Glaubenskirche (Berlin-Lichtenberg)

Glaubenskirche (Berlin-Lichtenberg)
Die ehemalige Glaubenskirche (heute: St. Antonius & St. Shenouda Kirche)

Die Glaubenskirche im Berliner Bezirk Lichtenberg am heutigen Roedeliusplatz ist eine ehemalige evangelische Kirche, die von 1903 bis 1905 errichtet wurde. Seit 1998 befindet sich das Bauwerk im Besitz der Koptischen Kirche, die eine schrittweise Sanierung vornimmt, die Kirche zum koptischen Bischofssitz ausbaut und zu einem ökumenischen Zentrum umgestaltet. Das gesamte Ensemble um den Roedeliusplatz steht unter Denkmalschutz.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Das fast vollständig symmetrische Kirchengebäude steht in der Mitte des heutigen Roedeliusplatzes (zur Bauzeit Wagnerplatz), der Altar ist ungewöhnlicherweise nach Norden ausgerichtet. Der Platz wird umgeben von den Straßenzügen Roedeliusplatz (Straße am Amtsgericht), Magdalenenstraße, Normannenstraße und Schottstraße/Alfredstraße.

Bau der Kirche

Die sprunghaft ansteigenden Einwohnerzahlen des Dorfes Lichtenberg und damit die wachsende Anzahl Christen (um 1900 werden rund 48.000 Seelen angegeben) machte den Bau einer großen neuen Kirche erforderlich. Zuvor besaß die Gemeinde nur die kleine Alte Pfarrkirche Lichtenberg und nutzte als zusätzlichen Ort für Gottesdienste die Aula einer Schule in der Siegfriedstraße. Die Kaiserin Auguste Victoria konnte als prominente Unterstützerin für einen Neubau gewonnen werden, sie überließ das Bauland zum kostenlosen Erbbaurecht und steuerte, zusammen mit einem Kirchenbauverein, 80.000 Mark zu den insgesamt 338.000 Mark hohen Baukosten bei. Der Architekt und Geheime Rat Ludwig von Tiedemann, der anbauen wollte gegen die kalt berechnende Zeit[1], führte einen unentgeltlichen Vorentwurf aus, die Ausführungsplanung stammt von Robert Leibnitz, der auch den Bau von der Grundsteinlegung am 14. Mai 1903 bis zur feierlichen Einweihung am 14. Juni 1905 begleitete. Die Kirchenweihe erfolgte durch die Deutsche Kaiserin persönlich, der Bau erhielt den Namen Glaubenskirche. Die Lichtenberger Gemeinde führte, bezugnehmend auf ihre zwei Kirchen, in der Folge den Namen Evangelische Kirchengemeinde der Pfarr- und Glaubenskirche.

Die Ausrichtung der Kirche nach Norden ist ein Zugeständnis der Baumeister an die Bedingungen der Baugenehmigung: Weil in unmittelbarer Nachbarschaft das neue Lichtenberger Königliche Amtsgerichtsgebäude mit einer repräsentativen schlossartigen Fassade geplant war, sollte die Kirche ein statisches und bauliches Gegengewicht bilden. So konnte der Bau erst beginnen, als die Magdalenenstraße um fünf Meter nach Westen verlegt worden war. Eine historische Postkarte zeigt die Glaubenskirche am „Wagnerplatz“ im Jahre 1926.[2]

Stilelemente des Gebäudes

Wie viele Bauten aus der Zeit um 1900 wurde die Glaubenskirche mit mittelalterlichen Elementen im historisierenden Baustil-Mix gestaltet. Durch die Wahl der Materialien und Formen sollte die Illusion eines gotischen Bauwerks auf den Grundmauern eines romanischen Vorgängerbaus entstehen. So ist der Mauerwerksbau im Sockelbereich mit grob behauenem Rüdersdorfer Kalkstein verblendet worden, der das Trutzige romanischer Wehrkirchen ausstrahlt und zudem ein Markenzeichen Tiedemanns ist. Im Bereich der Türme befinden sich dagegen Fensterformen, die eher der Renaissance zuzuordnen sind. Die darüber liegenden Wandflächen erinnern durch die Verwendung von Rathenower Handstrichziegeln an die norddeutsche Backsteingotik, was durch Maßwerkverzierungen, Spitzbogenformen usw. unterstützt wird.

An den Giebeln der Seitenkapellen und an vielen anderen Stellen der Fassade wurde mannigfaltiges Blendmaßwerk eingesetzt. Am Obergeschoss des Glockenturmes wurde die sonst recht kompakt wirkende Fassade durch Klangarkaden aufgelöst.

Der Bezug zum Mittelalter wird vor allem dadurch unterstrichen, dass das damals gebräuchliche Ziegelformat – das sogenannte Klosterformat – gewählt und für die Dachdeckung das alte Prinzip mit Mönch- und Nonnenziegeln eingesetzt wurde.

Um der Forderung nach einer repräsentativen Schauseite gerecht zu werden, wurden die Giebelflächen und das Turmobergeschoss mit reichlich Blendmaßwerk versehen. Außerdem sind die zwei Portale durch das darüberliegende Schmuckfeld mit einer Maßwerkstruktur besonders hervorgehoben worden.

