Alija Bet

Alija Bet

Alija Bet (hebr.: 'עלייה ב) war der Codename für die Einwanderung tausender Juden aus Europa in das Britische Mandatsgebiet Palästina von 1934 bis zur Staatsgründung Israels 1948. Da die britische Regierung für die Einwanderung strikte Quoten festgelegt hatte bzw. zeitweise jede Einwanderung vollständig verboten hat, war diese Einwanderungswelle nach britischem Recht illegal. Ihr wurde von der Mandatsmacht dadurch begegnet, dass jüdische Flüchtlinge aufgegriffen und in Internierungslager auf Zypern verbracht wurden. Im heutigen Israel wird diese Einwanderung auch als Ha'apala (העפלה) bezeichnet.

Das Hagana Schiff Jewish State im Hafen von Haifa, 1947
Die Exodus bei ihrer Ankunft im Hafen von Haifa, 20. Juli 1947
Durchbruch der Blockade Palästinas mit der United Nations durch jüdische Einwanderer und Landung in der Nähe von Naharija, 1948

Die Bezeichnung Alija Bet ergibt sich daraus, dass es sich um die zweite, inoffizielle große Einwanderungswelle (Alija) nach Palästina neben der offiziellen Einwanderung im Rahmen der Quoten handelte und Bet der zweite Buchstabe des hebräischen Alphabets ist.

Inhaltsverzeichnis

Die Lage der Juden in Europa

Das Weißbuch von 1939 sah für einen fünfjährigen Zeitraum die Einwanderung von maximal 75.000 Juden nach Palästina vor. Die Kriegsumstände erlaubten es zudem nur wenigen Juden, aus dem deutsch besetzten Europa und damit vor dem Holocaust zu fliehen. Die Lage änderte sich durch die Befreiung Europas durch die Alliierten und das Ende des Krieges 1945. Viele Holocaust-Überlebende (auf Hebräisch Sh'erit ha-Pletah genannt) versuchten nun, aus den Ländern, in denen sie der Verfolgung ausgesetzt gewesen waren, zu entkommen und nach Palästina zu gelangen. Rund 250.000 Juden, häufig im Zustand extremer Unterernährung und Auszehrung, waren nach ihrer Befreiung aus Konzentrationslagern oder Verstecken zunächst so genannte Displaced Persons, die sich einige Zeit in DP-Lagern aufhielten, oder gelangten aus osteuropäischen Staaten mit der Untergrundbewegung Bricha nach Palästina. Während General Patton zunächst daran dachte, die überlebenden osteuropäischen Juden wieder in ihre Heimat zurückzuführen, stieß diese Idee auf starken jüdischen Widerstand. Ganz Ost- und Ostmitteleuropa stand unter sowjetrussischer Besatzung, außerdem kam es mit dem Pogrom von Kielce 1946 zu einem dramatischen Ausbruch des Antisemitismus in Polen. Die humanitäre Unterstützung wurde überwiegend von der UNRRA geleistet; in Deutschland richtete die britische Besatzungsmacht in Bergen-Belsen ein zentrales Aufnahmelager für jüdische DPs ein, während in der US-amerikanischen Zone die Juden auf unterschiedliche Lager verteilt wurden. Während die britischen Besatzungsbehörden die Juden in Deutschland unter strikter Kontrolle und Beobachtung hielten, gerade auch um eine massenhafte Einwanderung nach Palästina zu vermeiden, gewährten die US-Behörden ihnen in ihrer Zone möglichst umfassende Freiheiten und Unterstützung. Die Unterbringung jüdischer Überlebender als Displaced Persons auf dem Gelände ehemaliger Konzentrations- oder Kriegsgefangenenlager wurde in der amerikanischen Berichterstattung als unzumutbar empfunden - zumal die erneut Internierten mangels anderer Kleider oft noch die alte Lagerbekleidung trugen -, was mit dazu beitrug, dass General Patton im September 1945 durch Eisenhower abgelöst wurde.

Die Juden selbst begannen sich unterdessen zu organisieren. Bereits am 25. Juli 1945 trafen Delegationen aus verschiedenen DP-Lagern zu einer gemeinsamen Konferenz im Lager St. Ottilien zusammen, wo ein 14-Punkte-Programm erarbeitet wurde, das insbesondere die Schaffung eines jüdischen Staates in Palästina entsprechend der Balfour-Deklaration vorsah. Ein Zentralkomitee der befreiten Juden wurde ins Leben gerufen, das von den US-Militärbehörden am 7. September 1946 in Frankfurt am Main als Verhandlungspartner akzeptiert wurde. Während sich lediglich rund 10.000 Juden - oft solche, die aus deutschen oder deutschsprachigen Familien stammten - dazu entschlossen, in Deutschland zu bleiben (siehe Zentralrat der Juden in Deutschland), gingen rund 80.000 in die Vereinigten Staaten, 136.000 erreichten dagegen trotz aller Hindernisse das als Gelobtes Land empfundene Palästina.

