Hedwig Jahnow

Hedwig Jahnow

Hedwig Jahnow (* 21. März 1879 in Rawitsch; † 23. März 1944 in Theresienstadt) war eine Alttestamentlerin, erste Frau im Magistrat der Stadt Marburg und stellvertretende Schulleiterin an der Marburger Elisabethschule sowie ein Opfer des Nationalsozialismus.

Leben

Hedwig Jahnow wurde im März 1879 als Hedwig Inowraclawer geboren. Ihr Vater Alfred war Lehrer an einem Gymnasium im schlesischen Oels. Um eine Chance auf eine Verbeamtung zu haben, legte Hedwig Jahnows Vater den jüdischen Nachnamen ebenso wie seinen ursprünglichen Vornamen Aaron ab und trat vom jüdischen zum evangelischen Glauben über.

Die junge Hedwig Jahnow

Hedwig Jahnow bestand bereits im November 1898, also im Alter von 19 Jahren, die Lehrerinnenprüfung für höhere und mittlere Mädchenschulen. Zuvor war sie Schülerin an den privaten höheren Mädchenschulen in Breslau und Strehlen und von 1895 bis 1898 besuchte sie drei Jahre ein privates Lehrerinnenseminar in Berlin. Ihre ersten beiden Lehreranstellungen hatte Jahnow in der Zeit von Herbst 1899 bis Frühling 1900 beziehungsweise von Frühling 1900 bis Sommer 1903 an zwei Berliner Mädchenschulen. Von 1903 bis 1906 absolvierte sie ein sechssemestriges Studium als Gasthörerin an der Berliner Universität, ehe sie im November 1906 das Oberlehrerinnen-Examen für die Fächer Geschichte und Religion bestand. Zum damaligen Zeitpunkt war es für Frauen an der Berliner Universität noch nicht möglich, ein reguläres Studium zu absolvieren. Nach ihrer erfolgreich absolvierten Examensprüfung bewarb sie sich um die Stelle einer akademisch gebildeten Oberlehrerin an der Elisabethschule in Marburg, wo sie ab 1907 tätig war.

Jahnow trat nach Ende des Ersten Weltkriegs in die neu gegründete Deutsche Demokratische Partei (DDP) ein. Bei der Kommunalwahl am 3. März 1919 wird Jahnow in den Stadtrat Marburgs gewählt, ein Jahr später entsendet die Partei sie in den Magistrat der Stadt. Sie war die erste Frau überhaupt, die dieser Einrichtung angehörte. Jahnow ist während ihrer Zeit im Stadtrat Mitglied in verschiedenen Ausschüssen, unter anderem im Armenausschuss und Friedhofsausschuss. Mit der Kommunalwahl im Jahr 1924, bei der die Deutsche Demokratische Partei dramatisch an Stimmen verlor und nur noch zwei Sitze im Stadtrat erhielt, fand Jahnows politische Tätigkeit ein Ende.

1925 wurde Jahnow zur Oberstudienrätin befördert und zur stellvertretenden Schulleiterin der Elisabethschule ernannt. Ein Jahr später wurde sie von der Universität Gießen mit der Ehrendoktorwürde der Theologischen Fakultät für ihre wissenschaftliche Arbeit vor allem im Fachgebiet Altes Testament, die sie bereits ab 1909 leistete, geehrt. 1935 wurde sie von den Nationalsozialisten aus ihrer Position als stellvertretende Schulleiterin gedrängt und anschließend auf Grund ihrer jüdischen Vorfahren aus dem Schuldienst suspendiert. Zum 31. Dezember 1936 wurde sie in den Ruhestand versetzt.

Nachdem der Verfolgungsdruck auf Juden und jüdischstämmige Personen in Deutschland immer mehr zunahm, versuchte Jahnow Ende 1938 nach England zu emigrieren. Allerdings wird die damals 59-Jährige von den dortigen Behörden wegen ihres hohen Alters abgelehnt. England nahm damals nur junge Emigranten auf. Im Juni 1942 wurde Jahnow von einem Gericht wegen Hörens von Fremdsendern, also Radiosendern aus dem Ausland, zu einer Haftstrafe von fünf Jahren verurteilt. Eine Untermieterin hatte sie und ihre Mitbewohnerin verraten und vor Gericht gegen sie ausgesagt. Jahnow wurde daraufhin im Gefängnis in Ziegenhain untergebracht. Am 7. September 1942 wurde sie gemeinsam mit anderen Juden und jüdischstämmigen Menschen aus Marburg nach Theresienstadt deportiert, wo sie am 23. März 1944 an Unterernährung starb. Sie wurde in einer Urne mit der Nummer 22710 beigesetzt.

Würdigung

Nach Hedwig Jahnow ist eine Straße in einem Marburger Neubaugebiet benannt. Auch ein Forschungsprojekt trägt ihren Namen. Zudem sind verschiedene Artikel über sie veröffentlicht worden.

Auf dem Bürgersteig der Wilhelmstraße des Marburger Südviertels (gegenüber der Hausnummer 4) ist zum Andenken an diese Frau und ihr Schicksal vom Künstler Gunter Demnig ein Stolperstein gesetzt worden.

Weblinks


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