Helmut Nicolai

Helmut Nicolai

Helmut Alphons Gottfried Nicolai (* 8. September 1895 in Berlin; † 11. Dezember 1955 in Marburg) war ein deutscher Jurist im Dienste des NS-Regimes.

Inhaltsverzeichnis

Familie, Studium und Beamtenlaufbahn

Als Sohn des preußischen Majors und bekannten Militärschriftstellers Alphons Nicolai und seiner Ehefrau Maria Mannel besuchte er in Elberfeld, Potsdam, Oppeln und Berlin das Gymnasium. Am Ersten Weltkrieg nahm er nur bis 1915 teil, da er erkrankte.

Nach dem Studium der Staats- und Rechtswissenschaften in Berlin und Marburg von 1915 bis 1919 erlangte er 1920 die Promotion zum Dr. jur. mit dem Thema Die Anleihen der Aktiengesellschaften. Die Beteiligung am Kapp-Putsch im März 1920 und ein einjähriger freiwilliger Militärdienst bilden eine Zwischenstation hin zum Staatsdienst.

In Kassel beginnt seine Laufbahn als Regierungsassessor von 1921 bis 1924. Dann erfolgt der Dienst in Wittenberg und in Münster. Da er sich im Wikingbund betätigte, wurde er disziplinarisch belangt und nach Oppeln versetzt. Als er Kontakte zur NSDAP aufnahm und diese bekannt wurde, musste er den Staatsdienst im Mai 1931 verlassen.

Tätigkeit bei der NSDAP

Nachdem er die Parteimitgliedschaft erworben hatte, nahm er eine Tätigkeit bei der NSDAP in München auf. Diese Vermittlung kam durch Gregor Strasser zustande, der ihn in der Abteilung II der Reichsleitung der NSDAP beschäftigte. Hier sollte er die rechtstheoretischen Grundlegung für einen „neuen Staatsaufbau“ leisten. Durch zwei Veröffentlichungen in den Jahren 1932 und 1933, Die Rassengesetzliche Rechtslehre und Grundlagen der kommenden Verfassung, präsentierte er sich als führender Rechtstheoretiker der NSDAP. In Zusammenarbeit mit Achim Gercke entwarf er 1932 ein „Rassenscheidungsgesetz“, das wesentliche Gedanken der späteren Nürnberger Gesetze vorwegnahm.

In Berlin wurde er im April 1932 in den Landtag gewählt. Danach übernahm er in Magdeburg vom 14. Juni 1933 bis 1934 die Position des Regierungspräsidenten. Als es dort mit dem Gauleiter Wilhelm Loeper zu Meinungsverschiedenheiten über widerrechtliche Übergriffe des Gauleiters kam, ging er vom 14. März 1934 bis 1935 als Ministerialdirektor ins Reichsinnenministerium bei Wilhelm Frick, wo er an den Bereich der Gesetzesvorhaben für eine neue Verfassung beteiligt wurde.

Sturz und Ende in der NSDAP

Als er in dem Ministerium seine Auffassungen über das Verhältnis von Partei und Staat mit ihrer Abgrenzung zueinander konkretisieren wollte, wie es Frick ähnlich auffasste, kam es zum Konflikt mit Kreisen der NSDAP. Nicolai hatte im Vorwort seiner Schrift über die zukünftige Verfassung geschrieben, dass die Partei nach Erfüllung ihrer Aufgaben aufgelöst werden sollte und im Staat das Recht an erster Stelle stehen würde. Die Rolle der Frau sollte so bestimmt werden, dass diese das germanische „Reichsbürgerrecht“ nicht besitzen sollten. Auch sah er ein gestaffeltes Rätesystem kommen und neue Reichsstatthalter, die eine stärkere Position gegenüber Adolf Hitler einnehmen sollten. Nicolai stellte sich gegen die Konzeption eines einheitlichen Staatszentralismus.

