Gruppenoperation

Gruppenoperation

Durch eine Gruppenoperation, -aktion oder -wirkung werden in der Mathematik die Elemente einer Gruppe so mit Selbstabbildungen einer Menge identifiziert, dass dabei immer das Produkt zweier Gruppenelemente mit der Hintereinanderausführung der zugehörigen Abbildungen identifiziert wird.

Die Gruppenoperation ermöglicht es in der Algebra, der Geometrie und vielen anderen Bereichen der Mathematik, die Symmetrien von Objekten mit Hilfe von Symmetriegruppen zu beschreiben. Hier steht die Untersuchung der Menge, auf der die Operation wirkt, im Vordergrund, und die operierende Gruppe ist häufig von vornherein als Gruppe von Abbildungen gegeben.

Andererseits kann die Operation einer vorgegebenen Gruppe auf geeignet gewählten Mengen in der Gruppentheorie wichtige Informationen über die Struktur der operierenden Gruppe liefern. Dabei steht die Untersuchung der operierenden Gruppe im Vordergrund.

Inhaltsverzeichnis

Einführendes Beispiel: Operation der Symmetriegruppe eines Würfels auf den Raumdiagonalen

Cube rotation and reflection (de).svg

ABCDEFGH seien die Ecken eines Würfels in der üblichen Bezeichnung, d. h. ABCD und EFGH sind gegenüberliegende Flächen (siehe erstes Bild). Die Drehung des Würfels um die Achse, die die Mittelpunkte dieser beiden Flächen verbindet (zweites Bild), induziert die folgenden Vertauschung der Ecken:

A\mapsto B\mapsto C\mapsto D\mapsto A,\quad E\mapsto F\mapsto G\mapsto H\mapsto E.

Durch die Drehung werden auch die Raumdiagonalen vertauscht, nämlich

AG\mapsto BH\mapsto CE\mapsto DF\mapsto AG.

Es gibt aber auch Symmetrieabbildungen des Würfels, die die Raumdiagonalen nicht untereinander vertauschen, nämlich die Punktspiegelung am Mittelpunkt (drittes Bild): Sie entspricht

A\mapsto G\mapsto A,\quad B\mapsto H\mapsto B,\quad C\mapsto E\mapsto C,\quad D\mapsto F\mapsto D.

Dabei wird jede einzelne Raumdiagonale zwar gespiegelt, aber auf sich selbst abgebildet.

Man sagt: Die Gruppe der Symmetrieabbildungen des Würfels operiert auf der Menge der Raumdiagonalen.

Dieser Umstand erlaubt es, Rückschlüsse auf die Gruppe zu ziehen. Dazu stellt man fest, dass es zu jedem Paar von Raumdiagonalen eine Symmetrieabbildung gibt, die diese beiden vertauscht und die anderen beiden fest lässt, nämlich die Spiegelung an der Ebene, die die beiden anderen Raumdiagonalen enthält. Aus den allgemeinen Eigenschaften der symmetrischen Gruppe folgt damit, dass es zu jeder Permutation der Raumdiagonalen eine entsprechende Symmetrieabbildung gibt. Da es 4! = 24 dieser Permutationen gibt und genau zwei Symmetrieabbildungen, die alle Raumdiagonalen festlassen (nämlich die Identität und die oben genannte Punktspiegelung), kann man schließen, dass es insgesamt

24\cdot 2=48

Symmetrieabbildungen des Würfels gibt, ohne jede von ihnen einzeln zu kennen. (Für eine genauere Analyse der Gruppenstruktur siehe Oktaedergruppe.)

Definition

Eine (Links-)Operation, (Links)wirkung oder (Links)aktion einer Gruppe (G, \circ) auf einer Menge X ist eine zweistellige Verknüpfung G \times X \to X mit der Zuordnungsvorschrift

(g,x) \mapsto g \cdot x

die die folgenden Eigenschaften erfüllt:

  • e \cdot x = x für alle x \in X und das neutrale Element e von G.
  • (g \circ h) \cdot x = g \cdot (h \cdot x) für alle g,h\in G, x \in X.

