Heimwehr

Heimwehr
Der Bundesführer der österreichischen Heimwehr bis September 1930: Bundesrat Richard Steidle (mitte) mit dem Bundessturmführer (Baron von) Pranckh (rechts) und Landesführerstellvertreter (Baron) Bachofen-Echt (links); 1930
Aufmarsch von Angehörigen der Heimwehr, Wiener Neustadt 1931
Abzeichen der Heimwehr zur Erinnerung an die Februarkämpfe 1934

Eine Heimwehr ist im Allgemeinen eine bewaffnete paramilitärische Einheit. In Österreich werden mit diesem Ausdruck – im engeren Sinne – die zumeist dem christlichsozialen, zum Teil aber auch dem nationalen Lager nahe stehenden paramilitärischen „Selbstschutzverbände“ der Zwischenkriegszeit des 20. Jahrhunderts bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

In Österreich bildeten sich nach Ende des Ersten Weltkriegs Heimwehren in einzelnen Gebieten aus verschiedenen lokalen Einwohnerwehren und Selbstschutzverbänden, die sich später auch bundesländerweise zusammenschlossen. Der erste Verband der in Tirol so genannten Heimatwehr wurde am 12. Mai 1920 vom Landtagsabgeordneten der Tiroler Volkspartei, Richard Steidle, gegründet. Steidle war zwischen 1920 und 1935/36 Landesführer der Heimatwehr in Tirol, Stellvertreter waren Anhänger oder Mandatare der Großdeutschen Volkspartei. In der Satzung werden vier Programmpunkte erwähnt, der erste war "Schutz der Verfassung und Abwehr jedes Versuchs einer gewaltsamen Verfassungsänderung", sodann "Schutz von Personen, Arbeit und Eigentum", "Unterstützung der bestehenden Staatsgewalt bei Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung" und schließlich "Eingreifen bei Elementarereignissen". Ebenso wird betont "Ausschaltung jeder Parteipolitik" und als private Vereinigung befasse man sich "nicht mit militärischen Dingen". [1] Bereits von daher ist zu sehen, dass die Heimatwehr keine Organisation einer Partei, sondern eine eigenständige, politisch rechts stehende Einheit war, die im Marxismus, d.h. für Tirol vor allem in der Sozialdemokratie, ihren politischen Feind sah.

Zunächst waren die österreichischen Heimwehrgruppen an Grenzstreitigkeiten mit ungarischen und Truppen des SHS-Staats (späteres Jugoslawien) beteiligt. In den deutschsprachigen Gebieten der böhmischen Länder, dem Sudetenland, hieß die Heimwehr Volkswehr. Sie lieferte sich dort im November und Dezember 1918 punktuell Kämpfe mit der neuen tschechoslowakischen Armee, der so genannten Übergangsarmee. Nachdem Österreichs Staatsgrenzen endgültig geregelt waren, blieb hier als Gegner nur mehr der – aus Sicht der Heimwehrmitglieder – „militante Marxismus“, vor dem es das Bürgertum zu „schützen“ galt. Das führte auch dazu, dass in Österreich von Seite des sozialdemokratischen Lagers 1923 der Republikanische Schutzbund als „defensives Gegengewicht“ zu den Heimwehren gebildet wurde.

Die Lage zwischen Heimwehren und Republikanischem Schutzbund radikalisierte sich zunehmend und die Heimwehren gewannen dadurch politisch an Stärke.

Bei einem blutigen sozialistischen Aufstand in Wien im Jahr 1927, bei dem der Wiener Justizpalast in Flammen aufging, kam es zum so genannten Julimassaker unter Arbeitern, die gegen das Schattendorfer Urteil protestierten. Die Regierung bekam die Lage schnell unter Kontrolle, wobei die Heimwehr Hilfestellung leistete. In der Folgezeit erlebte die Heimwehrbewegung in Österreich einen gewaltigen Aufschwung.

