Fritz Teufel

Fritz Teufel

Fritz Teufel (* 17. Juni 1943 in Ingelheim; † 6. Juli 2010 in Berlin) wurde als West-Berliner Kommunarde, politischer Aktivist, Autor und aktiver Teilnehmer der Studentenbewegung ab 1967 der breiteren Öffentlichkeit bekannt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Fritz Teufel wurde während des Krieges 1943 in Ingelheim als Letztes von sechs Kindern geboren. Die Familie zog 1946 nach Ludwigsburg. Er kam 1963 nach West-Berlin und begann ein Studium der Germanistik, Publizistik und Theaterwissenschaften an der Freien Universität Berlin. Mit Dieter Kunzelmann und Rainer Langhans war er einer der Mitbegründer der Kommune I, die vor allem durch ihre bewusst provokanten und gegen die herrschenden Gesellschaftsbedingungen gerichteten Aktionen weltweite Aufmerksamkeit erregte.[1]

Teufel und andere wurden Anfang 1967 festgenommen, als sie beim Werfen von Tüten beobachtet wurden. Die Polizei und die Presse bezeichneten dies als Attentat auf den damaligen US-Vizepräsidenten Hubert H. Humphrey, die Wurfgeschosse entpuppten sich aber als Pudding- und Mehlbomben („Pudding-Attentat“). Am Tag nach dem Besuch Humphreys wurden die vermeintlichen Attentäter wieder freigelassen.

Am 2. Juni 1967 wurde Fritz Teufel unter dem Vorwurf, einen Stein geworfen zu haben, während der Demonstration gegen den Schah Reza Pahlavi verhaftet und saß bis zum Verhandlungsbeginn im November in Untersuchungshaft. Während der Verhandlungen fiel Fritz Teufel vor allem durch – aus Sicht der Staatsanwaltschaft – respektloses Verhalten auf. Als er eine längere Stellungnahme abgeben wollte, wurde er vom Richter ermahnt, er möge nur Tatsachen vorbringen, die der Wahrheitsfindung dienen. Etwas später kam er dann der Aufforderung des Richters, sich zu erheben, nach mit der Bemerkung: „Wenn’s der Wahrheitsfindung dient.“ Dieser Satz wurde zu einem geflügelten Wort. – Am 22. Dezember 1967 wurde Teufel freigesprochen.

Mit der Zeit bewegte sich Fritz Teufel immer mehr in Richtung des bewaffneten Kampfes und der Stadtguerilla. Zwei Jahre Gefängnis brachte ihm das Herstellen von Brandsätzen ein, die in einem Münchner Gericht gefunden worden waren.

1975 wurde Teufel erneut festgenommen und angeklagt, als führendes Mitglied der Bewegung 2. Juni an der Entführung des Berliner CDU-Vorsitzenden Peter Lorenz mitgewirkt zu haben. Nach 5 Jahren Untersuchungshaft fand 1980 die Gerichtsverhandlung statt. Erst nach den Plädoyers der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft, die 15 Jahre Haft gefordert hatte, legte Teufel ein Alibi vor, mit dem er nachweisen konnte, dass er zur Tatzeit in einer Essener Fabrik (Pagette) unter falschem Namen gearbeitet hatte. Die späte Präsentation des Alibis begründete er damit, so könne er „zeigen, wie ein Angeklagter für definitiv nicht begangene Taten vorverurteilt wurde und wie das ganze System funktionierte“. Außerdem ging er davon aus, dass er wegen unerlaubten Waffenbesitzes bei seiner Verhaftung und wegen Unterstützung der Bewegung 2. Juni ohnehin zu 5 Jahren Haft verurteilt worden wäre.[2] Er wurde zwar umgehend aus der Haft entlassen, jedoch eröffnete das Gericht eine neue Anklage wegen einiger in Berlin begangener Banküberfälle, bei denen die Räuber an Personal und Kunden der ausgeraubten Banken Schokoküsse verteilt hatten. Teufel gab dazu in einem „B-Libi“[3] an, im Tatzeitraum in Köln untergetaucht gewesen zu sein, wollte aber mögliche Entlastungszeugen nicht nennen, um sie nicht ebenfalls der Gefahr einer Strafverfolgung auszusetzen.

