- Vaterländische Front
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Die Vaterländische Front (VF) wurde am 20. Mai 1933 von der österreichischen Bundesregierung unter Führung von Engelbert Dollfuß gegründet. Im Selbstverständnis seiner Protagonisten war der Verband „berufen, der Träger des österreichischen Staatsgedankens zu sein“ und sollte „die politische Zusammenfassung aller Staatsangehörigen, die auf dem Boden eines selbständigen, christlichen, deutschen, berufsständisch gegliederten Bundesstaates Österreich stehen“ bilden.[1] Nach der Ausschaltung von Demokratie, Parlament und Opposition, fungierte die Organisation nach faschistischem Vorbild als Einheitspartei mit Monopolstatus.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
1918, nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, dem Auseinanderbrechen des Vielvölkerreichs Österreich-Ungarn und der Abschaffung der österreichischen Monarchie, standen sich in der jungen Republik vorerst drei große politische Lager gegenüber: die Sozialdemokraten (SDAP), die Christlichsozialen (CS) und die Deutschnationalen (Großdeutsche Vereinigung, ab 1920: Großdeutsche Volkspartei, GVP). Von 1918 bis 1920 stellten die Sozialdemokraten den Regierungschef, danach regierten die Christlichsozialen in Koalition mit den Deutschnationalen. Am 10. Mai 1932 wurde Dollfuß (CS) Bundeskanzler. Ab März 1933, nach der Auflösung des Nationalrates, von Vertretern der regierenden Christlichsozialen als „Selbstausschaltung des Parlaments“ bezeichnet, regierte er auf Basis des kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes autoritär. Im Zuge einer Regierungsumbildung im Herbst 1932 übernahm er auch die Ämter des Innen-, Verteidigungs-, Sicherheits- und Landwirtschaftsministers.
Am 20. Mai 1933 wurde unter seiner Führung die Vaterländische Front als Nachfolgeorganisation der Christlichsozialen Partei gegründet, nunmehr mit dem Anspruch alle Österreicher zu vertreten und das politische System der parlamentarischen Demokratie zu ersetzen. Das Ziel war, wie bereits zuvor vom früheren Bundeskanzler Ignaz Seipel auf Grundlage der christlichen Soziallehre, insbesondere der Enzyklika „Rerum Novarum“ (1891) und der Bulle „Quadragesimo anno“ (1931), angestrebt, die Errichtung eines Ständestaates. Voraussetzung dafür war die Abschaffung des Parlamentarismus. Bereits am 30. Mai wurde der Republikanische Schutzbund, die paramilitärische Organisation der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei verboten. Die Heimwehr, das den Christlichsozialen und teils den Deutschnationalen nahestehende Gegenstück, war zuvor bereits der Vaterländischen Front beigetreten. Ebenfalls verboten wurden die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ), die österreichische Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) und die Bewegung der Freidenker. In der programmatischen Trabrennplatzrede in Wien am 11. September 1933 erklärte Dollfuß: „Die Zeit der Parteienherrschaft ist vorbei! Wir lehnen Gleichschalterei und Terror ab, wir wollen den sozialen, christlichen, deutschen Staat Österreich auf ständischer Grundlage, unter starker, autoritärer Führung!“.[2]
Nach dem Bürgerkrieg („Februaraufstand“) Anfang 1934, einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen noch verbliebenen Angehörigen des Schutzbundes einerseits und Heimwehr sowie Bundesheer anderseits, wurde die Sozialdemokratische Partei mitsamt all ihren Teilorganisationen und ihr nahestehenden Vereinen aufgelöst und jede Tätigkeit im Sinne der Sozialdemokratie für illegal erklärt. Alle gewählten Abgeordneten, Mandatare und Amtsträger der SDAP wurden abgesetzt, darunter etwa der Wiener Bürgermeister Karl Seitz, und durch christlichsoziale Politiker bzw. Vertreter der Vaterländischen Front ersetzt. Wenige Wochen nach dem Bürgerkrieg wurde das Bundesgesetz vom 1. Mai 1934 BGBl. II Nr. 4/1934, betreffend die „Vaterländische Front“ erlassen.[1] Demgemäß regierte Dollfuß als Bundeskanzler sowie als „Bundesführer“ der Vaterländischen Front nun mit diktatorischen Vollmachten. Paragraph 8 des Bundesgesetzes legte etwa fest: „Die Behörden des Bundes, der Länder und der Gemeinden sind verpflichtet, Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen, die von dem Bundesführer [...] gefertigt sind, im Rahmen der geltenden Gesetze und Vorschriften ohne unnötigen Aufschub in Verhandlung zu nehmen.“ Dollfuß blieb bis zu seiner Ermordung während des Juliputsches, eines Umsturzversuches der Nationalsozialisten, bis zum 25. Juli 1934 Führer der Vaterländischen Front. Ihm folgte vom 29. August 1934 bis 14. März 1936 Ernst Rüdiger Starhemberg.