Die Heimwehr stand jedoch der österreichischen Parlamentsrepublik ablehnend gegenüber. Auch die neue Verfassung, die unter dem Bundeskanzler und ehemaligen Wiener Polizeipräsidenten Johann Schober 1929 zustande kam und die die Stellung des Präsidenten stärkte, wurde von der Heimwehr bekämpft. 1930 bekannten sie sich im Korneuburger Eid zu antidemokratischen Zielen, die bereits auf den Austrofaschismus verweisen.

Nach dem Beginn der Weltwirtschaftskrise und dem gescheiterten Pfrimer-Putsch 1931 verlor die Heimwehr zunehmend an politischem Einfluss und zerfiel schließlich in einen „regierungstreuen“ Flügel um Richard Steidle und Ernst Rüdiger Starhemberg und einen „regierungsfeindlichen“ Flügel um Konstantin Kammerhofer.

Nach der Auflösung der Sozialdemokratischen Partei am 12. Februar 1934 wurde die NSDAP zum neuen Feindbild jener Heimwehrverbände, die den politischen Kurs der Bundesregierung mittrugen, während sich die Verbände Steiermarks und Kärntens immer mehr in Richtung NSDAP bewegten und schließlich organisatorisch mit dieser verschmolzen.

Im austrofaschistischen Ständestaat (1933–1938) hatten die Heimwehren unter anderem im Rahmen des Schutzkorps polizeiliche und sicherheitstechnische Aufgaben. Während der Februarkämpfe und des nationalsozialistischen Juliputsches übernahmen sie nicht nur Aufklärungs-, Wach- und Sicherungsaufgaben, sondern führten selbstständig auch kleinere Kampfaufträge aus. Als 1936 sämtliche Wehrverbände aufgelöst wurden, gingen die Heimwehren großteils in der Vaterländischen Front und in der Frontmiliz auf.

Politische Zuordnung

Zwar standen die Heimwehren der Christlichsozialen Partei und auch dem Deutschnationalen Lager nahe und sie wurden von Ignaz Seipel und anderen christlichsozialen Politikern unterstützt. Die Heimwehren waren aber immer darauf bedacht, eine eigenständige politische Rolle zu spielen. Das Korneuburger Programm nahm eine Gegenposition zum Linzer Programm der Sozialdemokraten ein, das auf demokratische Machtübernahme ausgerichtet war, dem aber propagandistisch unterstellt wurde, eine Diktatur des Proletariats anzustreben.

Versuche, die Heimwehren bundesweit unter einheitlicher Führung zusammenzuschließen, wurden zwar mehrmals unternommen, scheiterten langfristig allerdings an den differierenden Zielsetzungen der einzelnen Heimwehrverbände und -gruppen und den Rivalitäten ihrer Führer (unter anderem Walter Pfrimer, Ernst Rüdiger Starhemberg, Richard Steidle). Besonders der Steirische Heimatschutz und die Kärntner Heimwehr lehnten den christlich-ständestaatlichen Kurs der Bundesführung ab und näherten sich zusehends der NSDAP an. Die Heimwehr wurde daher nie die starke, geeinte und überparteilich agierende „Volksbewegung“, als die sie sich gerne ausgab.

Die Heimwehrgruppen wurden von Industriekreisen (z.B. Österreichisch-Alpine Montangesellschaft) und Großgrundbesitzern, vor allem aus der Steiermark, sowie durch die italienischen Faschisten, das ungarische Regime und Gruppierungen der bayerischen Rechten (Organisation Kanzler) finanziell, logistisch und mit Waffenlieferungen (Hirtenberger Waffenaffäre) unterstützt. Da Mussolini der Ansicht war, die Heimwehren würden ihr Ziel, Österreich faschistisch zu machen, nicht erreichen, stoppte er im Oktober 1933 seine finanziellen Zuwendungen an die Organisation. Starhemberg trat auch an rechtsgerichtete Kreise in Großbritannien heran - unter anderem an Sir Oswald Mosley - von denen jedoch keine finanzielle Unterstützung erfolgte.[2] Der Steirische Heimatschutz Kammerhofers erhielt bis Mitte 1932 Geld von der deutschen Reichsregierung.