Nicolai hatte sich mit seinen Darlegungen bei den Nationalsozialisten in den Verdacht gebracht, ein Anhänger des Rechtsliberalismus zu sein. An der Spitze seiner Gegner stellte sich Göring, der ihm mit einem Strafverfahren wegen eines Sittlichkeitsdeliktes drohte, wenn er seine Position nicht aufgeben würde.

Nicolai wurde Anfang 1935 des Vergehens nach § 175 bezichtigt, wie auch andere missliebige Beamte in diesem Jahr (zum Beispiel Achim Gercke und Herbert Mumm von Schwarzenstein). Er „gestand“ den Tatbestand in fünf Fällen „voll erfüllt zu haben“ und wurde aus allen Ämtern sowie aus der NSDAP ausgeschlossen.[1] Danach betätigte er sich als Wirtschaftsjurist und Immobilienverwalter und diente von 1939 bis 1940 und 1943 bis 1945 bei der Wehrmacht.

Nachkriegsphase

Nach einer mehrmonatigen sowjetischen Kriegsgefangenschaft nahm er ab 1946 eine Tätigkeit als Steuerberater in Marburg auf. In der Sowjetischen Besatzungszone wurden alle seine Schriften mit Ausnahme von Grundriß des Sparkassenwesens (1928) auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.[2] Da er durch seine NS-Vergangenheit belastet war, wurde ihm 1949 eine Betätigung als Steuerberater und Schriftsteller für die Dauer von drei Jahren verboten. Doch diese Entscheidung wurde schon 1950 aufgehoben. In den folgenden Jahren hatte er auch 1955 keine Vorbehalte, sich zu seinen NS-Schriften zu bekennen, so in Wer ist wer? in der Ausgabe von 1955.

Seit 1937 war er mit Ilse Hoepke verheiratet.

Schriften

  • Grundriß des Sparkassenwesens. Ein Hand- und Lehrbuch, Grass, Barth und Comp., Breslau 1928
  • Oberschlesien im Ringen der Völker. Hrsg. von der Ortsgruppe Oppeln des Kampfbundes für deutsche Kultur, Breslau 1930
  • Die Rassengesetzliche Rechtslehre. Grundzüge einer nationalsozialistischen Rechtsphilosophie, Nationalsozialistische Bibliothek Heft 39, Verlag Eher, München 1932
  • Rasse und Recht, Vortrag, gehalten auf dem Deutschen Juristentage des Bundes nationalsoz. deutscher Juristen am 2. Okt. 1933 in Leipzig, R. Hobbing Verlag, Berlin 1933
  • Grundlagen der kommenden Verfassung: Über den staatsrechtlichen Aufbau des Dritten Reiches, Verlag R. Hobbing, Berlin 1933
  • Der Staat im nationalsozialistischen Weltbild, Schaeffer Verlag C.F. Hirschfeld, Leipzig 1933
  • Der Neuaufbau des Reiches nach dem Reichsreformgesetz vom 30. Januar 1934, Verlag C. Heymann, Berlin 1934
  • Die Wurzeln des modernen Bankwesens. Rasse und Bankwesen, Verlag R. Hobbing Berlin 1934
  • Nationalsozialismus und Staatsrecht, Berlin 1935 (Aus dem Vorwort: „In diesem Beitrag schildert der Verfasser nicht nur die Grundsätze der nationalsozialistischen Bewegung in ihrem Hervortreten beim bisherigen Aufbau des nationalsozialistischen Staates; er weiß zugleich aus erlebtem Wissen heraus die Änderungen der staatlichen Formen von ihrem Inhalt, dem Volke her zu deuten. Er deckt zahlreiche Zusammenhänge von größter Wichtigkeit für den Erfolg weiterer Staatsgestaltung auf und richtet den Blick des Lebens in die deutsche Zukunft, wo als starker, reiner Gleichklang zwischen Volk und Staat das Dritte Reich stehen wird.“)
  • Der Stammbaum Christi – Ein neuer Weg zum Evangelium und Naturrecht, Marburg an der Lahn, Deutschritter Verlag 1950
  • Arolsen – Lebensbild einer deutschen Residenzstadt, C. A. Starke-Verlag, Glücksburg/Ostsee 1954
  • Vom Rechtsstaat zum Gewaltstaat. Staat, Behörden und Beamte in Waldeck 1814 - 1886, Sonderdruck aus Band 47 der Waldeckischen Geschichtsblätter, C. A. Starke-Verlag, Glücksburg/Ostsee 1955
  • Die Landesdirektoren und Landräte in Waldeck 1814–1868. In: Geschtsbll. für Waldeck. 48, 1956 (mit Nachruf von H. Steinmetz)
  • Waldeckische Wappen. jeweils bearbeitet von Wilhelm Hellwig und Ingeborg Moldenhauer

