- Hans Georg Calmeyer
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Hans Georg Calmeyer (* 23. Juni 1903 in Osnabrück; † 3. September 1972 ebenda) war ein Rechtsanwalt, der von 1941 bis 1945 3.500 Juden in den von Deutschland besetzten Niederlanden das Leben rettete, was ihn als „Schindler aus Osnabrück“ bekannt machte.[1]
Inhaltsverzeichnis
Leben
Calmeyer studierte in Freiburg im Breisgau, Marburg und München Jura. Als Mitglied eines rechtsnationalen Freikorps nahm er 1923 an Hitlers Putschversuch teil. Später ließ er sich als Rechtsanwalt in Osnabrück nieder, wo er einen exzellenten Ruf als Jurist genoss. Sein Sohn Peter wurde 1930 geboren. 1933 wurde Calmeyer die Zulassung als Anwalt wegen „Betätigung im kommunistischen Sinne“ entzogen, die er erst nach zehn Monaten zurückerhielt, nachdem er dem Nationalsozialistischen Kraftfahrerkorps beigetreten war. Später war Calmeyer auch Mitglied des Bundes Nationalsozialistischer Deutscher Juristen, allerdings nicht der NSDAP.
Im Mai 1940 nahm Calmeyer als Soldat einer Luftnachrichtenkompanie am Einmarsch der Wehrmacht in die Niederlande teil. 1941 wurde er zum „Reichskommissariat für die besetzten niederländischen Gebiete“ abkommandiert. Dort wurde er zum Leiter der Abteilung „Innere Verwaltung“, zu der auch das „Judenreferat“ gehörte. Der Verwaltungsjurist ermöglichte den niederländischen Juden die Klärung rassischer Zweifelsfälle bei der deutschen Besatzungsverwaltung in Den Haag. Anders als im Deutschen Reich konnten Juden ihre Registrierung als „Volljuden“ anzweifeln und durch Abstammungsnachweise einen Gegenbeweis liefern, wodurch zahlreiche Menschen z. T. aufgrund mündlicher Aussagen als „Halbjuden“ oder „Vierteljuden“ eingruppiert wurden. Calmeyer nutzte diese Position, um – in seinen eigenen Worten – „ein Rettungsfloß zu bauen“. Er akzeptierte sogar gefälschte Abstammungspapiere, die die Betroffenen als Arier oder Halbjuden auswiesen und riet zu vielen anderen Tricks. Trotz einer Verwarnung durch das NS-Regime ließ er sich davon nicht abhalten. Etwa 5.700 Menschen wurden durch Calmeyers Behörde als „Zweifelsfälle“ eingestuft und mindestens 3.700 von ihnen vor dem sicheren Tod gerettet. Allerdings waren die Entscheidungen zu Lasten der ca. 2.000 „Zweifelsfälle“ gleichbedeutend mit einem Todesurteil, denn sie teilten das Schicksal der ca. 140.000 niederländischen Juden, die die Deutschen in die Konzentrationslager deportieren ließen, von denen etwa 75 % dort oder auf dem Wege dorthin den Tod fanden. Somit zählte Calmeyer zu den vom ehemaligen Bundespräsidenten Johannes Rau so bezeichneten „Menschen, die geholfen haben, aber durch ihre Verstrickung in das Unrechtsregime auch schuldig geworden sind“.
Rezeption
Sein Wirken war nahezu vergessen, bis in den 1980er Jahren eine Initiative zu seinem Gedenken entstand.
Am 8. November 1988 benannte die Stadt Osnabrück eine Straße im Baugebiet am Natruper Holz nach Hans-Calmeyer. Später hatte man die Absicht, einen zentraler gelegenen Platz nach Hans Calmeyer zu benennen. Aus diesem Grund wurde am 25. April 1989 die Hans-Calmeyer-Straße in Fritz-Berend-Straße umbenannt und der bis dahin unbenannte Platz, der durch die Einmündungen der Blumenthalstraße, Friedrichstraße und Roonstraße in die Lotter Straße gebildet wird, zum Hans-Calmeyer-Platz getauft.
Am 4. März 1992 verlieh Yad Vashem Hans Calmeyer postum den Titel „Gerechter unter den Völkern“.
Die Stadt Osnabrück verlieh Hans-Georg Calmeyer am 2. Januar 1995 in Anwesenheit des Sohnes Prof. Dr. Peter Calmeyer und des israelischen Botschafters Avi Primor postum die Justus-Möser-Medaille, die höchste Auszeichnung der Stadt. Seine Grabstätte ist auf dem Heger Friedhof in Osnabrück zu finden.
Am 9. April 2010 wurde ihm zu Ehren im niederländischen Zwolle die Ausstellung „Judenretter in deutschem Dienst“ eröffnet.[1]
Literatur
- Joachim Castan/Thomas F. Schneider (Hg.): Hans Calmeyer und die Judenrettung in den Niederlanden; Katalog zur gleichnamigen Ausstellung. Göttingen: V&R unipress 2003. ISBN 3-89971-122-X [Bestmögliche Einführung zum Thema].
- Mathias Middelberg, Judenrecht, Judenpolitik und der Jurist Hans Calmeyer. V&R Unipress, Göttingen 2005, ISBN 3-89971-123-8
- Peter Niebaum: Ein Gerechter unter den Völkern. Hans Calmeyer in seiner Zeit (1903-1972). Hrsg. von Rolf Düsterberg, Siegfried Hummel u. Tilman Westphalen. Bramsche: Rasch Verlag 2003 (2. korr. u. erweiterte Aufl.). ISBN 3-89946-002-2
Einzelnachweise
Weblinks
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