Die Organisation der Einwanderung

Es stellte sich das Problem der praktischen Umsetzung der Einwanderung über mehrere tausend Kilometer hinweg und möglichst ohne dabei von den Briten beobachtet zu werden. Hierfür wurde der Mossad le Alija Bet geschaffen, der die entsprechenden Aufgaben koordinierte und der als ein Zweig der Hagana, also der jüdischen Milizen, angesehen werden kann. Zu den wichtigsten Aufgaben dieser Organisation gehörte das Beschaffen von Schiffen, mit denen die Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Palästina verschafft werden konnten, da eine Einreise auf dem Landweg zu unpraktikabel erschien. Als erste Sammelstellen in Deutschland waren die DP-Lager von Bad Reichenhall und Leipheim im US-amerikanischen sowie das von Gailingen im französischen Sektor vorgesehen. Von hier aus ging die Reise in Lastwagen, per Bahn oder auch auf Fußmärschen nach Italien und Südfrankreich, wo die Schiffe die Flüchtlinge, unter ihnen auch viele Frauen und Kinder, aufnahmen. US-amerikanische, französische und italienische Stellen stellten sich dieser Wanderungsbewegung nicht entgegen, stellenweise gaben sie sogar logistische Unterstützung. Insgesamt standen den Juden 120 Schiffe zur Verfügung, die 142 Überfahrten von Südeuropa nach Palästina unternahmen, sodass bei über 100.000 Flüchtlingen im Schnitt rund 1.000 Passagiere pro Schiff befördert werden konnten, manche Schiffe nahmen aber auch ein Vielfaches davon auf und waren entsprechend hoffnungslos überladen, was zu zum Teil unhaltbaren Zuständen an Bord führte. Zu diesen Schiffen gehörten Nora, Struma sowie die berühmte Exodus (dessen eigentlicher Name President Warfield lautete), die am 11. Juli 1947 mit nicht weniger als 4.515 Passagieren in Sète in Südfrankreich ablegte. Wie andere Schiffe vorher wurde auch die Exodus vor der palästinensischen Küste von britischen Kriegsschiffen gestoppt und die Passagiere sollten angeblich in Zypern interniert werden. Die Briten hatten hier Lager bei Famagusta, Nikosia, Dekelia und Xylotymbou eingerichtet, die nach Aufnahme von 50.000 Juden an ihre Kapazitätsgrenzen stießen und durch das Bild von Juden hinter Stacheldraht die Weltöffentlichkeit gegen das britische Vorgehen aufbrachte. Dies umso mehr, als die Briten die Flüchtlinge erst nach Frankreich und später nach Deutschland zurückbrachten, wo sie in Hamburg an Land gesetzt und in britische Lager verbracht wurden. Solche Maßnahmen und die Tatsache, dass bei den Überfahrten über 1.600 Flüchtlinge im Mittelmeer ertranken, führte auch in Großbritannien zunehmend zum Umdenken. Der internationale Druck sorgte dafür, dass sich die Briten bereiterklärten, das Palästina-Mandat im Mai 1948 aufzugeben. Mit der Gründung des Staates Israel war auch die Einwanderung legalisiert und die jüdischen Flüchtlinge waren nicht länger auf konspirative Methoden angewiesen. Die Alija setzte sich auch in den folgenden Jahren fort, nahm allerdings an Intensität allmählich ab und betraf auch weniger die Juden in Europa, sondern jene in den arabischen Staaten.

Literatur

  • Ronald Friedmann: Exil auf Mauritius 1940 bis 1945. Das Schicksal emigrierter Juden. Report einer "demokratischen" Deportation, Edition Ost, Berlin 1998 ISBN 3-932180-29-1
  • Ruth Gruber: Exodus 1947: The Ship that Launched a Nation, 1999 ISBN 0-8129-3154-8
  • David C. Holly: Exodus 1947, 1995 ISBN 1-55750-367-2
  • Gershon Erich Steiner: Die Geschichte der Patria, Olamenu, Tel Aviv 1973, ohne ISBN, englisch: Story of the Patria, 1982 ISBN 0-8052-5036-0

Weblinks


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