Literatur

  • Martyn Housden, Helmut Nicolai and Nazi Ideology, New York 1992
  • P. Landau, Die deutschen Juristen und der nationalsozialistische Deutsche Juristentag in Leipzig 1933, in: Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte, 16 (1994) 373–390

Referenzen

  • Walter Habel, Wer ist wer?, Berlin 1955
  • Erich Stockhorst: 5000 Köpfe. Wer war was im 3. Reich. Arndt-Verlag, Kiel 2000, ISBN 3-88741-117-X. 
  • Helmut Ridder, Zur Verfassungsdoktrin des NS-Staates, in: Kritische Justiz, 1969, S. 221
  • NDB Bd. 19
  • DBE Bd. 7, München 2007

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Bernd-Ulrich Hergemöller: Mann für Mann. biographisches Lexikon. Suhrkamp, Hamburg 2001, ISBN 3-518-39766-4. 
  2. http://www.polunbi.de/bibliothek/1946-nslit-n.html

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Nicolai — ist ein Vorname und Familienname. Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft und Bedeutung 2 Varianten 3 Bekannte Namensträger 3.1 Vorname …   Deutsch Wikipedia

  • Nicolai Hartmann — Full name Nicolai Hartmann Born February 20, 1882(1882 02 20) Riga, Livonia Governorate, Russian Empire Died October 9, 1950(1950 10 09) (aged 68) Göttingen, West Germany Era …   Wikipedia

  • Helmut Fischer — Infobox Actor name = Helmut Fischer imagesize = 180px caption = Memorial for Monaco Franze (Helmut Fischer) at Münchner Freiheit birthname = birthdate = birth date|1926|11|15|mf=y birthplace = Munich, Bavaria, Germany deathdate = death date and… …   Wikipedia

  • Nicolai Clausen — Asmus Nicolai Clausen Born 2 June 1911(1911 06 02) Flensburg …   Wikipedia

  • Helmut Fischer — Denkmal für Helmut Fischer in der Rolle des „Monaco Franze“ in München Helmut Fischer (* 15. November 1926 in München; † 14. Juni 1997 in Riedering/Chiemgau) war ein bayerischer Volksschauspieler. Er verkörperte in seinen Rollen den charmanten… …   Deutsch Wikipedia

  • Nicolai Tregor — Sophie Scholl Büste im Lichthof der Ludwig Maximilians Universität München …   Deutsch Wikipedia

  • Nicolai Andrianov — Nikolai Andrianov Nikolai Andrianov …   Wikipédia en Français

  • Norica Nicolai — MEP Member of the European Parliament for Romania Incumbent Assumed office July 2009 Senator …   Wikipedia

  • St. Nicolai (Wittmund) — St. Nicolai (Südansicht) Die St. Nicolaikirche ist eine evangelisch lutherische Kirche in Wittmund. Die Kirche liegt an zentraler Stelle, gerahmt von den vier Einkaufsstraßen der beinahe quadratischen Fußgängerzone. Sie ist vermutlich bereits die …   Deutsch Wikipedia

  • Claus Helmut Drese — (25 December 1922, Aachen 10 February 2011,[1][2] Horgen, Switzerland) was a German opera and theatre administrator, and author. Contents 1 Early career 2 …   Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”