Stimmloser glottaler Plosiv

Stimmloser glottaler Plosiv
IPA-Zeichen ʔ
IPA-Zeichen-Beschreibung Art Fragezeichen ohne Punkt
IPA-Zeichen-Unicode-Code U+0294
SAMPA ?
X-SAMPA ?
Kirshenbaum ?

Der stimmlose glottale Plosiv (ein stimmloser, glottal gebildeter Verschlusslaut), auch: Knacklaut, Stimmritzenverschlusslaut, Glottisverschlusslaut, Glottisschlag, Einschaltknack, Kehlkopfverschlusslaut, glottal stop, ist in der Phonetik ein Konsonant, der durch die plötzliche, stimmlose Lösung eines Verschlusses der Stimmlippen gebildet wird. Er hat in verschiedenen Sprachen folgende lautliche und orthographische Realisierungen:

Inhaltsverzeichnis

Der Glottisschlag im Deutschen

Glottisschlag im Vokalanlaut

In den meisten Varietäten der deutschen Sprache erscheint ein Glottisschlag in den folgenden Fällen:

Geschulte Sprecher sind zwar auch in der Lage, die Stimme möglichst unmerklich einsetzen zu lassen, so dass eben kein lauter Knack hörbar wird, dennoch wird in den meisten Varietäten des Deutschen dieser stimmlose glottale Plosiv ausgesprochen.

Im Schweizer Hochdeutschen tritt der Glottisschlag oft nicht auf. Verschiedene deutsche Mundarten kennen ihn überhaupt nicht. Wenn er nicht ausgesprochen wird, dann werden die Wörter wie im Französischen oder Englischen direkt miteinander verbunden. Beispielsweise mein Auto, mit Glottisschlag: [ˌmaɪn ˈʔauto], wird dann ausgesprochen, als ob es *mei Nauto wäre [ˌmaɪn ˈauto], ebenso wie französisch une autre ‚eine andere‘ ausgesprochen wird, als ob es *u nautre wäre [yn ˈotʀə]), oder englisch an apple ‚ein Apfel‘, als ob es *a napple wäre [ən ˈæpəl].

Die systematische Verwendung eines Knacklautes bei Aussprache von Vokalen am Wortanfang ist ein typischer und schwer zu unterdrückender Aussprachefehler von vielen Deutsch-Muttersprachlern in Fremdsprachen (z. B. auf Englisch, Französisch). Umgekehrt fällt es Menschen, die Deutsch als Fremdsprache lernen, regelmäßig schwer, die Verwendung des Knacklautes nachzuahmen.

Der Glottisschlag in der Phonologie

In den meisten phonologischen Analysen des Deutschen wird der Glottisschlag nicht als eigenständiges Phonem betrachtet, sondern als phonetischer Grenzmarkierer vor Vokalanlaut, da er nicht in allen Varietäten der deutschen Standardsprache erscheint.

Sprachgeschichte

Es gibt einen Anhaltspunkt dafür, dass der Glottisschlag schon im Althochdeutschen existiert haben könnte: In Stabreimen alliterierten nur diejenigen Wörter, die mit demselben Konsonanten (bzw. Konsonantencluster) begannen. Zusätzlich war jedoch auch die Alliteration zwischen Wörtern möglich, die mit einem beliebigen Vokal begannen. Das legt die Vermutung nahe, die mit Vokal beginnenden Wörter hätten deshalb alliteriert, weil sie in Wirklichkeit auch mit demselben Konsonanten begonnen hätten, nämlich mit dem Glottisschlag.

Glottisschlag als Vokaltrenner (Hiattilger)

Im Deutschen kann der Knacklaut als Trennlaut zwischen Vokalen (Hiattilger, Diärese) dienen, wenn sie nicht zu einem Diphthong zusammengezogen werden (Synärese): zum Beispiel in Aleuten (Aussprache: [aleˈʔuːtən], nicht: *[aˈlɔʏ̯tən], oft aber auch ohne Knacklaut: [aleˈuːtən]).

