Henri Hinrichsen

Henri Hinrichsen

Henri Hinrichsen (* 5. Februar 1868 in Hamburg; † 17. September 1942 im KZ Auschwitz[1]) war ein deutsch-jüdischer Musikverleger und Stifter in Leipzig.

Inhaltsverzeichnis

Leben

„Stolpersteine“ für die Familie Hinrichsen vor der Musikbibliothek Peters in Leipzig
Wohn- und Geschäftshaus von Henri Hinrichsen und dem Musikverlag C. F. Peters

Hinrichsen lernte in Leipzig, Basel, Brüssel und London Musikalienhändler und Verleger. Ab 1898 war er mit Martha geb. Bendix (1879-1941) verheiratet. Sie bekamen zwei Töchter und fünf Söhne.

Seit dem 15. Mai 1891 war Henri Hinrichsen in Leipzig im Musikverlag C. F. Peters, der seinem Onkel Dr. Max Abraham gehörte, angestellt. Am 1. Januar 1894 wurde er Teilhaber des Verlages; nach dem Freitod seines Onkels im Jahre 1900 führte er den Verlag alleine weiter.

1911 stiftete Hinrichsen, der in enger Verbindung zur Pädagogin Henriette Goldschmidt (1825-1920) stand, die Hochschule für Frauen Leipzig, die erste Einrichtung dieser Art in Deutschland. 1926 stiftete er 200.000 Reichsmark, mit denen die Universität Leipzig die „Musikinstrumenten-Sammlung Wilhelm Heyer“ aus Köln ankaufen konnte; diese Sammlung begründete das heutige Museum für Musikinstrumente der Universität Leipzig.

Hinrichsen war ein national gesinnter Deutscher; er wurde vom deutschen Kaiser ausgezeichnet und fühlte sich − zu lange – sicher in Deutschland. 1938 jedoch wurde Henri Hinrichsen durch die „Arisierung“ des Musikverlages enteignet[2]. 1940 reiste Hinrichsen nach Brüssel aus und wartete auf ein Visum für England bzw. die USA. Sein Sohn Max Hinrichsen (1901–1965) hatte es abgelehnt, in Deutschland zu bleiben, um die Edition Peters zu leiten; er emigrierte Mitte der 1930er Jahre und gründete in London die Peters Edition. Sein anderer Sohn Walter Hinrichsen (1907–1969) hatte Deutschland bereits 1936 verlassen und gründete in New York die C.F. Peters Corporation.

Das erhoffte Visum zur Ausreise hat Henri Hinrichsen nicht erhalten. Seine Frau Martha verstarb 1941 in Belgien, da sie als Jüdin das zur Behandlung ihrer Zuckerkrankheit benötigte Insulin nicht erhielt. Henri Hinrichsen wurde in Brüssel verhaftet, ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert und dort am 17. September 1942 im Alter von 74 Jahren ermordet.

1945 kehrte sein Sohn Walter Hinrichsen als amerikanischer Offizier nach Leipzig zurück. Er erhielt den Verlag seines Vaters zurück und sorgte für die Benennung der Hochschule für Frauen in Henriette-Goldschmidt-Schule Leipzig. Die Königstraße, an der sich die Schule befindet, erhielt 1947 den Namen „Goldschmidtstraße“.

Neben Max und Walter Hinrichsen gelang es auch ihrem jüngsten Bruder Robert (1918–1981) nach England auszureisen. Paul Hinrichsen (1912–1943) wurde im KZ Auschwitz ermordet, Hans-Joachim Hinrichsen († 29. September 1940) kam im KZ Perpignan in Frankreich um. Henri Hinrichsens Töchter Charlotte (1898–1980) und Ilse (1904–1987) überlebten den Holocaust. Ilses Ehemann, der Chirurg Ludwig Frankenthal (1881–1944) und ihre gemeinsamen Söhne Günther (1929–1945) und Wolfgang Frankenthal (1931–1944) wurden in Auschwitz ermordet. Max Hinrichsens Tochter ist Irene Lawford-Hinrichsen (* 1935 in Leipzig), die sich mit der Geschichte des Verlags und ihrer Familie beschäftigt.

Der Verlag in Leipzig wurde später durch die SED enteignet, blieb bis zur Deutschen Wiedervereinigung Volkseigentum und besteht bis heute in Frankfurt am Main ohne die im Verlagswesen längst fortschreitende Konzernbildung.

Ehrungen

  • Am 29. Mai 1929 ernannte die Philosophische Fakultät der Universität Leipzig Henri Hinrichsen zum Ehrendoktor.
  • Arnold Schönberg widmete 1949 eine Neufassung seiner Fünf Orchesterstücke (op. 16) dem Andenken von Henri Hinrichsen: “This new edition is dedicated to the memory of Henri Hinrichsen a music publisher who was a great seigneur.”
  • Nachdem das Grabmal der Familie Abraham / Hinrichsen auf dem Leipziger Südfriedhof in den 1980er Jahren eingeebnet worden war, erinnert seit 1992 ein Denkmal an den ehemaligen Standort.
  • Im Jahre 2001 wurde eine Straße im Leipziger Waldstraßenviertel nach Henri Hinrichsen benannt (Hinrichsenstraße).

Literatur

  • Erika Bucholtz: Henri Hinrichsen und der Musikverlag C. F. Peters : deutsch-jüdisches Bürgertum in Leipzig von 1891 bis 1938. Tübingen: Mohr Siebeck 2001 (Schriftenreihe wissenschaftlicher Abhandlungen des Leo-Baeck-Instituts; 65) Zugl.: Berlin, Techn. Univ., Diss., 2000 ISBN 3-16-147638-7
  • Irene Lawford-Hinrichsen: Music Publishing and Patronage - C.F. Peters: 1800 to the Holocaust. London: Edition Press 2000 ISBN 0953611205
  • Sophie Fetthauer: Musikverlage im „Dritten Reich“ und im Exil. (Musik im „Dritten Reich“ und im Exil, Band 10) Von Bockel Verlag Hamburg 2004 ISBN 3-932696-52-2
  • Irene Lawford-Hinrichsen; Norbert Molkenbur: C. F. Peters - ein deutscher Musikverlag im Leipziger Kulturleben. Zum Wirken von Max Abraham und Henri Hinrichsen. In: Ephraim-Carlebach-Stiftung (Hrsg.): Judaica Lipsiensia: Zur Geschichte der Juden in Leipzig. Leipzig: Edition Leipzig, 1994. S. 92-109
  • Annerose Kemp; Eberhard Ulm: Henriette-Goldschmidt-Schule 1911 - 2011. Leipzig 2011.

Quellen

  1. Stolpersteine Leipzig
  2. Zerashi, Helmut: Geschichte des Museums, in: Schriftenreihe des Musikinstrumenten-Museums der Karl-Marx-Universität, Bd. 2. Leipzig: Musikinstrumenten-Museum der Karl-Marx-Universität 1977.

Weblinks


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