Großes weibliches I

Großes weibliches I
Binnen-I auf einem Linzer Verkehrszeichen

Als Binnen-I (auch Majuskel-I) bezeichnet man den Buchstaben I, wenn er innerhalb eines Wortes als Großbuchstabe zwischen Kleinbuchstaben vorkommt (Binnenmajuskel). Das Binnen-I soll bei der Bezeichnungen von Personengruppen explizit sowohl weibliche als auch männliche Gruppenangehörige erkennbar machen (Splitting), ohne beide Genera ausschreiben, oder das generische Maskulinum verwenden zu müssen; beispielsweise in der Form „LehrerInnen“ statt „Lehrerinnen und Lehrer“.

Das Binnen-I entspricht nicht der Rechtschreibung[1].

Inhaltsverzeichnis

Begründungen für die Verwendung des Binnen-I

Das Binnen-I soll im Deutschen, wie andere Formen des „Splittings“ (die Sichtbarmachung von Frauen durch explizite Erwähnung), die ansonsten möglicherweise im Bewusstsein der Leser in den Hintergrund tretende Beteiligung von Frauen an den jeweiligen Personengruppen hervorheben. So sollen Frauen mit genannt und Eindeutigkeit hergestellt werden.

Der feministischen Linguistik und der feministisch orientierten Sozialpsychologie zufolge ist die Verwendung einer Bezeichnung wie „die Busfahrer“ an sich sexistisch, weil damit überwiegend Männer assoziiert würden.

Gemäß der gängigen Sprachauffassung ist der Satz: „Mädchen sind die besseren Schüler“ sinnvoll, da das Wort „Schüler“ sowohl Mädchen als auch Jungen bezeichnet. Das Genus ist im Deutschen oft nicht mit dem Sexus des Bezeichneten kongruent. Nach Auffassung der feministischen Linguistik ist der Beispielsatz aber inakzeptabel. Formulierungen, in denen Schülerinnen zu „Schülern“ gemacht würden, sind nach der feministischen Linguistik generell abzulehnen (vgl. hierzu den sogenannten „feministischen Imperativ“: „Bezeichne nie eine Frau, einschließlich dir selbst, mit einem grammatischen Maskulinum.“).[2] Folglich dürfe das Wort „Schüler“ nur als spezifisches Maskulinum benutzt und verstanden werden (als Wort, das sich nur auf Jungen bezieht). Die Formulierung: „Mädchen sind die besseren Schülerinnen“ sei ebenso falsch, da durch den Begriff „Schülerinnen“ die Jungen als Vergleichsgruppe ausgeschlossen werden. Richtig sei der Satz: „Mädchen sind bessere Schülerinnen, als Jungen Schüler sind“, der aber umständlich formuliert ist. In der Schreibweise mit Binnen-I („Mädchen sind die besseren SchülerInnen.“) finde sich, so die meisten Feministen, die Ideallösung.

Praxis des Binnen-I-Gebrauchs

Statt „LehrerInnen“ beim Vorlesen in „Lehrerinnen und Lehrer“ aufzulösen, wird seltener auch die Aussprache [ˈleːrərˌʔɪnən] verwendet: das Binnen-I wird durch einen Glottisschlag vor dem „I“ ausgedrückt.

Schweiz

Die Verwendung des Binnen-I stammt ursprünglich aus der feministischen Sprachkritik der Schweiz und kam dort in den 1980er-Jahren auf; genauer wurde es das erste Mal in der linken Zeitung WOZ des 11. September 1987 öffentlich verwendet.[3]

Deutschland

Das Binnen-I entspricht nicht den amtlichen deutschen Rechtschreibregeln. In Baden-Württemberg darf an Schulen und in der Schulverwaltung das Binnen-I aufgrund einer Vorschrift des Kultusministeriums nicht verwendet werden; in Prüfungen ist seine Verwendung als Fehler zu werten.

Österreich

Das Binnen-I wird in Österreich seit den 1990er-Jahren vermehrt vor allem in Bereichen der öffentlichen Verwaltung und der Universitäten verwendet. Es wird als eine unter mehreren Möglichkeiten (z. B. Beamtinnen und Beamte) zur, gesetzlich vorgeschriebenen, „geschlechtsneutralen“ Formulierung offizieller Schriftstücke (Personalnachrichten, Stellenausschreibungen u. a.) genannt.