Interjektionen

Im Deutschen tritt der Glottisschlag in mehreren Interjektionen auf:

Typische Seufzer setzen mit einem Glottisschlag ein.

Der Glottisschlag im Arabischen

Grapheme für das Phonem Hamz
Hamza:
ء
Madda:
آ
Wasla:
ٱ

Im Hocharabischen entspricht das Phonem ‏همز‎ / Hamz /‚Zusammenpressung[1]‘ einem stimmlosen glottalen Plosiv. In der modernen Orthographie dient das Graphem Hamza der schriftlichen Wiedergabe des Lautes.

Bis in die frühislamische Zeit war nicht Hamza Graphem für das Phonem Hamz, sondern Alif. Alif übernahm jedoch zunehmend die Funktion des Zeichens für einen langen /a/-Laut – um diese beiden Funktionen des Alif unterscheiden zu können, führte al-Farāhīdī im 8. Jahrhundert Hamza als Zusatzzeichen ein.

Hamzatu l-qatʿ und Hamzatu l-wasl

Im Arabischen kann das Phonem Hamz in zwei Formen auftreten, als Hamzat al-qatʿ / ‏همزة القطع‎ / Hamzatu l-qaṭʿ /‚Schnitt-Hamza‘ und als Hamzat al-wasl / ‏همزة الوصل‎ / Hamzatu l-waṣl /‚Kopplungs-Hamza‘. Hamzatu l-qatʿ, am Wortbeginn auch Trennungsalif genannt, ist ein vollwertiger Konsonant[2], der auch als Radikal wie in ‏قرأ‎ / qaraʾa /‚lesen‘ auftaucht und mit einer Schadda geminiert werden kann. Hamzatu l-qatʿ kann an jeder Position im Wort auftreten und in Form eines alleinstehenden Hamza ebenso verschriftlicht sein wie über oder unter einem Trägervokal oder als Madda (die genauen Schreibregeln sind im Artikel Hamza dargestellt). Ein Hamzatu l-wasl oder Verbindungsalif tritt nur am Wortanfang und nur als Alif mit Wasla auf. Das Phonem Hamz im Graphem Wasla ist nur im absoluten Anlaut (isoliert oder am Satzanfang) zu artikulieren, die Vokalisierung nur nach einem Konsonanten.[3]

Tahfīf al-hamza

Im klassischen Arabisch gelten drei Arten von tahfīf al-hamza / ‏تخفيف الهمزة‎ / taḫfīf al-hamza /‚Hamza-Verminderung‘ als akzeptiert und nicht-obligatorisch:[4]

  • hamza baina baina / ‏همزة بين بين‎ / hamza baina baina / wörtlich „Hamza zwischen zwischen“ – Abschwächung des Hamz zwischen zwei bestimmten Vokalen bis zur Nicht-Artikulierung
  • ibdāl / ‏إبدال‎ / ibdāl /‚Veränderung‘ – Veränderung der Aussprache von iʾa zu iya und uʾa zu uwa
  • hadhf / ‏حذف‎ / ḥaḏf /‚Streichung‘ – Auslassen des Hamz zwischen Vokal und Konsonant, stattdessen Dehnung des eventuell vorstehenden Kurzvokals (raʾs zu rās; sawʾat zu sawat)

/aʾa/ kann vereinfach als /ā/ ausgesprochen werden. Die Aussprache-Erleichterung Hamza baina baina nach /ū/ oder /ī/ sowie Ibdāl mit anderer Vokalisation des (zu ersetzenden) Hamza existierten zwar, wurden jedoch von arabischen Grammatikern zurückgewiesen. Treffen zwei Hamza aufeinander, zum Beispiel durch Anhängen der Fragepartikel ʾa-, wird das zweite Hamza dissimiliert und stattdessen der zwischen den Hamza gelegene Vokal obligatorisch gedehnt.[4]