Die Menge X wird G-Menge genannt und G operiert auf X (von links).

Aus den beiden Axiomen folgt, dass für jedes g \in G die Funktion \alpha_g: X \to X mit \alpha_g(x) = g \cdot x eine bijektive Abbildung ist. (Die Umkehrabbildung ist \alpha_{g^{-1}}(x) = g^{-1} \cdot x.) Deswegen ist eine Gruppenoperation von G auf X im Wesentlichen das gleiche wie ein Gruppenhomomorphismus von G in die symmetrische Gruppe S(X).

Analog zur Linksoperation lässt sich eine Rechtsoperation X \times G \to X durch die beiden Axiome

  • x \cdot e = x für alle x \in X und das neutrale Element e von G
  • x \cdot (g \circ h) = (x \cdot g) \cdot h für alle g,h\in G, x \in X

definieren.

Der Unterschied zwischen Links- und Rechtsoperationen liegt in der Art und Weise, wie Produkte gh auf X operieren. Bei einer Linksoperation operiert zuerst h und dann g, während bei einer Rechtsoperation die Reihenfolge umgekehrt ist. Aus einer Rechtsoperation lässt sich eine Linksoperation konstruieren, indem statt g von links g − 1 von rechts operiert. Ist r eine Rechtsoperation, dann ist l \colon G \times X \to X mit der Zuordnungsvorschrift

(g,x) \mapsto r(x, g^{-1})

eine Linksoperation, da

\begin{align}
l(gh, x) &= r(x, (gh)^{-1})\\
         &= r(x, h^{-1}g^{-1})\\
         &= r\bigl(r(x,h^{-1}), g^{-1}\bigr)\\
         &= r\bigl(l(h, x), g^{-1}\bigr)\\
         &= l\bigl(g, l(h, x)\bigr)
\end{align}

und

l(e, x) = r(x, e^{-1}) = x \cdot e = x.

Auf ähnliche Weise lässt sich eine Links- in eine Rechtsoperation umwandeln. Da sich Links- und Rechtsoperation im Wesentlichen nicht unterscheiden, werden ab hier nur noch Linksoperation betrachtet.

Begriffe im Zusammenhang mit Gruppenoperationen

Bahn

Es sei M eine Menge mit einer G-Linksoperation.

  • Für ein m\in M nennt man
G\bullet m = \{g\bullet m\mid g\in G\}
die Bahn oder den Orbit von m. Die Bahnen bilden eine Partition von M. Die Anzahl der Elemente einer Bahn (bzw. ihre Mächtigkeit) wird auch die Länge der Bahn genannt.
m1m2, falls es ein g\in G gibt, für das g \bullet m_1=m_2 gilt.
Die Menge der Äquivalenzklassen wird mit G\backslash M bezeichnet und Bahnenraum genannt. (Für eine Rechtsoperation ist die Notation M / G.)
  • Gibt es zu je zwei Elementen m_1,m_2\in M ein g\in G, so dass g \bullet m_1=m_2 gilt, so heißt die Operation transitiv. In diesem Fall gibt es nur eine einzige Bahn.
  • Gibt es sogar zu je vier Elementen m_1,m'_1,m_2,m'_2\in M mit m_1\ne m'_1 und m_2\ne m'_2 ein g\in G, so dass sowohl g \bullet m_1=m_2 als auch g \bullet m'_1=m'_2 gilt, so heißt die Operation zweifach transitiv. Analog hierzu: dreifach transitiv usw.

