Althusius

Althusius
Johannes Althusius, Kupferstich 1650

Johannes Althusius (auch: Althaus, Alphusius; * um 1563 in Diedenshausen; † 1638 in Emden, Ostfriesland), war ein deutscher Rechtsgelehrter, calvinistischer Staatstheoretiker, Stadtsyndikus und Politiker (ab 1604) in Emden.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werdegang

Johannes Althusius entstammte einer bäuerlichen Familie in der Grafschaft Sayn-Wittgenstein. Der Vater, Hans Althaus, war gräflicher Wollaufkäufer und Mühlenbesitzer in Diedenshausen. Althusius besuchte – wie Carl J. Friedrich, einer seiner bedeutendsten Autoren im 20. Jahrhundert – das Gymnasium Philippinum in Marburg und dann die Kölner Artistenfakultät. Er studierte Rechtswissenschaft in Basel, wo er im Humanistenkreis Basilius Amerbachs verkehrte. Möglicherweise lernte er bei einem Studienaufenthalt in Genf auch den französischen Monarchomachen Franz Hotman und den Juristen und Pandektisten Dionysius Gothofredus (eigentl. Denis Godefroy) kennen. Nach seiner Promotion zum Doktor der Rechte in Basel 1586 wurde er auf Grund seiner Erstlingsschrift »De arte Jurisprudentiae Romanae methodice digestae libri II« (Basel 1586), in der er sich zur Methode des empirischen Realismus bekannte, wie sie der französische Logiker Petrus Ramus entwickelt hatte, als erster Rechtsgelehrter an die von der Föderal-Theologie geprägte calvinistische nassauische Hohe Schule Herborn berufen.

In Herborn war Althusius neben seiner Rechtsprofessur gleichzeitig als gräflicher Rat und Rechtsberater für seinen nassauischen Landesherrn, den Grafen Johann VI. den Älteren, einen Bruder Wilhelm von Oraniens, tätig. 1592 folgte Althusius einem Ruf an die calvinistische Hohe Schule in Burgsteinfurt, das Gymnasium Arnoldinum. 1596 kehrte er wieder an die nassauische Hohe Schule zurück, die zu dieser Zeit von Herborn nach Siegen verlegt worden war. 1599/1600 war Althusius Rektor der nassauischen Hohen Schule in Siegen, 1602 nochmal der inzwischen wieder nach Herborn zurückverlegten Hohen Schule, der nach dem Landesherrn genannten Johannea. 1603 erschien sein Hauptwerk, die "Politica Methodice Digesta". 1604 wurde Althusius Stadtsyndikus der Stadt Emden. Er war dies bis ins hohe Alter, lehnte mehrere Rufe als Rechtsgelehrter an holländische Universitäten ab und blieb seiner Wahlheimat Emden bis zu seinem Tod treu.

Wissenschaftliches Werk

Althusius entwickelte auf deutsch-rechtlicher Grundlage und einem calvinistisch, föderal-theologisch beeinflussten und geprägten Staats- und Naturrechtsverständnis die erste normative und systematische Staatstheorie der ständischen Monarchie in der frühen Neuzeit. Der Staatsrechtler, der mit seinem Hauptwerk, der "Politica", als bedeutendster politischer Theoretiker des Calvinismus gilt, wird in der frühen Entwicklung der Föderalismustheorie als der größte Föderalismus-Theoretiker des 16. und 17. Jahrhundert angesehen. Verbunden damit werden Althusius ideengeschichtlich auch Vorstellungen zur Entwicklung und Gestaltung des Subsidiaritätsprinzips zugeschrieben.

In seiner erstmals 1603 erschienenen "Politica Methodice Digesta", deren dritte Auflage von 1614 unter Einbeziehung seiner Erfahrungen in der politischen Praxis in Emden als die wichtigste angesehen wird, entwickelte er in seiner ständisch-korporativistischen Staatstheorie eine von unten nach oben aufgebaute konsoziale, genossenschaftsorientierte Staats- und Gesellschaftslehre mit der von der Familie über die Stände bis zum Staat stufenweisen Vergemeinschaftung (consociatio) der Individuen, die den Geboten Gottes zu gehorchen haben und in der Souveränität des Staatsvolkes miteinander verbunden sind.

Das Souveränitätsverständnis des calvinistischen Staatstheoretikers wird als Gegenentwurf zu dem monarchisch-absolutistisch denkenden französischen Souveränitätstheoretiker Jean Bodin angesehen. Das Verständnis von der Volkssouveränität ist bei Althusius noch nicht mit den individuellen Rechten verbunden, wie sie erst später im rationalen Naturrecht und in der Vertragstheorie zum Ausdruck kommen, seine an die Monarchomachen angelehnten und übernommenen Vorstellungen vom Widerstandsrecht gegen tyrannische Herrscher bleiben auf die Vertreter der Stände und die Träger der monarchisch-ständischen Herrschaftsordnung beschränkt.

