- Hubbrücke Karnin
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Die Hubbrücke Karnin ist eine 1933 eröffnete und 1945 zerstörte Eisenbahnbrücke über den Peenestrom. Sie war Bestandteil der ehemaligen Eisenbahnlinie Ducherow–Swinemünde. Das Hubteil der Brücke steht seit Kriegsende als unverändertes Fragment und als technisches Denkmal mitten im Peenestrom. Es wurde für die Auszeichnung als Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland vorgeschlagen.
Inhaltsverzeichnis
Aufbau und Geschichte
Ein Vorgänger der Hubbrücke wurde 1875 zunächst als handbetriebene Drehbrücke gebaut. Sie musste für den Schiffsverkehr im Peenestrom stets offen stehen und wurde nur geschlossen, wenn ein Zug die Brücke passieren sollte. 1908 erfolgte der zweigleisige Ausbau der Strecke.
Aufgrund des gestiegenen Zugbetriebes und der höheren Verkehrslasten erfolgte in den Jahren 1932/33 bei laufendem Zugverkehr der Bau der Hubbrücke. Im gleichen Zeitraum wurde das heute noch in Betrieb befindliche Schiffshebewerk Niederfinow erbaut, bei dem ähnliche Konstruktionsgrundsätze angewendet wurden. Die Gemeinsamkeit beider Projekte ging so weit, dass die Seile der Hubbrücke Karnin auf der Baustelle des Schiffshebewerkes Niederfinow vorgespannt und anschließend mit Spezialwagen der Bahn nach Karnin transportiert wurden.
Die Brücke hatte eine Gesamtlänge von 360 Metern, die Länge des Hubgerüstes betrug 51,7 Meter, die Höhe 35 Meter. Der Mittelpfeiler der zuvor bestehenden Drehbrücke blieb als zusätzliches Widerlager für den Hubteil bestehen; hiermit und zusammen mit einer leichten Konstruktion des eigentlichen Hubteils ergaben sich erhebliche Einsparungen bei den zu bewegenden Massen der Brücke.
Die Brücke war bis zu ihrer Zerstörung am 29. April 1945 die wichtigste Verkehrsanbindung von Usedom an das Festland. Die Brücke quert den Strom, wie der südliche Teil des Peenestroms von der Flussmündung der Peene bis zum Stettiner Haff genannt wird, zwischen Kamp und Karnin. Diese Verbindung war für die touristische Entwicklung der Insel, aber auch für den Standort militärischer Einrichtungen auf Usedom (Munitionslager bei Usedom, Heeresversuchsanstalt Peenemünde ab 1936) von großer Bedeutung. Am Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Brücke von der Wehrmacht gesprengt, um der Roten Armee den Vormarsch zu erschweren. Zerstört wurden dabei die insel- und festlandseitigen Flutbrücken, die eigentliche Hubbrücke blieb unbeschädigt. Begründet wurde das Verschonen des Mittelteiles mit den im Stettiner Haff operierenden deutschen Marineeineheiten, denen man einen Fluchtweg in die Ostsee offen halten wollte.
Nach dem Krieg wurde die Bahnverbindung und mit ihr die Brücke nicht mehr aufgebaut, weil ein Teil der Strecke nun über polnisches Gebiet Usedoms bei Swinemünde (polnisch: Świnoujście) verlief. Die gesprengten und in den Peenestrom gestürzten Flutbrücken wurden nach 1945 geborgen und zum Teil zum Wiederaufbau der zerstörten Oderbrücken der Ostbahn in Küstrin verwendet. Der Verlauf des ehemaligen Streckenabschnitts der Bahnstrecke Ducherow–Karnin–Usedom–Dargen–Swinemünde ist auf Satelliten- und Luftaufnahmen zu erkennen.
Die in den 1960er Jahren durchgeführten Planungen zum Wiederaufbau der Bahnstrecke und der Brücke sind bisher immer wieder verschoben worden. Ihre Verkehrsaufgabe wird derzeit von der Peenebrücke Wolgast übernommen, die als kombinierte Eisenbahn- und Straßenbrücke ausgeführt wurde.