Stabilisator

  • Für ein m\in M nennt man
G_m = \{g\in G\mid g\bullet m=m\}
den Stabilisator oder die Isotropiegruppe oder die Fixgruppe oder die Standuntergruppe von m. Gm ist eine Untergruppe von G. Die Operation definiert eine kanonische Bijektion zwischen den Nebenklassen des Stabilisators und der Bahn:
G/G_m\cong G\bullet m,\quad gG_m\mapsto g\bullet m.
Gm operiert (durch Einschränkung der gegebenen Operation) auf M\setminus\{m\}. Ist diese Operation n-fach transitiv (n\ge 1) und G_m\ne G, so ist die Operation von G auf M sogar (n + 1)-fach transitiv.
  • Ist N\subseteq M eine Teilmenge und H\subseteq G eine Untergruppe, und gilt
H\odot N\subseteq N mit H\odot N:=\{h\bullet n\mid h\in H,n\in N\},
so sagt man, dass N stabil unter H ist oder dass N von H stabilisiert wird. Es gilt dann stets sogar H\odot N=N. Der Stabilisator eines Punktes m\in M ist also die maximale Untergruppe von G, die {m} stabilisiert.
  • Folgt aus g\bullet m=m für ein m\in M, dass g = e gilt, so heißt die Operation frei. Dies ist äquivalent dazu, dass sämtliche Stabilisatoren trivial sind, d. h. Gm = {e} für alle m\in M.
  • Folgt aus g\bullet m=m für alle m\in M, dass g = e gilt, so heißt die Operation treu bzw. effektiv. Dies ist äquivalent dazu, dass der zugehörige Homomorphismus G\to\operatorname{Sym}(M) injektiv ist.
  • Wenn N eine weitere Menge mit einer G-Linksoperation * ist und f:M\to N eine Abbildung, so dass für alle g\in G und für alle m\in M gilt
f(g\bullet m)=g* f(m),
dann heißt f G-äquivariante Abbildung oder auch Homomorphismus von G-Mengen.

Operationen auf allgemeineren Objekten

Ist M eine abelsche Gruppe und G eine Gruppe, so ist durch einen Gruppenhomomorphismus

G\to\operatorname{Aut}M;

eine Linksoperation auf M gegeben, die zusätzlich die Gruppenstruktur auf M respektiert. Dabei ist \operatorname{Aut}M die Gruppe der Automorphismen von M als abelsche Gruppe.

Äquivalent dazu kann man eine solche Operation auch beschreiben durch eine Abbildung

G\times M\to M,

die eine Linksoperation auf M als Menge definiert und zusätzlich kompatibel zur Struktur von M ist, d. h.

g\cdot(m+n)=g\cdot m+g\cdot n für g\in G,m,n\in M

erfüllt. Eine abelsche Gruppe mit einer derartigen G-Operation wird auch G-Modul genannt.

Ist allgemeiner M ein Objekt einer beliebigen Kategorie, so kann eine strukturverträgliche Operation einer (abstrakten) Gruppe G auf M definiert werden als ein Gruppenhomomorphismus

G\to\operatorname{Aut}M;

dabei ist \operatorname{Aut}M die Gruppe der Automorphismen von M im kategorientheoretischen Sinne. Die oben genannten Operationen von Gruppen auf Mengen oder abelschen Gruppen sind Spezialfälle.

Beispiele

Linkstranslation

(Einiges davon könnte z. B. in einen Artikel Faktorgruppe.)

Ein Beispiel einer Operation ist die Linkstranslation (Linksmultiplikation) innerhalb einer Gruppe (G, \cdot , e). Definiert man die Wirkung s \bullet t := l_s(t) := s \cdot t, dann operiert G auf sich selbst, denn es ist e \bullet s= e \cdot s = s und (s \cdot t) \bullet x = (s\cdot t) \cdot x = s \cdot (t \cdot x) = s \bullet (t \bullet x).

T ist die Abbildung, die jedem Element s die Linkstranslation mit s, l_s: \ G \rightarrow G, zuordnet. Diese Zuordnung T ist ein injektiver Gruppenhomomorphismus, man erhält hieraus den

Satz von Cayley: Jede endliche Gruppe der Ordnung n ist isomorph zu einer Untergruppe der symmetrischen Gruppe Sn.

