- Heraustreten ins Tageslicht
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Das ägyptische Totenbuch ist eine Sammlung von Zaubersprüchen, Beschwörungsformeln und liturgischen Anweisungen, die dazu dienen, dem Verstorbenen zu ermöglichen, sein Leben nach dem Tod so zu gestalten, wie er es zu Lebzeiten für richtig hielt. In der 18. Dynastie entwickelte sich der Brauch, dieses Spruchgut auf Papyrusrollen zu schreiben und diese in den Sarg zu legen oder in Mumien einzuwickeln[1].
Eine Zusammenstellung wurde 1842 von Karl Richard Lepsius als „Totenbuch der alten Aegypter“ nach der großen ptolemäischen Handschrift aus Turin herausgegeben. Dieser Name wurde von Edouard Naville beibehalten, der 1883 eine Sammlung dieser Bücher aus dem Neuen Reich publizierte. Eigentlich heißt das Buch „Heraustreten ins Tageslicht“, aber da sich das Buch hauptsächlich mit dem Tod beschäftigt, behielten die Ägyptologen Lepsius' Bezeichnung bei.
Inhaltsverzeichnis
Entstehung
Bereits um 2500 v. Chr. in der 5. Dynastie und 6. Dynastie entstanden die ersten Sprüche dieser Art, sie sind auf den Innenwänden der Grabkammern der Pyramiden angebracht gewesen und werden deshalb als Pyramidentexte bezeichnet. Diese Sprüche waren also zuerst nur Pharaonen zugänglich. Gegen Ende des Alten Reiches kam es zu einem Umbruch. Die Sprüche und Rituale, die ehedem ausschließlich in den großen Einweihungszentren praktiziert wurden, waren von nun an auch anderen Menschen zugänglich.
Um 2000 v. Chr. wurden solche Texte deshalb verbreitet auch auf Särgen angebracht. Diese Texte werden, obwohl oftmals identisch mit den Pyramidentexten, als Sargtexte bezeichnet. Am Beginn der 18. Dynastie wurden religiöse Texte bezüglich des Toten dann oftmals auf die Binden der Mumien geschrieben.
Die Entstehung des Totenbuchs als Sammlung von 190 Zaubersprüchen geht zu einem großen Teil auf diese Periode zurück. Wie wichtig die Rituale waren zeigt ein Auszug aus einer Rubrik zu Kapitel 162 [3].
Es geht um einen Spruch, der auf einer Papyrusrolle unter den Kopf des Verstorbenen gelegt werden soll, um ihn Wärme im Jenseits empfinden zu lassen:
- "O Amon, Amon! Vom Himmelsgewölbe
- Schaust du zur Erde herab.
- Wende dein strahlendes Antlitz zur starren, leblosen Hülle
- Deines Sohnes, des vielgeliebten!
- Mache ihn kräftig und siegesbewusst
- In den Unteren Welten!"
- Rubrik, Kapitel 162 [3]
Dieser Spruch bedeutete für die alten Ägypter ein großes Mysterium. Niemand sollte ihn nach Ausfertigung jemals vor oder nach der Beerdigung des Verstorbenen erneut sehen und im Glauben der Ägypter wäre es fürchterlich gewesen, wenn er allgemein bekannt geworden wäre. Deshalb galt es ihn vor der Beerdigung zu verbergen, da seine Bezeichnung auch lautete: „Der Spruch der verborgenen Wohnstätte“.
Inhalt
Das Ägyptische Totenbuch ist eine wichtige Dokumentation der ägyptischen Mythologie. Es zeigt, dass der Tod nicht nur ein wichtiger Teil des alltäglichen Lebens war, sondern auch, dass die Menschen eine gänzlich andere Vorstellung vom Sterben hatten als heute. Viele der Sprüche sollen dem Toten helfen göttlich zu werden, ein Leben im Jenseits wie vorher im Diesseits führen zu können und sogar in die Beziehungen zwischen Göttern einzugreifen (beispielsweise der Kampf Seth - Horus). Als Ziel des Toten gilt auch, im Jenseits Unsterblichkeit zu erlangen, was nicht selbstverständlich war, und sich in jedes beliebige Geschöpf verwandeln zu können - durch jeweilige Zaubersprüche. Die Sprüche sollten weiterhin den Verstorbenen:
- vor Dämonen schützen
- vor Fallen der Götter schützen
- vor dem Feuersee, der Hölle bewahren
- befähigen, zwischen Diesseits und Jenseits zu pendeln
- befähigen, im Jenseits zu wohnen
- befähigen, Wasser, Nahrung, Opfergaben etc. im Jenseits nutzen zu können
- durch geographische Kenntnis der Orte im Jenseits, der Namen der Götter und wichtiger Gegenstände (wie beispielsweise der Pforte ins Jenseits), ins Jenseits geleiten.
- den Göttern gleichstellen und ihnen bekanntmachen u.A.
Trotz grundlegender Verschiedenheiten zwischen den Vorstellungen der aktuellen Religionen vom Tod und den Altägyptischen gibt es Parallelen. Das ägyptische Totenbuch kann als "negatives Glaubensbekenntnis" bezeichnet werden. Der Tote berichtet den 42 Richtergöttern beim Totengericht, welche Freveltaten er nicht begangen hat. Der Dekalog der jüdisch-christlichen Tradition ist vermutlich eine Entlehnung aus dem ägyptischen Totenbuch.
- ...Nicht hab ich bewirkt das Leiden der Menschen,
- Noch meinen Verwandten Zwang und Gewalt angetan.
- Nicht habe ich das Unrecht an die Stelle des Rechtes gesetzt,
- Noch Verkehrs gepflegt mit dem Bösen. ...
- Negatives Sündenbekenntnis I, aus: Kapitel 124, [3]
Viele der Sprüche enthalten unter anderem eine Rubrik, die deren Zweck und die Art, wie sie rezitiert werden sollen, beschreibt.
Ein Beispiel:
- Wenn der Verstorbene dieses Kapitel kennt, wird er in der Unterwelt zu einem geheiligten Geiste werden; er wird dort nicht zum zweiten Male sterben; zu Osiris Füßen sitzend wird er dort seine Nahrung empfangen...
- aus: Kapitel 135 [3]
Siehe auch
- Bestattungsritus (Altägypten)
- Die drei großen Einweihungszentren:
- Tibetisches Totenbuch
Literatur
Übersetzungen
- Das Ägyptische Totenbuch. Übersetzt und kommentiert von Gregoire Kolpaktchy. Scherz, Frankfurt a. Main 1970
Sekundärliteratur
- Erik Hornung: Das Totenbuch der Ägypter. Artemis-Verlag, Zürich 1979, ISBN 3-491-69123-0
- E. A. Wallis Budge: The Egyptian Book of the Dead. Dover Publications, New York 1997
- Burkhard Backes, Irmtraut Munro, Simone Stöhr (Herausgeber): Totenbuch-Forschungen, Gesammelte Beiträge des 2. Internationalen Totenbuch-Symposiums 2005, Studien zum Altägyptischen Totenbuch 11, Wiesbaden 2006
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Hans Bonnet: Lexikon der ägyptischen Religionsgeschichte (3. Aufl.). Berlin: de Gruyter 2000, S. 824.
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