Hillbilly-Musik

Hillbilly-Musik

Der Begriff Old-Time Music bezeichnet die ursprüngliche Form der Country-Musik von 1920 bis ungefähr 1939. Häufig wird auch der Ausdruck Hillbilly Music benutzt, mit dem jedoch unpräziser oft auch einfach Country-Musik bis etwa 1950 gemeint ist.

Die Old-Time Music zählt zu den Genres der American Roots Music, den traditionellen Musikrichtungen, aus denen später die kommerzielle und heute geläufige moderne Musik entstand.

Inhaltsverzeichnis

Stilistische Merkmale

Old-Time Music unterscheidet sich in vielen Merkmalen von der heutigen zeitgenössischen Country-Musik. Geprägt war die Musik häufig von einfachen Arrangements, wenigen Instrumenten und langen Instrumentalphasen. Häufig eingesetzte Instrumente waren Gitarre, Banjo, Fiddle und Mundharmonika, später auch Bass und Steel Guitar. Die Texte handelten meist von der Liebe, dem Fernweh der Wanderarbeiter sowie der Armut. Ein weiteres Merkmal war das so genannte Blue Yodeling, eine abgewandelten Form des Jodelns.

Hörbeispiele

LittleBessie.ogg
Little Bessie

Das Stück Little Bessie wurde im November 1929 von den Alabama Barnstormers aufgenommen. Diese Name war ein Pseudonym für das erfolgreiche Duo Darby and Tarlton. Der Harmoniegesang des Duos ist mit dem Gitarrenspiel der beiden unterlegt. Es stellt ein typisches Beispiel für ein Old-Time-Stück dar, da es ein altes Volkslied mit einer sparsamen Besetzung ist. Diese alten Balladen waren oft Thema der Old-Time Music.

MilwaukeeBlues.ogg
Milwaukee Blues

Der Milwaukee Blues wurde 1930 als Fiddle-Stück von Charlie Poole und seinen North Carolina Ramblers aufgenommen. Poole hatte seit 1925 mit seiner Mischung aus alten Fiddle-Stücken, Tin Pan Alley und Ragtime eine unvergleichliche Variante der Old-Time Music geschaffen und beeinflusste alle späteren Stringbands. Gespielt mit einer Fiddle, einem Banjo und einer Gitarre stellt der Milwaukee Blues hier eine typische Stringband-Besetzung dar. Die langen Instrumentalphasen sind ebenfalls kennzeichnend dafür.

Stilrichtungen

Hauptstilrichtungen

Die beiden verschiedenen Stile der Old-Time Music sind zwar nicht spezifisch benannt, können aber grob eingeteilt werden. Die erste Richtung hat vor allem zwei Merkmale: der Sänger, meist nur einer, begleitet sich auf der Gitarre und häufig sind Jodler eingebaut. Als Beispiele für Musiker sind hier Riley Puckett, Jimmie Rodgers, Moonshine Kate, David Miller und der kaum bekannte Marc Williams angeführt. Auf einigen Aufnahmen werden solche Stücke noch von einem Banjo begleitet, wie unter anderem bei In the Jailhouse Now von Jimmie Rodgers oder bei Atlanta Bound des jungen Gene Autry.

Gid Tanner and the Skillet
Lickers - John Henry, 1927

Die zweite hauptsächliche Stilrichtung befasst sich mit dem Stringband-Typ. Die Gitarre-Fiddle-Banjo-Kombination ist hier markantes Merkmal. Bekannte Stringband-Formationen sind beispielsweise Gid Tanner and his Skillet Lickers, Charlie Poole and the North Carolina Ramblers sowie Fiddlin' John Carson and his Virginia Reelers. Anders als bei den einfachen Gitarrenbegleitungen liegen häufig zwischen den eher kurzen lyrischen Phasen lange und oft virtuose Fiddle-Einlagen. Bekannte Beispiele sind von den Skillet Lickers Casey Jones, Watermelon Hangin' On The Vine oder John Henry, von Charlie Poole The Girl I Left In Sunny Tennessee, Take A Drink On Me, und White House Blues oder Hen Cackle von Fiddlin' Powers and Family.

Weitere Stilrichtungen

Country Blues

Der Country Blues meint nicht im eigentlichen Sinne Blues (Delta Blues), sondern Old-Time Music mit Merkmalen aus dem Blues, wie zum Beispiel das 12-taktige Bluesschema, die Individualität des Sängers oder die melancholischen Texte. Diese typischen Bluesmerkmale finden sich beispielsweise oft in Songs von Jimmie Rodgers, Cliff Carlisle und Montana Slim wieder. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Trouble Minded Blues, eigentlich ein bekanntes Bluesstück, das in den 1930er Jahren von Cliff Carlisle und Wilber Ball gecovert wurde.