Teufel hat laut einem SPIEGEL-Interview vom 3. November 1980 den Begriff der „Spaßgerilja“ geprägt und propagiert: „‚Spaßgerilja‘ ist für mich die aktuelle Form des Klassenkampfes“ und: „Seit ich mich bemühe, den Begriff ‚Spaßgerilja‘ in Umlauf zu bringen, Wortschöpfungen sind mein Hobby …“[4] Am 19. Februar 1982 erregte er in der Fernsehsendung 3 nach 9 Aufsehen, in der er unter anderen mit dem damaligen Bundesminister für Finanzen Hans Matthöfer (SPD) über gutes Benehmen diskutierte. Im Gespräch mit dem Moderator zog er eine Wasserpistole und spritzte den Minister mit Zaubertinte nass. Matthöfer reagierte, indem er Teufel ein Glas Wein übergoss.[5] Anlässlich seines Todes ist Teufel in führenden Medien als „Spaßrevoluzzer“ bezeichnet worden.[6]

Nach Beendigung der Gerichtsprozesse arbeitete Teufel als freier Mitarbeiter bei der taz und als Fahrradkurier in Berlin. Weil er an Parkinson erkrankt war, musste er diese Tätigkeit aber aufgeben.[7] Zuletzt lebte er zurückgezogen mit seiner Lebensgefährtin Helene Lollo und Freunden in Berlin-Wedding. 2001 wurde ihm der Wolfgang-Neuss-Preis für Zivilcourage verliehen. Fritz Teufel in seiner Danksagung: „Dank gilt meinen ungeborenen, ungezeugten Kindern, die mir ein Leben in Luxus und Freude ermöglichen.“[8][9]

Trauerfeier und Grabschändung

Teufel starb am 6. Juli 2010 in Berlin an Parkinson.[10] Die Trauerfeier fand am 15. Juli 2010 auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin-Mitte statt. Ulrich Enzensberger und Hans-Christian Ströbele würdigten Teufel in Nekrologen.[11]

Am 6. August 2010 wurde der Diebstahl von Teufels Urne festgestellt. Da bei der Grabschändung zunächst von politischen Motiven ausgegangen wurde, übernahm der polizeiliche Staatsschutz die Ermittlungen.[12] Am 13. August 2010 wurde die Urne in Berlin-Dahlem neben dem Grab von Rudi Dutschke aufgefunden.[13] Inzwischen geht die Polizei aufgrund eines Bekennerschreibens davon aus, dass es sich um einen makabren Spaß von Sympathisanten Teufels aus der linken Szene handelt.[14]

Zitate über Fritz Teufel

„Rainer Langhans und Fritz Teufel waren die Hauptdarsteller einer Moabiter Seifenoper, über die in der ZEIT ein Artikel erschien unter der Überschrift Die Verfolgung und Ermordung der Strafjustiz durch die Herren Teufel und Langhans. Ohne jede Angst vor Folgen – sie wurden schließlich sogar freigesprochen – führten sie den obrigkeitsstaatlichen Strafprozeß geistreich ad absurdum, nicht nur mit großer Resonanz in der Öffentlichkeit, sondern auch mit zahllosen Ordnungsstrafen wegen Ungebühr vor Gericht, worauf Fritz Teufel in der Verhandlung einen ärztlichen Sachverständigen fragte, ob der Psychiatrie eine Krankheit bekannt sei, die man mit krankhaftem Verhängen von Ordnungsstrafen beschreiben könne, und, falls ja, welches die Therapie sei. Die Antwort des Gerichts: zwei Tage Haft als Ordnungsstrafe. Die Bundesrepublik lachte ebenso wie kurz vorher über Teufels größte Leistung, im Prozeß wegen des angeblichen Steinwurfs auf Polizisten. Der Vorsitzende hatte ihn aufgefordert, er möge gefälligst aufstehen, wenn die Richter in den Saal kommen. Fritz Teufel schraubte sich ganz langsam hoch und sagte: ‚Na ja, wenn's der Wahrheitsfindung dient.‘ Dieser Satz ging durch die Medien und machte Rechtsgeschichte.“

Uwe Wesel[15]

„[…] Sein Lebensweg zeigt, was er sich unter einem Dichter vorstellte: Einen Menschen, der die Poesie nicht in Gedrucktem festhält, sondern sie in subversiver Absicht auf das Leben los läßt. Der rote Faden, der die unterschiedlichen Phasen von Teufels Leben zusammenhält, wurde in der frühen deutschen Romantik konzipiert, von Dada und dem Surrealismus gesponnen und von den Situationisten in die 60er Jahre geschmuggelt: die Befreiung der Poesie aus dem Käfig des Kunstwerks, ihre Entlassung in den Alltag mit dem Auftrag, die Welt zu verändern.“