So legte etwa ein Merkblatt („Hinweise zur Manuskriptgestaltung und Zitierrichtlinien“) des Instituts für Germanistik der Universität Wien fest, „die grammatikalisch weibliche und männliche Form (z.B. Au tor [sic] und Autorin) oder das große Binnen-I (z.B. AutorInnen) zu verwenden.“[4] Ab Juli 2004 wurden in Linz Zusatztafeln zu Verkehrsschildern mit dem Wortlaut „RadfahrerInnen“ angebracht.[5] In Wien wurde auf eine solche Beschilderung mit dem Hinweis auf die Verwendung von ohnehin geschlechtsneutralen Piktogrammen, die Fahrräder zeigen, verzichtet. Der „Leitfaden geschlechtergerechtes Formulieren“ des Arbeitskreises Gender Mainstreaming der Landesverwaltung von Niederösterreich vom Februar 2006 empfiehlt das Binnen-I für „Textarten, die durch begrenzte Länge gekennzeichnet sind“; so schreibt etwa die Kanzleiordnung für die niederösterreichischen Landesdienststellen in der Dienstanweisung 01-01/00-0150 vom 6. Juni 2005 vor, dass in Briefvordrucken die Form „BearbeiterIn“ zu verwenden ist.[6]

Das 1995 erlassene Bundesgesetz über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit hat die amtliche Kurzbezeichnung ArbeitnehmerInnenschutzgesetz.

Alternativen

Weder die alte noch die neue deutsche Rechtschreibung lassen das Binnen-I als korrekt gelten. Stattdessen wird die Schreibung „Lehrer(innen)“ oder „Lehrer/-innen“ empfohlen.

Wo möglich, kann ein von vornherein geschlechtsneutrales Wort wie „Lehrkräfte“ verwendet werden. Dabei kann es aber zu inhaltlichen Verschiebungen kommen. So sind die oft zitierten „Studierenden“ nicht gleichbedeutend mit der Gesamtheit von Studenten und Studentinnen, ebenso sind „Singende“ nicht „Sänger“ im eigentlichen Sinn. Zudem kann bei einer Häufung geschlechtsneutraler Formulierungen die sprachliche Lebendigkeit leiden, im Extremfall kann eine formalisierte Sprache ähnlich der Wissenschaftssprache oder dem Amtsdeutsch entstehen.

In Aufzählungen kann abwechselnd die männliche und weibliche Form verwendet werden, zum Beispiel:

„Ob Rektorin oder Student, Doktorand oder Dozentin: alle sind stimmberechtigt.“

Im allgemeinen Sprachgebrauch ist es üblich, in der Anrede die grammatikalisch weibliche Variante explizit auszuformulieren und im sonstigen Sprachgebrauch sich darauf zu verlassen, dass das generische Maskulinum im jeweiligen Kontext richtig verstanden wird. Beispiele:

„Liebe Kolleginnen und Kollegen, …“
„In XYZ streiken heute die Busfahrer.“ Dies bedeutet nicht, dass die Busfahrerinnen als Streikbrecherinnen auftreten.

In einigen Publikationen ist eingangs vermerkt, dass wegen der besseren Lesbarkeit die männliche Form verwendet wird, aber ausdrücklich beide Geschlechter gemeint sind. Auch das Gegenteil ist zu finden, wenn auch seltener, dass die weibliche Form verwendet wird, aber beide Geschlechter gemeint sind.

Argumente gegen die Verwendung des Binnen-I

Kritiker bemängeln unter anderem, dass das Binnen-I, z. B. beim Vorlesen, nur noch als weibliche Form wahrgenommen werde. Durch diese Schreibung würden nicht beide Geschlechter erwähnt, sondern eine Feminisierung erzeugt. In der Praxis sei die Anwendung nicht konsequent umsetzbar, da dabei eine Fülle von Rechtschreibproblemen entstehen würde.

Das Binnen-I widerspricht den Regeln der deutschen Rechtschreibung. Die Duden-Redaktion stellt fest: „Dabei verstoßen sie aber gegen die fuer das Deutsche geltende Regel, dass es Großschreibung nur am Wortanfang (eines Substantivs) geben kann, aber nicht im Wortinnern.“ Ein Großbuchstabe darf lediglich am Anfang eines Wortes stehen, außer bei kompletter Majuskelschreibweise. Der Duden rät deshalb von der Verwendung des Binnen-I ab.[7]

Selbst einige Feministen lehnen das Binnen-I ab: „Versalien-I (StudentInnen) wird eher verarbeitet wie ein Femininum“, stellt Lisa Irmen fest.[8] Studien zeigen, dass bei Sehschwäche und bei flüchtigem Lesen das große I für ein kleines gehalten werde. Vor allem dadurch könne es zu einem „female bias“ kommen (zu der irrigen Meinung, es seien nur weibliche Personen gemeint). Oftmals werde auch beim Vorlesen nicht die Langfassung gewählt („LehrerInnen“ → „Lehrerinnen und Lehrer“), sondern die Kurzfassung „Lehrerinnen“. Durch diesen „female bias“ können sich Männer diskriminiert fühlen.

