Henriette Schrader-Breymann

Henriette Schrader-Breymann

Henriette Schrader-Breymann (* 14. September 1827 in Mahlum bei Braunschweig; † 25. August 1899 in Schlachtensee, heute zu Berlin gehörend) war eine deutsche Pädagogin, Gründerin von Bildungs- und Erziehungsinstitutionen, Förderin der Fröbelpädagogik und der Frauenbildung.

Henriette Schrader-Breymann

Inhaltsverzeichnis

Biografie und Wirken

Johanne Juliane Henriette war das älteste von zehn Kindern einer Pastorenfamilie. Nach anfänglichen Unterricht durch den Vater besuchte sie die „Töchterschule“ in Wolfenbüttel. Das lernbegierige Mädchen hatte große Schwierigkeiten sich in die schulische Disziplin einzufügen, sie litt unter der Phantasielosigkeit des Unterrichts.

1841 kehrte Henriette wieder ins Elternhaus zurück. Es folgte eine schwierige Zeit, unterbrochen von Aufenthalten in Reichenbach und Pymont. Dabei war das junge Mädchen stets auf der Suche nach einem „neuen weiblichen Weg“.

Der Sommer 1848 brachte endlich die ersehnte Veränderung. Henriette ging an die Bildungs- und Erziehungsinstitution in Keilhau bei Rudolstadt, die ihr Großonkel, Friedrich Fröbel, ins Leben gerufen hatte, zuerst als Schülerin, dann als seine Mitarbeiterin.

Nachdem sich Breymann von Friedrich Fröbel gelöst hatte und nach kurzen Aufenthalten in Schweinfurt und Baden-Baden, gründete sie 1854 im Pfarrhaus von Watzum, wohin zwischenzeitlich ihre Familie übergesiedelt war, eine weibliche Bildungs- und Erziehungsinstitution für Mädchen im Alter von ca. 7 bis 17/18 Jahren. Das Institut wuchs kontinuierlich (ein Fröbelkurs und Kindergarten wurden eingerichtet). Es erfreute sich schnell weit über die Landesgrenzen hinaus eines hohen Ansehens und wurde immer mehr zu einem Zentrum der Kindergartenpropaganda. Die Erziehungs- und Bildungsinstitution wurde u.a. von Adele von Portugall (Jhg. 1857), Mary Lyschinska (Jhg. 1861) und Eugenie Schumann (Jhg. 1866), jüngste Tochter und siebte von acht Kindern von Clara und Robert Schumann, besucht. Bekannte Vertreter und Vorkämpferinnen des Kindergartens, beispielsweise Bertha von Marenholtz-Bülow, unterricheteten dort oder hielten Vorträge. 1864 erfolgte ein Umzug der Erziehungs- und Bildungsinstitution nach Wolfenbüttel, die sich "Neu-Watzum" nannte, nach dem Ort seiner Entstehung. Das Institut bestand aus fünf Abteilungen: neben Kindergarten und Elementarklasse gab es Klassen für 12- bis 14-jährige und 14- bis 17-jährige Mädchen, ferner eine Fortbildungsklasse für Erwachsene, die auf den Beruf der Erzieherin und Lehrerin vorbereitete. "Neu-Watzum" entwickelte sich äußerst erfolgreich. Schon zwei Jahre nach der Eröffnung musste die Einrichtung um einen Anbau erweitert werden, um die rasch zunehmende Menge der Schülerinnen unterbringen zu können. Neben ihren vielfältigen Aufgaben als Schul-/Pensionatsleiterin sowie Lehrerin unternahm Henriette Breymann noch Reisen nach Belgien, Schottland und in die Schweiz. Dort hielt sie Vorträge über Fröbel, die Kindergärten und Frauenbildung.

