Hochschulring deutscher Art

Hochschulring deutscher Art

Der Deutsche Hochschulring (DHR) – örtlich auch als Hochschulring Deutscher Art (HDA) bezeichnet – war eine interkorporative, d. h. verbindungsübergreifende Sammlungsbewegung „national“ und „völkisch“ gesinnter Studenten in der Weimarer Republik. Der DHR errang vor allem in der ersten Hälfte der 1920er Jahre großen Einfluss in den örtlichen Allgemeinen Studentenausschüssen (AStA) sowie in deren Dachverband Deutsche Studentenschaft (DSt). Er war an zahlreichen republikfeindlichen und antisemitischen Aktionen an deutschen Hochschulen während der 1920er Jahre (wie zum Beispiel gegen Theodor Lessing in Hannover) maßgeblich beteiligt und gilt als Wegbereiter der nationalsozialistischen Ideologie in der Studentenschaft. Mit dem Aufkommen des NS-Studentenbunds verlor der DHR jedoch an Bedeutung.

Entwicklung

Gegründet wurde der DHR am 22. Juli 1920 in Göttingen von 19 örtlichen Hochschulringen und Gruppen. Einige dieser Gruppierungen waren bereits 1918/19 als unmittelbare Reaktion auf die Novemberrevolution entstanden, so um Beispiel der Studentische Bund zur Hebung des nationalen Gedankens in Göttingen, der Bund der Frontsoldaten in Leipzig oder die Fichte-Hochschulgemeinde in Berlin. Letztere war bereits im Juni 1919 dadurch in Erscheinung getreten, dass einige ihrer Mitglieder die im Berliner Zeughaus aufbewahrten französischen Truppenfahnen aus dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 öffentlich verbrannten, „um sie vor der Schmach der Auslieferung an die Franzosen zu bewahren“.

Der DHR betrachtete sich selbst als „völkisches Gewissen“ der Studentenschaft und wollte „allen Deutschen ein Vorbild völkischer Einheit“ sein. In seinem Programm bekannte er sich zum „deutschen Volkstum“ und erstrebte die „deutsche Volksgemeinschaft“. Aufgrund seiner offen nationalistischen und republikfeindlichen Einstellung – der Münchner Hochschulring war 1923 sogar aktiv am Hitlerputsch beteiligt – war der DHR zeitweise an einigen Hochschulorten (Breslau, Jena sowie im besetzten Rheinland) verboten.

An den übrigen Hochschulen erfreute er sich jedoch großer Beliebtheit und errang bei zahlreichen AStA-Wahlen große Stimmanteile und zum Teil absolute Mehrheiten. Dabei kam ihm zugute, dass er seit seiner Gründung von nahezu sämtlichen großen Korporationsverbänden – die zusammen rund zwei Drittel der organisierten Studenten umfassten – unterstützt wurde. Auch ein großer Teil der „vaterländisch und national gesinnten“ Freistudentenschaft engagierte sich in den örtlichen Hochschulringen. Lediglich die katholischen Verbindungen lehnten den DHR entweder von Anfang an ab (UV) oder zogen sich nach anfänglichem Interesse ab 1923 wieder aus ihm zurück (KV, CV).

Aufgrund seines dominierenden Einflusses in den lokalen Studentenausschüssen besaß der DHR auch ein erhebliches Gewicht in der Deutschen Studentenschaft und profilierte sich dort vor allem durch seinen Einsatz für das sog. Arierprinzip, das jüdische und ausländische Studierende von der Mitgliedschaft ausschließen sollte. Der hierum entbrennende „Verfassungskonflikt“ führte letztlich 1927 zur Auflösung der verfassten Studentenschaften in Preußen, ohne dass der Einfluss der Radikalen damit eingedämmt werden konnte.

Der DHR selbst geriet jedoch ab 1926 in eine krisenhafte Entwicklung, die durch den Austritt örtlicher Ringe sowie einzelner Verbände beschleunigt wurde und sich auch in sinkenden Wahlergebnissen niederschlug. In den letzten Jahren der Weimarer Republik wurde er schließlich vom NS-Studentenbund überflügelt.

Literatur

  • Friedrich Schulze/Paul Ssymank: Das deutsche Studententum von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart, 4. Aufl. München 1932, S. 481ff.
  • Jürgen Schwarz: Studenten in der Weimarer Republik. Die deutsche Studentenschaft in der Zeit von 1918 bis 1923 und ihre Stellung zur Politik, Berlin 1971 ISBN 3-428-02363-3

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