Mit dem im Mai 1936 erlassenen Frontgesetz wurde die Vaterländische Front zu einzigen legalen politischen Partei und Körperschaft des öffentlichen Rechts in Österreich erklärt. Symbol der Vaterländischen Front war das Kruckenkreuz, für Schüler das Abzeichen „Seid einig“, der Gruß der Vaterländischen Front war „Front heil!“. Alle öffentlich Bediensteten waren zur Mitgliedschaft verpflichtet.
Nach dem Verbot aller anderen politischen Parteien hatte die Vaterländische Front eine politische Monopolstellung inne. Sie war in eine Zivil- und eine, aus der Heimwehr hervorgegangenen, Wehrfront gegliedert. Unterorganisationen waren unter anderem das „Österreichische Jungvolk“, das „volkspolitische Referat für national Gesinnte“, das „sozialpolitisches Referat“, das ehemalige Sozialdemokraten aufnehmen sollte, und die im Oktober 1936 geschaffene Frontmiliz als Ersatz der Wehrverbände. Entgegen den Bestrebungen von Dollfuß und seiner Nachfolger wurde die VF jedoch keine Massenbewegung. Sie zählte zwar Ende 1937 3 Millionen Mitglieder (bei 6,5 Mio. Einwohnern), doch waren nur die wenigsten davon echte Anhänger des Systems. Die politischen Gegner konnte der austrofaschistische Ständestaat nicht für sich gewinnen.
Starhemberg wurde am 14. März 1936 von Kurt Schuschnigg als Führer der Vaterländischen Front und Bundeskanzler abgelöst. Außenpolitisch kam die Regierung zunehmend unter Druck von Seiten des nationalsozialistischen Deutschen Reiches. Zugleich schwand die Unterstützung durch Benito Mussolini, den faschistischen Diktator Italiens, da dieser sich immer stärker Adolf Hitler annäherte. Am 11. Juli 1936 schloss Schuschnigg mit der deutschen Regierung das so genannte Juliabkommen. Damit wurden inhaftierte Nationalsozialisten amnestiert (die NSDAP blieb verboten) und in weiterer Folge Vertrauensleute der Nationalsozialisten in die Regierung aufgenommen, darunter Arthur Seyß-Inquart als Mitglied des Staatsrates. Im Gegenzug hob das Deutsche Reich die im Mai 1933 verhängte „Tausend-Mark-Sperre“ auf. Ab 1937 war Nationalsozialisten der Beitritt zur Vaterländischen Front möglich. In ganz Österreich wurden „Volkspolitische Referate“ eingerichtet, die, zum Teil unter Leitung von Nationalsozialisten stehend, als legale Tarnung für deren Reorganisation dienten. Bei einem Treffen von Schuschnigg mit Hitler auf dem Obersalzberg wurde am 12. Februar 1938 das Berchtesgadener Abkommen beschlossen. Schuschnigg musste darin der seit 1933 in Österreich verbotenen NSDAP die freie politische Betätigung zusichern.
Trotz der immer stärkeren Einflussnahme des Deutschen Reiches auf die österreichische Innen- und Wirtschaftspolitik wollte Schuschnigg Österreich immer noch als eigenen Staat erhalten. Am 9. März 1938 gab er bekannt am folgenden Sonntag, dem 13. März 1938, eine Volksbefragung über die Unabhängigkeit Österreichs abhalten zu wollen. Die deutsche Regierung forderte die Verschiebung bzw. Absage der Volksbefragung. Am Nachmittag des 11. März willigte Schuschnigg ein. Nun forderte Hitler auch seinen Rücktritt, der noch am selben Abend erfolgte.
Mit der Übernahme der Regierungsgeschäfte durch Seyß-Inquart am 11. März 1938 endete der Ständestaat und die Herrschaft der Vaterländischen Front wurde mit dem „Anschluss“ an das Deutsche Reich durch die Herrschaft der Nationalsozialisten in Österreich abgelöst.
Literatur
- I. Bärnthaler, Die Vaterländische Front, Geschichte und Organisation, 1971
- L. Reichhold, Kampf um Österreich. Die Vaterländische Front und ihr Widerstand gegen den Anschluß 1933-38, 2. Auflage 1985
- E. Talos/W. Neugebauer (Hg.), Austrofaschismus, Politik - Ökonomie - Kultur, 2005
Einzelnachweise
- ↑ a b Bundesgesetz vom 1. Mai 1934 BGBl. II Nr. 4/1934, betreffend die "Vaterländische Front"
- ↑ Website der Gemeinde Wien/Chronik: 2008 - Gedenken und Gedanken
Weblinks
- Vaterländische Front. In: Österreich-Lexikon, online auf aeiou.
- Flugblattsammlung bezüglich "Vaterländische Front"
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