Gedenktafel am Haus Karl-Schrader-Straße 7, in Berlin-Schöneberg

Am 30. April 1872 heiratete die Pädagogin den Juristen Karl Schrader, mit dem sie nach Berlin zog. Dort gründete sie den „Verein für Volkskindergärten und Volkserziehung“ und das noch heute existierende „Pestalozzi-Fröbel-Haus“ (PFH), welches sich in Henriette Schrader-Breymann übernahm in ihr Konzept Fröbels zentrale Idee der Frauenbildung: die „Geistige Mütterlichkeit“, die „weiblich-mütterliche Kräfte“ auf einen nicht allein an die physische Mutterschaft, an Ehe und Familie gebundenen weiblichen Lebenskontext zu übertragen. kurzer Zeit zu einer der führendsten Bildungs-/Berufsbildungsanstalt für Mädchen und Frauen sowie Erziehungsstätte für Kinder entwickelte. Dazu gehörten ein Seminar für Kindergärtnerinnen, eine Haushaltungs- und Kochschule, eine Krabbelstube, ein Kindergarten sowie ein Sonderkindergarten, ein Hort, ein Landschulheim, Tages- und Nachtheime u.dgl.m. Das PFH galt um die Jahrhundertwende als die moderne, an politischen Fortschritt und gesellschaftlicher Wirksamkeit orientierte Richtung der Kindergartenpädagogik.

Bis kurz vor ihrem Tode engagierte sich Henriette Schrader-Breymann aktiv am Ausbau ihrer allumfassenden sozialpädagogischen Einrichtung, die sich nach wie vor dem geistigen Erbe seiner Gründerin verpflichtet fühlt. Henriette Schrader-Breymann verkehrte mit vielen bedeutenden Frauen ihrer Zeit. Dazu gehörten Helene Lange, Luise Jessen, Hedwig Heyl und Kronprinzessin Victoria, spätere "Kaiserin Friedrich", um nur einige der vielen zu nennen, die sie in ihrem „Kampf“ für die weibliche Bildung und die Professinonalisierung des Erziehungswesens unterstützten.

In Wolfenbüttel trägt eine Strasse und in ihrem Geburtsort ein Jugendheim ihren Namen.

Teile ihres Nachlasses sowie Literatur von ihr und über sie befinden sich im Ida-Seele-Archiv und im Archiv des Pestalozzi-Fröbel-Hauses.

Pädagogische Konzeption

Die ausgebildete Kindergärtnerin wurde zu einer entschiedenen Verfechterin der Fröbel'schen Erziehungsgrundsätze, fühlte sich aber zu einer Neuformulierung dieser berufen, in Verbindung mit Pestalozzis Gedanken zur Erziehung. Es waren ihre Erfahrungen mit Großstadtkindern, die sie darin bestätigten, dass die Unterweisung der Kindergartenkinder in praktischen Tätigkeiten sinnvoller sei als die abstrakten und philosophischen Fröbelspiele. Sie erkannte, dass für Kinder aus Arbeiterfamilien ganztätige Erziehungseinrichtungen notwendig sind, die die Kinder auf möglichst vielen Gebieten für ihr zukünftiges Leben befähigen. Darum war ihr neben dem Spiel die Pflege und Entwicklung der kindlichen Arbeitsfreudigkeit ein besonderes Anliegen, weshalb sie häusliche Beschäftigungen (z. B. Kochen), Gartenarbeit sowie Tierpflege als Erziehunsmittel einführte. Ferner wünschte sie auch anstatt der Fröbel'schen Bezeichnung Kindergärtnerin den Namen Volkserzieherin einzuführen.