1990/91 rettete der Brückenbau-Ingenieur Hans Nadler den Hubbrückenteil vor dem akut drohenden Abriss. Zur Durchsetzung seiner Ziele (denkmalpflegerischer Erhalt und Wiederaufbau) gründete er mit Gleichgesinnten 1992 den Usedomer Eisenbahnfreunde e. V. Der Verein restaurierte ab 1997 das Empfangsgebäude des Bahnhofs Karnin und betrieb dort von 1999 bis 2005 eine kleine Ausstellung zur Streckengeschichte.[1]
Der heutige gute Zustand der Hubbrücke ist darauf zurückzuführen, dass ein rostbeständiger Stahl verbaut wurde, der auch ohne regelmäßige Farberneuerung kaum korrodiert.
Heutige Situation
Im aktuellen Bundesverkehrswegeplan aus dem Jahr 2003 wird der Wiederaufbau der Strecke Seebad Heringsdorf, Świnoujście und Ducherow im Abschnitt der internationalen Projekte aufgeführt. Durch diese Verbindung würde sich die Fahrzeit zwischen Berlin und der Insel Usedom von heute fast vier auf etwa zwei Stunden verkürzen.[2][3] Da die Hubbrücke Karnin zur Eisenbahnlinie Ducherow–Swinemünde gehört, sind die aktuellen Bestrebungen zum Wiederaufbau dort gemeinsam dargestellt. Am 9. April 2010 haben in Berlin rund 50 Politiker und Wirtschaftsvertreter aus Deutschland und Polen das Aktionsbündnis Karniner Brücke gegründet, welches den Wiederaufbau der Bahnstrecke und damit die Reaktivierung der Brücke vorantreiben soll.[4][5][6][7] Im November 2010 startete es eine bundesweite Unterschriftensammlung für den Wiederaufbau der südlichen Bahnanbindung der Insel Usedom über Karnin.[8] Gleichzeitig präsentierten die Usedomer Eisenbahnfreunde e. V. und das „Zweiradmuseum Dargen“ ein Modell der historischen Hubbrücke im Maßstab 1:27, welches in verschiedenen deutschen Großstädten und Stettin öffentlich gezeigt werden soll.[9]
Siehe auch
Literatur
- Joachim Evers, Hans Nadler: Die Eisenbahnhubbrücke Karnin. Radke-Verlag, 2003, ISBN 3-932614-16-X.
- Heiko Bergmann: Die Eisenbahnhubbrücke Karnin – technisches Meisterwerk bei Usedom. Küsten-Regionalverlag, Ueckermünde 2007, ISBN 978-3-9809539-2-4.
Weblinks
Commons: Hubbrücke Karnin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Literatur über Hubbrücke Karnin in der Landesbibliographie MV
- Ein kleiner Schritt für die Bahn, ein großer Schritt für Europa
- Aktionsbündnis Karniner Brücke (Berlin-Usedom in 2 Stunden)
Einzelnachweise
- ↑ Pressemitteilung Usedomer Eisenbahnfreunde vom 26. November 2007 zum Tode Hans Nadlers
- ↑ Peter Neumann: Berliner Zeitung, 14. Mai 2007 Bahn will in zwei Stunden nach Usedom, Berliner Zeitung vom 14. Mai 2007
- ↑ UBB soll ab Juni bis Swinemünde fahren, inselbahn.de, 11. April 2008
- ↑ Berliner Zeitung: Schneller per Zug nach Usedom, Artikel vom 30. März 2010
- ↑ Berliner Zeitung: Per Zug in weniger als zwei Stunden nach Usedom, Artikel vom 12. April 2010
- ↑ Ostsee-Zeitung:Aktionsbündnis für zweite Bahnanbindung gegründet, Artikel vom 10. April 2010
- ↑ www.balticportal.pl, Swinemünde: Berlin-Usedom wieder in 2 Stunden, Artikel vom 9. April 2010
- ↑ Ostsee-Zeitung: Bundesweite Aktion für Süd-Bahnanbindung Usedoms gestartet, Artikel vom 8. November 2010
- ↑ Aktionsbündnis Karniner Brücke: Städtetour des Aktionsbündnisses Karniner Brücke begann erfolgreich, Pressemitteilung vom 11. Oktober 2010, Foto
53.84351374444413.855562211111Koordinaten: 53° 50′ 37″ N, 13° 51′ 20″ OKategorien:- Hubbrücke
- Bauwerk auf Usedom
- Usedom (Stadt)
- Bauwerk im Landkreis Vorpommern-Greifswald
- Eisenbahnbrücke in Mecklenburg-Vorpommern
- Baudenkmal im Landkreis Vorpommern-Greifswald
- Erbaut in den 1930er Jahren
- Ruine
- Peenestrom
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