Phonologische Abweichungen

In mehreren arabischen Dialekten entspricht die Artikulierung des Hamz nicht der des Hocharabischen. Bei den Taiyiʿ-Beduinen wird ein Hamza teils als [h] artikuliert, ebenso ist ha- als alte Dialektform der Fragepartikel ʾa- überliefert. Bei den arabischen Stämmen Tamīm und Qais wurde aus einem initialen Hamz ein ʿAin-Laut [ʕ]. In östlichen arabischen Dialekten ist die Aussprache des Hamza laut Jean Cantineau abgeschwächt, im Maghreb ist der Laut beinahe gänzlich verschwunden und hat seinen Phonem-Charakter verloren.[4] Laut Mary Catherine Bateson hingegen tendieren westliche Dialekte dazu, Hamza nicht zu artikulieren, während es in östlichen Dialekten erhalten blieb und teils „übertrieben“ als ʿAin ausgesprochen wird.[5]

Im ägyptischen Arabisch und teilweise in syrischen Dialekten wird Qāf, im Hocharabischen das Graphem für den stimmlosen uvularen Plosiv [q], außer in Buchwörtern wie Hamza als Glottisschlag ausgesprochen.[6] [7] Ein „ziemlich häufig“ auftretendes Phänomen in der Volkssprache ist Gotthold Weil zufolge das Artikulieren eines initialen Hamza als [w] oder [j] und nennt mit dem Ausfall eines initialen Hamza (Beispiel: statt ʾabū) eine weitere Abweichung im Vulgärarabischen. Einige Sprachpuristen lesen das Dehnungsalif als Hamza.[8]

Arabische und westliche Lehrmeinungen

Hamz selbst ist stimmlos, doch trennten arabische Grammatiker das konsonantische Element des Hamz nicht von dem mit dem Hamz artikulierten Vokal und beschrieben Hamz deswegen als stimmhaft. al-Farāhīdī schien in Hamz gar kein konsonantisches Element zu erkennen[4] und führte den Laut nicht unter den Gutturalen auf.[9] Seiner Ansicht nach hätte Hamz wie auch Alif, Wāw und Yāʾ gar keine Artikulationsstelle, vielmehr sei die ganze Mundhöhle für diese Laute reserviert. az-Zamachscharī beschrieb den Artikulationsort von Hamz wie beim ‏ه‎ / h und ‏ا‎ / ā als aqsā l-halq / ‏أقصى الحلق‎ / aqsā l-ḥalq /‚hinterster Teil der Kehle‘,[10] Hamz wurde sodann dem stimmlosen glottalen Frikativ als stimmhaftes Ebenbild gegenübergestellt.[4]

Sībawaihi und az-Zamachscharī beschrieben Hamza darüber hinaus als den am tiefsten artikulierten der sieben Kehlbuchstaben Hamza, ‏ه‎, ‏ا‎, ‏ع‎ / ʿ, ‏ح‎ / , ‏غ‎ / ġ und ‏خ‎ / .[10]

Richard Lepsius zufolge wurde Hamz von Orthoepisten sowohl den tönenden, nicht-spirierenden als auch den festen, explosiven Lauten zugeordnet. Zu den tönenden Lauten gehöre es, „weil es auslautend einen tönenden Nachschlag annimmt, ohne den es gar nicht ausgesprochen werden kann; es kann dagegen nicht aspiriert werden […]; sie gehört zu den vollkommenen Explosiven, weil ein wirklicher Organschluss statt findet […].“ Da Hamz „nur das eine tönende Element des Nachschlags, nicht das des Vorschlags“ habe, widersprach Lepsius Georg August Wallin[11], der Hamz als Media und hurūf al-qalqala / ‏حروف قلقلة‎ / ḥurūfu l-qalqalatu /‚Knall- oder Nachschlagsbuchstaben‘ (arabische Kategorie mit den üblicherweise fünf Konsonanten ‏ق‎ / q, ‏ب‎ / b, ‏ط‎ / , ‏ج‎ / ǧ und ‏د‎ / d mit vokalischem Element) klassifiziert hatte.[12]