Als militärische „Berater“ und Funktionäre fungierten zahlreiche Frontoffiziere des Ersten Weltkriegs (unter anderem Ellison, Gallian, Hülgerth, Lustig-Prean, Polten und Pranckh).

Uniformierung

Angehörige der Heimwehr, Wiener Neustadt 1931

Aufgrund ihrer Kopfbedeckung, einem Hut oder einer Kappe mit einem „Spielhahnstoß“ (waidmännischer Ausdruck für die Schwanzfedern des Birkhahns), welcher von den Tiroler Landesschützen übernommen wurde, nannte man sie auch „Hahnenschwanzler“. Unter ihren Gegnern kursierte der Spottvers:

Hahnenschwänzler, Hahnenschwänzler bist ein armer Tropf.
Was der Hahn am Hintern hat, trägst du stolz am Kopf.
[3]

Grundsätzlich war eine einheitliche Uniformierung der Heimwehrmitglieder beabsichtigt, zu beobachten war eine solche jedoch nur selten, da die Mitglieder im Allgemeinen selbst für ihre Bekleidung aufkommen mussten. Daher waren die Heimwehrmänner sowohl mit militärischen als auch zivilen Kleidungsstücken aller Art versehen. Lediglich die als Jägerbataillone bezeichneten mobilen Heimwehr-Formationen, die als eine Art schnelle Eingreiftruppe fungieren sollten, waren komplett und relativ einheitlich uniformiert.

Museale Rezeption

Im Wiener Heeresgeschichtlichen Museum befinden sich Uniformen der Heimwehr und der Ostmärkischen Sturmscharen. Als besonderes Stück ist auch die Tatwaffe von Schattendorf, ein aus einer österreichischen Infanteriewaffe umgearbeitetes Jagdgewehr, ausgestellt.[4]

Einzelnachweise

  1. Statuten der Tiroler Heimatwehr, In Franz-Heinz Hye & Josefine Justic (1991). Innsbruck im Spannungsfeld der Politik 1918 - 1938. Berichte - Bilder - Dokumente. Innsbruck: Veröffentlichungen des Innsbrucker Stadtarchivs, Neue Folge, Band 16/17, S. 401.
  2. C. Earl Edmondson: The Heimwehr and Austrian Politics 1918-1936. University of Georgia Press, Athens, 1978, ISBN 0-8203-0437-9 S. 308f. Anm. 66
  3. Zitat aus: Gertrud Rama: Die Unvollendete. Books on Demand GmbH, 2000, S. 9. Online hier.
  4. Manfried Rauchensteiner, Manfred Litscher (Hg.): Das Heeresgeschichtliche Museum in Wien. Graz, Wien 2000 S. 75 f.

Literatur

Monographien

  • Chraska, Wilhelm: Die Heimwehr und die Erste Republik Österreich. Überlegungen zur österreichischen Staatswerdung nach dem Zusammenbruch der Monarchie 1918. Kiel 1981.
  • Kerekes, Lajos: Abenddämmerung einer Demokratie. Mussolini, Gömbös und die Heimwehr. Europa Verlag, Wien-Frankfurt-Zürich 1966.
  • Wiltschegg, Walter: Die Heimwehr. Eine unwiderstehliche Volksbewegung? (= Studien und Quellen zur österreichischen Zeitgeschichte, Band 7), Verlag für Geschichte und Politik, Wien 1985, ISBN 3-7028-0221-5.

Beiträge in Zeitschriften und Sammelwerken

  • Prieschl, Martin: Die Heimwehr in: TRUPPENDIENST - Zeitschrift für Ausbildung, Führung und Einsatz. Heft 313 S. 43–50, Wien 2010.

Weblinks


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