Analoges gilt auch für die Rechtstranslation s \circ x := x \cdot s.

Betrachtet man eine Untergruppe H von G, dann operiert auch H durch die Linkstranslation auf G. Die Bahn H \cdot s eines Elements s von G heißt Rechtsnebenklasse von s. Die Menge aller Rechtsnebenklassen bezeichnet man mit

H\G,

ihre Mächtigkeit mit

G : H := |H \backslash G|.

Da die Linkstranslation eine Bijektion ist, gilt | Hs | = | H | für jedes s aus G. Daraus folgt mit der Bahnengleichung (s.u.) der

Satz von Euler-Lagrange: Für jede Untergruppe H einer endlichen Gruppe G gilt
|G| = (G : H) \cdot |H|.
Insbesondere ist die Ordnung von H ein Teiler der Ordnung von G.

Betrachtet man stattdessen die Rechtstranslation von H auf G, dann nennt man die Bahn sH von s seine Linksnebenklasse. Man beachte, dass im allgemeinen nicht sH = Hs sein muss. Die Menge aller Linksnebenklassen bezeichnet man mit G / H. Man kann zeigen, dass es genauso viele Linksnebenklassen wie Rechtsnebenklassen gibt, dass also

G:H = | G / H | .

Eine Untergruppe H von G heißt Normalteiler, wenn sH = Hs für alle s aus G gilt. Ist H ein Normalteiler von G, dann wird durch

sH \cdot tH := (s \cdot t)H

eine wohldefinierte Verknüpfung von G/H definiert, mit der G/H eine Gruppe ist, man nennt sie die Faktorgruppe G modulo H.

Konjugation

Eine Gruppe G operiert auf sich durch die Konjugation g \cdot h = ghg^{-1}. Die Automorphismen fg(h) = ghg − 1 heißen innere Automorphismen, die Menge aller inneren Automorphismen wird mit Inn(G) bezeichnet.

Automorphismengruppe einer Körpererweiterung

Ist L/K eine Körpererweiterung, dann bezeichnet man mit Aut(L/K) die Gruppe aller Automorphismen von L, die K punktweise fest lassen. Diese Gruppe operiert auf L durch f.x := f(x). Jede Bahn besteht aus den in L liegenden Nullstellen eines Polynoms mit Koeffizienten in K, das über K irreduzibel ist. Elemente derselben Bahn nennt man hier konjugiert über K, sie haben dasselbe Minimalpolynom über K.

Andere Beispiele

Man kann die skalare Multiplikation eines Vektorraums V mit seinem Grundkörper K als Operation auffassen: x.v := x*v. Dabei ist die multiplikative Gruppe K* die Gruppe G und V die Menge M.

Eigenschaften

Operiert die Gruppe (G, \cdot ) auf M, dann bilden die Bahnen eine Zerlegung von M, das heißt: Je zwei Bahnen sind disjunkt oder gleich, und jedes Element von M liegt in einer Bahn. Denn man kann die folgende Äquivalenzrelation "" definieren:

Sind x,y aus M, dann ist x\  \sim  y, falls ein s in G existiert, so dass s \bullet x = y ist.

Die Äquivalenzklassen dieser Relation sind genau die Bahnen. Daraus folgt die

Bahnengleichung: Die Mächtigkeit von M ist gleich der Summe über die Länge aller Bahnen.

Genauer gilt der Bahnensatz: Ist x aus M, dann ist die Abbildung i: G/G_x \longrightarrow G \bullet x mit  i(s \cdot G_x) := s \cdot x eine Bijektion.

Aus dieser Bijektion folgt für eine endliche Gruppe G die Bahnformel

|G \bullet x| \cdot |G_x| = |G|.

Insbesondere ist die Länge jeder Bahn ein Teiler der Ordnung von G.

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