Ignaz Seipel

Ignaz Seipel
Ignaz Seipel
Ignaz Seipel
Denkmal im Arkadenhof der Universität Wien

Ignaz Seipel (* 19. Juli 1876 in Wien; † 2. August 1932 in Pernitz) war ein österreichischer Prälat, katholischer Theologe, Politiker und Bundeskanzler.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Ignaz Seipel maturierte 1895 am k.k. Staatsgymnasium im XII. Bezirke von Wien in Meidling (dem heutigen BGRG Wien XII Rosasgasse), danach studierte er Katholische Theologie an der Universität Wien und wurde am 23. Juli 1899 zum Priester geweiht. Er war Mitglied der K.a.V. Norica Wien, damals im CV, jetzt im ÖCV. Später wurde er Ehrenmitglied der katholischen Studentenverbindungen „Deutschmeister Wien“ sowie „Winfridia“ und „Austria“ (beide Graz) im KV/ÖKV.

In seiner Schrift Die wirtschaftsethischen Lehren der Kirchenväter verwendete er als erster den Begriff Wirtschaftsethik (Wien 1907, Seite 304). 1908 habilitierte er sich an der Universität Wien. Von 1909 bis 1917 war er Professor für Moraltheologie in Salzburg. Hier brachte er auch seine Studie Nation und Staat heraus.[1] Sodann wurde er nach Wien berufen.

Kurz vor dem endgültigen Zusammenbruch der Monarchie wurde er im Oktober 1918 Minister für öffentliche Arbeit und soziale Fürsorge im Kabinett von Heinrich Lammasch. Danach gehörte er der Konstituierenden Nationalversammlung an und war von 1921 bis 1930 Obmann der Christlichsozialen Partei (CS). In dieser Phase verhinderte er eine Spaltung der Partei über die Frage der Abschaffung der Monarchie, löste die CS aus der Koalition mit den Sozialdemokraten und schloss ein Bündnis mit der Großdeutschen Volkspartei. Vom 21. Mai 1922 bis 1924 war Seipel erstmals Bundeskanzler. Er sanierte mit Hilfe einer Völkerbundanleihe (Genfer Protokolle) die Staatsfinanzen, wobei es zur Einführung der Schillingwährung kam. Dies führte jedoch zu einem starken Rückgang des Realeinkommens der Bevölkerung und einem starken Ansteigen der Arbeitslosenquote. Nach heftiger Kritik aus seiner eigenen Partei und einem Attentat auf ihn am 1. Juni 1924 trat er zurück, blieb aber Obmann des christlichsozialen Abgeordnetenklubs.

Von 1926 bis 1929 war Seipel wieder Bundeskanzler, wobei er besonders die Sozialdemokraten bekämpfte. Zu diesem Zweck schloss er die CS mit der Großdeutschen Volkspartei, dem Landbund und der nationalsozialistischen Riehl- und Schulz-Gruppe zu einer antimarxistischen Front zusammen („Bürgerblock“). Außerdem stärkte er die Rolle der antidemokratischen und faschistischen Heimwehr. Dadurch wurde er zum großen Feindbild der Sozialdemokraten, die ihn als den „Prälaten ohne Milde“, „Prälat ohne Gnad'“ und als „Blutprälaten“ bezeichneten, besonders nach dem Julimassaker an Arbeitern, die am 15. Juli 1927 anlässlich des Schattendorfer Urteils demonstrierten. Dadurch geriet er unter Druck und trat am 4. April 1929 wieder zurück, wobei er aber 1930 kurzzeitig Außenminister im Kabinett von Carl Vaugoin war.[2]

Nach dem Zusammenbruch der Creditanstalt im Jahr 1931 sollte er nochmals die Regierungsgeschäfte übernehmen, blieb aber erfolglos. Während seine Politik zu Beginn vom Glauben an die Selbstständigkeit Österreichs geprägt war, vertrat er später die Ansicht, dass keine Politik ohne das Deutsche Reich möglich sei. Mit der Staatsform war er nicht zufrieden und wollte einen autoritären Staat mit sich selbst als Präsidenten schaffen. Dazu kam es aber nicht mehr, denn nach einer Reise nach Palästina erkrankte er und starb 1932 im niederösterreichischen Sanatorium Wienerwald und wurde in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 14 C, Nummer 7) beigesetzt.

Ignaz Seipel und Adolf Hitler

Es geht mit auf Ignaz Seipel zurück, dass Adolf Hitlers österreichische Staatsangehörigkeit in Zweifel gezogen wurde. 1924 versuchte die bayerische Verwaltung, Hitler nach seinem 1923er Putsch und nach seiner Landsberger Festungshaft aus Bayern nach Österreich abzuschieben. Doch die Staatskanzlei des österreichischen Bundeskanzler wollte den Putschisten und Unruhestifter nicht zurück und ließ an den zuständigen Richter Georg Neithardt ausrichten: Hitlers österreichische Staatsangehörigkeit sei nicht zweifelsfrei erwiesen, weil er durch den Dienst im deutschen Heer automatisch Deutscher geworden sei – dem entgegen standen mehrere Dutzend vergleichbare Fälle, in denen genau andersherum entschieden worden war.[3][4][5]

Hitler wurde nichtsdestoweniger erst 1932 von Deutschland eingebürgert.

Künstlerische Verarbeitung

In Hugo Bettauers Roman Die Stadt ohne Juden (1922) ist die Person des Bundeskanzlers Dr. Schwerdtfeger, der alle Juden des Landes verweisen lässt, Ignaz Seipel wegen seiner antisemitischen Einstellung nachempfunden, ungeachtet der Tatsache, dass Seipels Wirtschaftsberater und Bewunderer Ludwig von Mises, ein Jude, gewesen war. Auf Grundlage dieses Buches entstand 1924 der gleichnamige Film, Die Stadt ohne Juden von Hans Karl Breslauer. 1977 schufen Franz Novotny und Otto M. Zykan für den ORF die Fernsehproduktion "Die Staatsoperette", wo auf eine bissigkritische, karikaturhafte Weise die bürgerkriegsähnlichen Konflikte in Österreich zwischen 1927 und 1933 darstellt werden. In der "Staatsoperette" wird Ignaz Seipel als "mordgeiler Geistlicher" dargestellt.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Vlg. Wilhelm Braumüller, Wien/Leipzig 1916
  2. Religion.ORF.at: Öffnung der Vatikan-Archive wichtig für Österreich
  3. Wiener Zeitung: ". . . werden schauen, dass Sie ihn behalten!", EXTRA-Lexikon
  4. Historisches Lexikon Bayerns: Ausweisung Adolf Hitlers aus Bayern
  5. Othmar Plöckinger: Geschichte eines Buches: Adolf Hitlers "Mein Kampf" 1922-1945, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2006 ISBN 9783486579567, Seite 59

Weblinks

 Commons: Ignaz Seipel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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