Country Gospel

Der Country Gospel, der in den 1960er Jahren erneut populär wurde, erfreute sich in den 1930er- und 1940er-Jahren großer Beliebtheit. Anders jedoch als im schwarzen Gospel, der mit einem Chor oder mindestens fünf Sängern besetzt ist, gibt es im Country Gospel oft nur zwei bis vier Sänger, wobei der Hauptsänger den größten Teil des Textes singt. Bekannte Country-Gospel-Stücke sind unter anderem Don't You Hear Jerusalem Moan? von Gid Tanner and his Skillet Lickers, das zeitlose Will the Circle Be Unbroken (Bye and Bye) oder das von Albert E. Brumley geschriebene I'll Fly Away der Brown's Ferry Four, das später auch von Ferlin Husky und Alan Jackson gecovert wurde.

Folk

Der Folk der 1920er-Jahre war eng mit der Old-Time Music der amerikanischen Südens verwandt. Die Wurzeln des Folks finden sich in den abgelegenen Bergregionen der Appalachen. Die bekanntesten Musiker dieser Richtung waren Buell Kazee, Dock Boggs und Clarence Ashley. Die meisten Folk-Musiker stammten aus diesen Regionen und lernten die Stücke in ihrer Familie. Begleitet wurde der Gesang, der meist religiösen Inhalt hatte, oft nur mit einem Banjo, wie bei den bekannten Stücken The Dying Soldier von Buell Kazee, Danville Girl und Country Blues von Dock Boggs und Coo Coo Bird von Clarence Ashley. Die Folk-Musik der 1920er-Jahre erlebte 40 Jahre später ein Revival, bei dem alte Künstler erneut populär wurden.

Frank Ferera - Southern Blues, 1924

Hawaiian Music

Die Hawaiian Music oder auch Hawaiian Country ist eine Folklore der Einwohner Hawaiis. Durch hawaiische Einwanderer kam sie um 1900 auf das nordamerikanische Festland. Durch Vaudeville- und Minstrel-Shows verbreitete sich die Musik rasch in den USA und war dort bereits vor Ende des ersten Weltkriegs sehr beliebt.

Geprägt ist die Hawaiian Music vor allem durch eine einfache Instrumentierung mit Gitarre sowie Steel Guitar, die vom Musiker Joseph Kekuku erfunden wurde. Bekannte Vertreter sind Frank Ferera, Sam Ku West, Roy Smeck und Jerry Byrd. Durch Sol Hoopii wurde dieser Stil auch im Filmgeschäft populär; auch die spätere Country-Musik wurde vor durch die Einführung der Steel Guitar beeinflusst. Typische Stücke der Hawaiian Music sind beispielsweise Ua Like No Alike, die verschiedenen Hawaiian Airs Medleys, Hawaiian Oe und der St. Louis Blues, der im Jazz populär ist.

Hillbilly Boogie

Stilistisch gehört der Hillbilly Boogie nicht mehr zur Old-Time Music, sondern bildet eine kleine Stilrichtung der späteren Country-Musik der 1940er Jahre. Durch Vermischung von Boogie Woogie, traditionellem Country und Honky Tonk entstand so eine meist schnelle Art der Country-Musik. Oft eingesetzte Instrumente waren Fiddle, Mundharmonika sowie eine elektrisch verstärkte Gitarre. Typische Stücke sind beispielsweise von Tennessee Ernie Ford (Shotgun Boogie, Sixteen Tons), Red Foley (Rockin' and A-Reelin’), The Delmore Brothers (Pam American Boogie, Freight Train Boogie) und von Hardrock Gunter (Birmingham Bounce).

Der Hillbilly Boogie hatte auch einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf den späteren Rockabilly.

Geschichte

Anfänge

Fiddlin' John Carson - Little Old
Log Cabin In The Lane
, 1923

Die Old-Time Music hat ihre Wurzeln in den einzelnen Volksmusiken der europäischen Einwanderer. Durch herumreisende Vaudeville-Shows, Minstrels oder Zeltshows wurde diese Mischform in den gesamten Vereinigten Staaten verbreitet, jedoch galt dieses Genre als primitiv und zu einfach, daher wurde es von der aufkommenden Plattenindustrie Anfang des 20. Jahrhunderts ignoriert.