Eckhard Siepmann[16]

Schriften

  • Rainer Langhans, Fritz Teufel (Hrsg.): Klau mich. StPO der Kommune I. Edition Voltaire, Frankfurt am Main, Berlin 1968 (Reihe: Voltaire Handbuch 2, hrsg. von Bernward Vesper), ISBN 3-88167-022-X. Nachdrucke (ohne die pornografische Beilage): Trikont Verlag, München 1977 und 1978; Rixdorfer Verlagsanstalt, Berlin o. J.
  • Die Unbeugsamen von der Spree, Karl Heinz Roth, Fritz Teufel: Klaut sie! (Selbst)kritische Beiträge zur Krise der Linken und der Guerilla. In: Internationale Taschenbücherei Band 17. IVA-Verlag Polke, Tübingen 1979. ISBN 3-8826-6017-1.
  • Fritz Teufel, Robert Jarowoy: Märchen aus der Spaßgerilja. Libertäre Assoziation, Hamburg / Verlag Roter Funke, Bremen 1980 (ohne ISBN).
  • Fritz Teufel: Wer wird Weltmeister? taz-Kolumne vom 12. Juni 1986 abgerufen am 9. Juli 2010
  • Fritz Teufel: Aus Teufels Küche. a-verbal VerlagsGmbH, Berlin 1988, ISBN 3-88999-008-8 (mit 72 Zeichnungen und 6 Rätseln von Fritz Teufel).
  • Fritz Teufel: Eine Reise vom Neckar zur Mosel. [1], abgerufen am 30. Juli 2010
  • Fritz Teufel: Nichtig und Winzig in Frankreich. [2], abgerufen am 30. Juli 2010
  • Fritz Teufel: Die Reise nach Findland oda: Mehr Liebe für Diebe. [3], abgerufen am 30. Juli 2010

Literatur

Belege

  1. zum Tod von Fritz Teufel - Artikel auf news.de
  2. Fritz Teufels letztes Interview: „Ich war am anfälligsten für die Liebe“, Tagesspiegel, 7. Juli 2010, abgerufen am 8. Juli 2010
  3. Vom A-Libi zum B-Libi taz, 26. Juni 1980
  4. SPIEGEL-Interview vom 3. November 1980
  5. Ausschnitt aus der 3nach9 Sendung vom 19. Februar 1982 im ARD - YouTube Channel [Anmerkung: das angegebene Jahr 1986 ist falsch]
  6. z. B. in den ARD-Tagesthemen, Focus-Online, Süddeutsche Zeitung, BILD-Zeitung, Illustrierte Stern
  7. Lorenz Jäger, Zum Tod von Fritz Teufel. Die Späße, die ihr kennt., faz.net, 7. Juli 2010.
  8. Knud Kohr: Fritz Teufel. Ein Leben fürs Dagegensein. In: Tagesspiegel, 12. Dezember 2001.
  9. Caroline Fetscher: Fritz Teufel: Ein Clown mit Schrotflinte. Tagesspiegel vom 7. Juli 2010
  10. Fritz Teufel ist tot Mitbegründer der "Kommune 1" gestorben (nicht mehr online verfügbar) tagesschau.de, abgerufen am 7.Juli 2010
  11. Mehrere Hundert Wegbegleiter am Sarg von Fritz Teufel Märkische Allgemeine, abgerufen am 17. Juli 2010
  12. Grabräuber stehlen Urne von Fritz Teufel Berliner Morgenpost, abgerufen am 6. August 2010
  13. Teufels Urne und Dutschkes Grab Spiegel Online, abgerufen am 13. August 2010
  14. Fritz Teufels Grabschändung war makabrer Scherz in Welt-online, eingesehen am 24. Mai 2011
  15. Uwe Wesel: Wenn die Linken Schlipse tragen. In: Die Zeit, Nr. 49 (1998), abgerufen am 25. Juli 2010.
  16. Eckhard Siepmann: In Teufels Küche – Weltveränderung durch poetische Praxis. Nachruf in: der Freitag vom 8. Juli 2010, abgerufen am 12. November 2010.

Weblinks


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