Kircheninneres

Allgemeines

Die Glaubenskirche ist eine zweischiffige Hallenkirche mit einem auf dem lateinischen Kreuz basierenden Grundriss. Der Innenraum ist in vier Joche gegliedert, wobei er im zweiten und dritten Joch durch den Anbau von Seitenkapellen erweitert wurde, um die Emporen aufnehmen zu können. Durch diese, einem Querschiff ähnlichen, Aufweitungen des Raumes entsteht der Eindruck einer Vierschiffigkeit. Das vierte Joch wird durch einen sogenannten Vier-Sechstel-Chor gebildet, das heißt seine Form ergibt sich aus den vier Seiten eines gleichmäßigen Sechsecks. Den oberen Raumabschluss bilden Netzgewölbe, die nicht gleichförmig sind und nicht ganz regelmäßig ausgeführt wurden. So musste die Reihe der schlanken Sandsteinsäulen in die Mitte des Raumes gesetzt werden, der in der Spitze des dreieckig abschließenden Chores mündet. Quellenangaben zufolge wurde dies so geplant, um dem aus der Bethanienkirche stammenden prachtvollen Schnitzaltar einen angemessenen Platz zu schaffen.

An der Südseite des Baues befindet sich eine Kapelle, die von zwei runden Treppentürmen mit Kegeldächern flankiert wird und ihrerseits den Hauptraum begrenzt. Über diese Türme gelangt man auf die Emporen, mit einer Orgel im südlichen Bereich. Entlang der Außenwände führen schmale Stege zu den Seitenkapellen, in denen sich die Empore für die Zuhörer befindet.

Altar, Chor, Kanzel & Schmuck

In der Chorapsis steht der oben genannte Altar, der von Seitenkapellen eingerahmt wird, die durch die Zeltdächer der zwei Nordtürme entstehen. Die spitzbogigen Maßwerkfenster der Choraußenwand sind mit farbigen Glasmosaiken gestaltet und zeigen Figuren aus der Bibel. Der Altaraufsatz ist eine in Eichenholz ausgeführte gotisierende Schnitzarbeit des Wernigeröder Bildhauers Johann Gottfried Kuntsch und stand bereits einige Jahre in der Bethanienkirche, wo er aber das prächtige Mittelfenster verdeckt hatte.

Die ebenfalls hölzerne Kanzel wurde 1905 von Gustav Stein angefertigt. Der Kanzelkorb ist zusätzlich mit Kupferreliefs geschmückt.

Als Tribut an die Mode der Zeit wurden bei den Ausstattungselementen wie Kirchenbänke oder Geländer der Emporen Jugendstilelemente eingearbeitet. Bei der Fertigstellung bot die Kirche Platz für 1350 Gläubige. Die ursprünglichen farbigen Wandmalereien, von denen nur noch geringfügige Reste zu entdecken sind, wurden später einfarbig überstrichen.

Der Glockenturm

Der zentrale Glockenturm an der Südfront der Kirche steht auf einem rechteckigen Grundriss, wurde aber im oberen Bereich als Zwillingsturm ausgebildet. Mit den achteckigen Kupferhelmen und einer Höhe von insgesamt 61 Metern[3] ragt er aus der umgebenden Bebauung heraus und ist dadurch weithin sichtbar; er prägt die Wirkung des Ensembles Gotteshaus und Amtsgericht.

Nutzung

Ehemaliges Gemeindehaus der Pfarr- und Glaubensgemeinde

Aufgrund des schlechten baulichen Zustandes des Gebäudes und der schwindenden Mitgliederzahl der evangelischen Kirchengemeinde wurde die Kirche ab den 1970er Jahren nicht mehr für Gottesdienste genutzt, diese fanden stattdessen wie auch andere kirchliche Veranstaltungen im gegenüberliegenden Gemeindehaus in der Schottstraße 6 statt. Heute wird für die Gemeindegottesdienste ausschließlich die Pfarrkirche genutzt.

Die Lichtenberger evangelische Gemeinde organisiert in der Kirche ein Abendcafé für Wohnungslose und in den Wintermonaten eine Notübernachtung.

Nach der politischen Wende in der DDR wurde das Kirchengebäude an die Kopten in Berlin, die eine von zehn koptischen Gemeinden in ganz Deutschland bildet, verkauft. Diese beabsichtigen, das Gotteshaus zu einem koptischen Bischofssitz umzubauen, wozu Sanierungen, vor allem im Dachbereich und im Inneren durchgeführt wurden und werden müssen; vieles geschieht in Eigenleistung und bleibt damit finanziell überschaubar. Die Kosten einer Komplettsanierung wurden auf rund 1,5 Millionen Euro geschätzt.

In der ehemaligen Taufkapelle finden die Gottesdienste der koptischen Gemeinde statt. Im Jahre 2000 tauften die Kopten ihre Berliner Kirche auf den Namen St. Antonius und St. Shenouda.

Literatur

  • Bauaufnahme von Architekturstudenten der Fachhochschule Potsdam, Berlin 2001 (unveröffentlicht)
  • Die Bau- und Kunstdenkmale in der DDR. Hauptstadt Berlin. Bd. II, Institut für Denkmalpflege im Henschelverlag, Berlin 1987
  • Jan Feustel: Spaziergänge in Lichtenberg. Berlinische Reminiszenzen 75, Verlag Haude und Spener, 1996, ISBN 3-7759-0409-3

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Dieter Huhn: Kalte Zeiten, Wärmestuben aus der Reihe Spaziergänge in Berlin auf der Internetseite von Berlin Street Media, abgerufen am 29. März 2008
  2. [1]
  3. Jan Feustel: Spaziergänge in Lichtenberg, Verlag Haude und Spener, Berlin 1996, ISBN 3-7759-0409-3, S. 29
52.51489113.489588

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