Wenn das Binnen-I beim Vorlesen durch einen Glottisschlag kenntlich gemacht wird, müssen Zuhörer sich darauf konzentrieren, ob in einem Wort dieser Laut vorkommt, um einen „female bias“ zu vermeiden. Zudem wird besonders bei längeren Texten dieser Laut häufig übergangen oder überhört. Auch hier werden dann nur noch die weiblichen Formen ausgesprochen bzw. wahrgenommen.

Wenn Wörter nur in Großbuchstaben geschrieben werden, ist das Binnen-I unter den anderen Buchstaben nicht mehr zu erkennen. So werden zum Beispiel aus „ArtistInnen“ „ARTISTINNEN“.

In vielen Texten werden zwar positiv konnotierte Personenbezeichnungen mit Binnen-I geschrieben, nicht aber negativ konnotierte (wie „VerbrecherIn“, „MörderIn“ oder „TerroristIn“). Dies widerspricht jedoch dem Grundgedanken der feministischen Linguistik, Frauen überall in der Sprache sichtbar zu machen. Eine konsequente Umsetzung würde deshalb auch das Splitten negativer Begriffe verlangen.

Ein Nachteil des Binnen-I wie auch anderer Formen der Feminisierung durch das Splitten besteht darin, dass sie nicht konsequent verwendet werden können. Dies betrifft Wörter, deren männliche Form nicht durch bloßes Anhängen des Suffixes „-in“ korrekt ins Femininum gewandelt werden kann.

Beispiel: „ArztIn“ ist falsch, weil des Femininum „Ärztin“ lautet; „ÄrztIn“ ist falsch, weil es keinen „Ärzt“ gibt.

Ein weiteres Problem entsteht bei zusammengesetzten Hauptwörtern: beim Wort „Bürgermeisterkandidat“ müsste also bei konsequenter Umsetzung (da es ja auch Bürgerinnen und Meisterinnen gibt) die geschlechtergerechte Form folgendermaßen lauten: „BürgerInnenmeisterInnenkandidatIn“ und nicht einfach „BürgermeisterkandidatIn“.

Kritiker stellen schließlich die Grundannahmen der feministischen Linguistik in Frage, die auch dem Binnen-I zugrunde liegen. In der deutschen Sprache herrsche keine Genus-Sexus-Kongruenz, das heißt, dass das grammatikalische Geschlecht keine Aussage über das natürliche Geschlecht einer Person mache, zumal es in der deutschen Sprache als drittes Geschlecht noch das Genus Neutrum gebe (vgl. „das Mädchen“, „das Kind“). Die diversen Varianten des Splittings schüfen erst die Trennung, die sie eigentlich beseitigen wollten.[9]

Einzelnachweise

  1. Wahrig Richtiges Deutsch leicht gemacht. wissenmedia Verlag, 2009, Abschnitt 604.1
  2. Bettina Jobin: Genus im Wandel. Dissertation, Stockholm 2004. S. 63 (PDF; 1,73MB)
  3. Edith Krebs: Feminismus, Sprache und Gender. Alles halb so wild. In: Die Wochenzeitung vom 2. März 2006.
  4. Hinweise zur Manuskriptgestaltung und Zitierrichtlinien, Universität Wien, 2002 (PDF; 28kb)
  5. 100 neue „weibliche“ Zusatztafeln, orf.at, 20. Juli 2005
  6. Leitfaden geschlechtergerechtes Formulieren, Arbeitskreis Gender Mainstreaming in der NÖ Landesverwaltung, Februar 2006, ISBN 3-85006-166-3, lfd.Nr. 166 (PDF; 1,61MB)
  7. Duden: Newsletter vom 26.01.2001 Wie schreibt man's richtig?
  8. Lisa Irmen: Diskriminierung und Sprache. Vortrag an der Universität Bern im November 2006. (PDF; 847kb)
  9. Wolfgang Klein in „bild der wissenschaft", Februar 2007. Zitiert nach: wissenschaft.de: Kontrovers: Feministische Linguistik, abgerufen am 17. März 2009

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