 aufgestellt worden war. Bekannt wurde er als Opfer eines politisch motivierten Angriffs im Jahr 1992, in dessen Verlauf er tödlich verletzt wurde. Die ermittlungstaktische und juristische Aufbereitung des Falles sorgte landesweit für mediales Interesse.

Inhaltsverzeichnis

Tat und juristische Aufarbeitung

In der Nacht vom 3. zum 4. April besuchte Kaindl mit sechs anderen Rechtsradikalen, darunter auch der damalige Berliner Landesvorsitzende der Republikaner Carsten Pagel, ein Chinarestaurant in Berlin-Neukölln, wo die Gruppe von bis zu sieben Menschen angegriffen wurde.[1] Im Verlaufe des Überfalls wurde Kaindl mit einem Messer tödlich und der ebenfalls anwesende Thorsten Thaler schwer verletzt. Es wurde zunächst ein Hintergrund von PKK-Aktivisten vermutet, aber auch Spekulationen bezüglich der Zugehörigkeit zu türkischen Antifa-Kreisen wurden geäußert.

In einem Prozess im Jahr 1994 wurden insgesamt sieben türkisch- und kurdischstämmige Personen angeklagt; drei wurden wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu jeweils drei Jahren Haft verurteilt, zwei weitere zu Bewährungsstrafen. Der Haupttäter befindet sich weiterhin auf der Flucht. Die Angeklagten hatten bei ihren Geständnissen angegeben, dass sie vor dem Hintergrund der rechtsextremen Anschläge von Rostock, Mölln und Solingen die Gegenwart der bekannten Parteifunktionäre als „Provokation“ empfunden hatten. Ihr Ziel sei es gewesen, Rechtsradikale aus dem "Kiez" zu vertreiben. Die Staatsanwaltschaft hatte zunächst Anklage wegen Mordes und versuchten Mordes erhoben, doch wurde dies vom Gericht abgelehnt. Doch auch die Vorwürfe Mord und Körperverletzung mussten aus ermittlungstechnischen Fehlern fallengelassen werden. Aufgrund falscher Beschuldigungen saß ein unbeteiligter 33-Jähriger ein Jahr lang im Gefängnis. Als Verteidiger trat Christian Ströbele auf, der in dem Zusammenhang von einem Skandal sprach. Seiner Meinung nach habe sich die Kriminalpolizei "dubioser Quellen" bedient, nach "vorgefaßten ideologischen Meinungen ermittelt" und versucht, ein Mordkomplott durchzusetzen. Das Gericht dagegen hätte ein höheres Strafmaß für angemessen betrachtet, wenn nicht der „Obereifer“ eines Beamten die ursprünglichen Anschuldigungen formal nicht durchsetzbar gemacht hätte.

Bedeutung für die rechtsextreme Szene

Die rechtsextreme Szene versucht seit seinem Tod, Gerhard Kaindl als eine Art Märtyrer zu stilisieren. Er wird häufig im Zusammenhang mit anderen Aktivisten der rechtsextremen Szene wie Sandro Weilkes aus dem thüringischen Neuhaus am Rennweg oder Daniel Wretström aus der schwedischen Gemeinde Salem bzw. rechtspopulistischen Politikern wie Pim Fortuyn (Niederlande) genannt, die bei Auseinandersetzungen mit tatsächlichen oder vermeintlichen Antifaschisten oder Jugendlichen mit migrantischen Hintergrund ums Leben kamen. So existiert unter anderem ein "Förderwerk Gerhard Kaindl" aus dem Umfeld des extrem rechten Hoffmann-von-Fallersleben-Bildungswerkes e.V. und der Deutschen Liga für Volk und Heimat. Führende Politiker der NPD wie Frank Schwerdt beziehen sich bis heute in ihren Äußerungen ebenfalls auf den Fall Kaindl. Erwähnung findet der Fall unter anderem auch in Hans-Helmuth Knütters Veröffentlichung "Die Faschismuskeule - Das Letzte Aufgebot der Linken".

Diskussionen in der linken und radikal linken Szene

Die Umstände der Tat und die darauf folgenden Ermittlungen wurden auch intensiv in der linken und Antifa-Szene diskutiert und unter anderem in mehreren Büchern behandelt (siehe Literatur). Auch haben Tausende Demonstranten „gegen die Kriminalisierung des antifaschistischen Widerstandes“ protestiert und die Freilassung der „inhaftierten ausländischen Linken“ gefordert.

Weitere Rezeptionen

Der Autor Raul Zelik beschreibt in dem umstrittenen Roman "Friß und Stirb trotzdem. Roman zu einem Leben auf der Flucht" die Sicht eines fiktiven Beteiligten und dessen anschließende Flucht vor den Ermittlungsbehörden und der Polizei nach Lateinamerika. Das Buch diente als Vorlage für ein Theaterstück, das unter anderem am Thalia Theater Halle aufgeführt wurde.

Einzelnachweise

  1. http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/1994/0525/none/0011/index.html] Artikel der Berliner Zeitung vom 25. Mai 1994

Literatur

  • autonome L.U.P.U.S.-Gruppe (Hg.): Die Hunde bellen ... Von A - RZ. Eine Zeitreise durch die 68er Revolte und die militanten Kämpfe der 70er bis 90er Jahre. 2002. ISBN 3-89771-408-6
  • Geronimo:Glut & Asche. Reflexionen zur Politik der autonomen Bewegung. 1997. ISBN 3-928300-63-6.

Weblinks


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