Ibn Qutaiba sprach sich für eine nur von grammatikalischen Gesichtspunkten aus geregelte Aussprache aus und entsagte sich somit Tahfīf al-hamza.[13] Richtlinien zur korrekten Anwendung von Tahfīf al-hamza finden sich in den Lehrschriften von Ibn Dschaʿīsch, Sībawaihi und az-Zamachscharī später anschloss.[14] Ibn al-Anbārī widmete sich in seinem Kitāb al-ansāf den Kontroversen der Kufenser und Basrenser über die korrekte arabische Grammatik – unter den behandelten Themen finden sich auch Meinungsverschiedenheiten zu Tahfīf al-hamza.[15]

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Gotthold Weil: Die Behandlung des Hamza-Alif im Arabischen besonders nach der Lehre von az-Zamaḫšarî und Ibn al-Anbârî. In: Zeitschrift für Assyriologie und verwandte Gebiete, Band 19, 1905-06, S. 1-63. S. 12
  2. El-Said M. Badawi, M. G. Carter, Adrian Gully: Modern written Arabic: a comprehensive grammar. Routledge, 2004. ISBN 9780415130851; S. 11-14
  3. Gotthold Weil: Die Behandlung des Hamza-Alif im Arabischen besonders nach der Lehre von az-Zamaḫšarî und Ibn al-Anbârî. In: Zeitschrift für Assyriologie und verwandte Gebiete, Band 19, 1905-06, S. 1-63. S. 7
  4. a b c d e The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Band 3. 1971; S. 150-152
  5. Mary Catherine Bateson: Arabic language handbook. Georgetown University Press, 2003. ISBN 9780878403868; S. 76
  6. Bernard Lewin: Notes on Cabali. The Arabic Dialect Spoken by the Alawis of “Jebel Ansariye”. Göteborg 1969; S. 3f
  7. Lexus: Egyptian Arabic. Rough Guide Phrasebook. Rough Guides, 2003. ISBN 9781843531746; S. 10
  8. Gotthold Weil: Die Behandlung des Hamza-Alif im Arabischen besonders nach der Lehre von az-Zamaḫšarî und Ibn al-Anbârî. In: Zeitschrift für Assyriologie und verwandte Gebiete, Band 19, 1905-06, S. 1-63. S. 21-24
  9. Richard Lepsius: Über die arabischen Sprachlaute und deren Umschrift: nebst einigen Erläuterungen über den harten i-Vocal in den tartarischen, slavischen und der rumänischen Sprache. Dümmler, 1861; S. 128
  10. a b Gotthold Weil: Die Behandlung des Hamza-Alif im Arabischen besonders nach der Lehre von az-Zamaḫšarî und Ibn al-Anbârî. In: Zeitschrift für Assyriologie und verwandte Gebiete, Band 19, 1905-06, S. 1-63. S. 8
  11. Richard Lepsius: Über die arabischen Sprachlaute und deren Umschrift: nebst einigen Erläuterungen über den harten i-Vocal in den tartarischen, slavischen und der rumänischen Sprache. Dümmler, 1861; S. 129
  12. G. A. Wallin: Ueber die Laute des Arabischen und ihre Bezeichnung. In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Band 9, 1855, S. 1-69. S. 10
  13. Gotthold Weil: Die Behandlung des Hamza-Alif im Arabischen besonders nach der Lehre von az-Zamaḫšarî und Ibn al-Anbârî. In: Zeitschrift für Assyriologie und verwandte Gebiete, Band 19, 1905-06, S. 1-63. S. 5
  14. Gotthold Weil: Die Behandlung des Hamza-Alif im Arabischen besonders nach der Lehre von az-Zamaḫšarî und Ibn al-Anbârî. In: Zeitschrift für Assyriologie und verwandte Gebiete, Band 19, 1905-06, S. 1-63. S. 16-18
  15. vgl. Gotthold Weil: Die Behandlung des Hamza-Alif im Arabischen besonders nach der Lehre von az-Zamaḫšarî und Ibn al-Anbârî. In: Zeitschrift für Assyriologie und verwandte Gebiete, Band 19, 1905-06, S. 1-63. S. 42ff

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