1922 ließen die Fiddler A.C. „Eck“ Robertson und Henry Gilliland bei RCA Victor in New York City die ersten Plattenaufnahmen mit den Titeln Sally Gooden und Arkansas Traveller produzieren[1]. Eine weitere Schallplattenaufnahme machte Produzent Ralph Peer 1923 mit dem 55-jährigen Fiddler Fiddlin’ John Carson für das kleine Okeh-Label. Seine Platte, Little Old Log Cabin in the Lane auf der A-Seite und The Old Hen Cackled auf der B-Seite verkaufte sich ebenso wie die Platte von Robertson und Gilliland unerwartet gut.

In den nächsten Jahren tauchten unzählige weitere erfolgreiche Musiker wie Wendell Hall, Vernon Dalhart und Riley Puckett auf. Um 1925 erlebte die Old-Time Music ihre ersten beiden frühen Stars: Charlie Poole und die Skillet Lickers, angeführt von dem Fiddler Gid Tanner erreichten mit ihren Veröffentlichungen die gesamten Südstaaten.

Aufstieg und kommerzielles Ende

Cliff Carlisle

Doch die ersten beiden Superstars der Old-Time Music und zugleich auch der danach folgenden Country-Musik wurden 1927 buchstäblich über Nacht berühmt: Jimmie Rodgers und die Carter Family verkauften ihre Platten millionenfach.

Durch die Weltwirtschaftskrise kam die Blütezeit des Old-Time zunächst zu einem frühen Ende; Anfang der 1930er Jahre erholte sich die Schallplattenindustrie wieder und auch die Old-Time Music kam wieder zu größerem Erfolg. Die "goldenen Jahre" konnten jedoch nie wiederholt werden. Erfolgreiche Musiker, die in den 1930er- und 1940er-Jahren mit Old-Time Music erfolgreich waren, sind unter anderem die Blue Sky Boys, Cliff Carlisle, die Monroe Brothers und Riley Puckett. Doch von nun an dominierten andere, neue Stilrichtungen wie der Honky Tonk oder die Western Music die Country-Szene.

In den 1960er Jahren lebte die Old-Time Music im Rahmen des Folk-Revivals noch einmal auf, kommerziellen Erfolg hatte sie jedoch keinen mehr. Einige wenige alte Musiker der 1920er-Jahre, wie Buell Kazee, Dock Boggs oder Clarence Ashley, konnten noch einige Erfolge verzeichnen.

Herkunft des Begriffes Old-Time/Hillbilly

Die Country-Musik hatte Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts noch keinen einheitlichen Namen. Sie wurde häufig als Mountain Music oder Old-Time bezeichnet. 1925 griff der Produzent Ralph Peer eine Bemerkung des Musikers Al Hopkins auf, der sich und seine Band als "eine Gruppe von Hillbillys" bezeichnete. Fortan wurden die Platten von Hopkins' zu einem großen Teil als The Hill Billies veröffentlicht. Hillbilly kann etwa mit Hinterwäldler oder Landei übersetzt werden.

Als erste öffentliche Erwähnung des Begriffs gilt ein Artikel im New York Journal vom 23. April 1900, der sich mit dem ausgelassenen Treiben der Landbevölkerung beschäftigte: "A Hill-Billie (sic!) is a free and untrammeled white citizen of Alabama, who lives in the hills, has no means to speak of, dresses as he can, talks as he pleases, drinks whiskey when he gets it, and fires off his revolver as the fancy takes him."[2] Daraus hat sich wohl auch die landläufige Definition entwickelt, die in etwa lautet: "Ein Hillbilly ist jemand, der nichts besitzt, redet, wie er will, trinkt, wann er will und schießt, wenn er dazu Lust hat".

Die griffige Bezeichnung setzte sich schnell durch und blieb mehrere Jahrzehnte lang gültig. In den dreißiger Jahren begann die Country-Musik ihren ehemals ländlichen Charakter zu verlieren. Ab Mitte der vierziger Jahre setzte sich dann zunehmend der Begriff Country-Musik durch. Noch heute taucht Hillbilly hin und wieder in Liedtexten (z. B. Hillbilly Heaven) oder Band-Namen (z. B. Notting Hillbillies) auf.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Franz Dobler: Auf des Toten Mannes Kiste, S. 129
  2. zitiert nach Oermann, Robert K.: A Century of Country, S.11.

Weblinks


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