Unbestritten ist die weltweite Wirkung der im PFH entwickelten Konzeption des Monatsgegenstands. Diese griff auf das Konzentraionsprinzip der Herbartianer zurück und hat ihre Wirksamkeit bis heute in der Kindergartenpraxis nicht verloren. Für die Pädagogin ist das wichtigste Auswahlkriterium für den Monatsgegenstand, das Charakteristische der Jahreszeit und des betreffenden Monats (Hoffmann 1930, S. 88). Mit dieser familiennahen Kindergartenkonzeption suchte sie den Kindern eine Sachbegegnung zu ermöglichen, die sie zu einem Verstehen und Wertschätzen der hauswirtschaftlichen Tätigkeit als der grundlegenden menschlichen Versorgungsweise befähigen sollte... Ein Thema, etwa Haustiere, ihre Lebensweise und ihr Nutzen für den Menschen, wurde im Monatsturnus in das Interesse der Kinder gerückt und mit Informationen und praktischen Tätigkeiten, z. B. Butter, Quark und Käse aus der Milch herstellen, Liedversen, Märchen und Erzählungen, Bastelarbeiten oder mit Bauaufgaben aus dem Fröbelbaukasten z. B. einen Kuhstall bauen den Kindern nahegebracht (Erning 1987, S. 69).

Werke (Auswahl)

  • Die Grundzüge der Ideen Fröbel's angewendet auf Kinderstube und Kindergarten, Braunschweig 1872
  • Der Monatsgegenstand im Kindergarten, Berlin 1885
  • Der Volkskindergarten im Pestalozzi-Fröbel-Haus, Berlin 1885
  • Häusliche Beschäftigungen und Gartenarbeit als Erziehungsmittel im Pestalozzi-Fröbel-Haus, Berlin 1893

Literatur (Auswahl)

  • Brigitte Augustin: Henriette Schrader-Breymann, eine Pionierin sozialpädagogischer Arbeit. Ihr Leben und ihr Werk, Oldenburg 2004 (unveröffentlichte Diplomarbeit)
  • Manfred Berger: Frauen in der Geschichte des Kindergartens. Ein Handbuch, Frankfurt/Main 1995, S. 162-167
  • Manfred Berger: Henriette Schrader-Breymann. Eine Wegbereiterin der Erlebnispädagogik?, Lüneburg 1995
  • Manfred Berger: Henriette Schrader-Breymann. Leben und Wirken einer Pionierin der Mädchenbildung und des Kindergartens, Frankfurt/Main 1999
  • Manfred Berger: Schrader-Breymann, Johanne Juliane Henriette, in: Historische Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Neue Deutsche Biografie. Dreiundzwanzigster Band, Berlin 2007, S. 505-506
  • Angela Dinghaus (Hrsg.): Frauenwelten. Biographisch-historische Skizzen aus Niedersachsen, Hildeheim 1993, S. 179-192
  • Sandra Donner: Von Höheren Töchtern und Gelehrten Frauenzimmern. Mädchen- und Frauenbildung im 19. Jahrhundert - dargestellt an den Schloßanstalten Wolfenbüttel, Frankfurt/Main 2005, S. 121-194
  • Günter Erning: Bilder aus dem Kindergarten. Bilddokumente zur geschichtlichen Entwicklung der öffentlichen Kleinkindererziehung in Deutschland, Freiburg/Breisgau 1987
  • Erika Hoffmann: Henriette Schrader-Breymann, Langensalza 1930
  • Elisabeth Moltmann-Wendel: Macht der Mütterlichkeit. Die Geschichte der Henriette Schrader-Breymann, Berlin 2003
  • Mary Lyschinska: Henriette Schrader-Breymann. Ihr Leben aus Briefen und Tagebüchern. In zwei Bänden, Berlin 1922
  • Kurt von Marenholtz: Das Fröbelverständnis Henriette Schrader-Breymanns (1827-1899). Kritische Analyse zur Fröbelrezeption im 19. Jahrhundert, Ulm 2001 (unveröffentlichte Diplomarbeit)
  • Paul Zimmermann: Schrader-Breymann, Henriette. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 54, Duncker & Humblot, Leipzig 1908, S. 172–178.
  • Manfred Berger: Henriette Schrader-Breymann. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 23, Nordhausen 2004, ISBN 3-88309-155-3, Sp. 1312–1328.

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