Althusius wird in der politischen Ideengeschichte vorwiegend als Übergangstheoretiker wahrgenommen, der die ausgereifteste und systematischste Staatstheorie des frühneuzeitlichen Ständestaates verfasst hat, mit seinem Staatsmodell den Durchbruch zum modernen Verfassungsstaat, zum modernen, neuzeitlichen Demokratieverständnis aber noch nicht vollzogen hat. Wirkungsgeschichtliche Bedeutung und Einfluss der Staatsrechtslehre des Althusius, die zunächst im universitären Schriftentum noch größere Verbreitung gefunden hatte, blieben zumal in der Zeit des aufkommenden Absolutismus im 17. Jahrhundert vorwiegend auf das calvinistische Umfeld - insbesondere in Deutschland und den Niederlanden - begrenzt. [1]

Nachleben und Gedenken

Die 1959 in Münster gegründete Johannes-Althusius-Gesellschaft, Gesellschaft zur Erforschung der Naturrechtslehren und der Verfassungsgeschichte des 16. bis 18. Jahrhunderts, erforscht, ausgehend von Leben und Werk des Althusius die Rechts- und Staatslehren sowie die Rechts- und Verfassungsgeschichte der frühen Neuzeit als einer bis in die Gegenwart fortwirkenden Epoche gesamteuropäischen rechtlichen und politischen Denkens.

In seinem Geburtsort Diedenshausen, einem Ortsteil von Bad Berleburg, wurde Althusius im Heimathaus des Dorfes eine Gedenkstätte eingerichtet. Die Stadt Bad Berleburg benannte ihr Gymnasium im Jahr 1962 nach Johannes Althusius. Auch in Emden wurde das Gymnasium, dessen Vorläufer als Lateinschule bis ins 15. Jahrhundert zurückreicht, im Jahr 1972 in Johannes-Althusius-Gymnasium benannt.

Ausgewählte Literatur

  • Otto von Gierke: Johannes Althusius und die Entwicklung der naturrechtlichen Staatstheorie, Berlin, 1880, unveränderte 7. Auflage Aalen, 1981
  • Carl Joachim Friedrich: Introductory Remarks, in: ders. (Hrsg.): Politica methodice digesta of Johannes Althusius, Cambridge (Mass.), 1932
  • Erik Wolf: Johannes Althusius, in ders.: Große Rechtsdenker der deutschen Geistesgeschichte, Tübingen, 1939, 4. Auflage 1963, S.177-219
  • Ernst Reibstein: Johannes Althusius als Fortsetzer der Schule von Salamanca, Karlsruhe 1955
  • Heinz Antholz: Die politische Wirksamkeit des Johannes Althusius in Emden, Aurich, 1955
  • Peter Jochen Winters: Die Politik des Johannes Althusius und ihre zeitgenössischen Quellen, Freiburg/Br., 1963
  • Hans Ulrich Scupin: Der Begriff der Souveränität bei Johannes Althusius und bei Jean Bodin. In: Der Staat 4, 1965, S. 170-190
  • Hans Ulrich Scupin /Ulrich Scheuner, Althusius-Bibliographie, bearbeitet von Dieter Wyduckel, Berlin 1973
  • Carl Joachim Friedrich: Johannes Althusius und sein Werk im Rahmen der Entwicklung der Theorie von der Politik, Berlin, 1975
  • Peter Jochen Winters: Johannes Althusius. In: Michael Stolleis (Hrsg.): Staatsdenker im 17. und 18. Jahrhundert. Reichspublizistik - Politik - Naturrecht. S. 29-50, Frankfurt, 1977
  • Peter Graf Kielmannsegg: Volkssouveränität. Eine Untersuchung der Bedingungen demokratischer Legitimität. Darin: Auf dem Weg in die Neuzeit, Kapitel mit Johannes Althusius, S. 59-98, Stuttgart, 1977
  • Hendrik Jan van Eikema Hommes: Die Bedeutung der Staats- und Gesellschaftslehre des Johannes Althusius für unsere Zeit. In: Recht und Staat im sozialen Wandel. Festschrift für Hans Ulrich Scupin. S. 211-232, Berlin, 1983
  • Michael Behnen: Herrscherbild und Herrschaftstechnik in der 'Politica' des Johannes Althusius, in: Zeitschrift für Historische Forschung 11 (1984), S. 417-472
  • Horst Denzer: Spätaristotelismus, Naturrecht und Reichsreform: Politische Ideen in Deutschland 1600-1750, in: Iring Fetscher/Herfried Münkler (Hrsg.): Pipers Handbuch der Politischen Ideen, Bd. 3, Neuzeit: Von den Konfessionskriegen bis zur Aufklärung, S. 233-273, München, 1985
  • Hasso Hofmann: Repräsentation in der Staatslehre der frühen Neuzeit - Zur Frage des Repräsentationsprinzips in der 'Politica' des Johannes Althusius, in ders.: Recht - Politik - Verfassung. Studien zur Geschichte der politischen Philosophie, S. 1-30, Frankfurt, 1986
  • Karl-Wilhelm Dahm/Werner Krawietz/Dieter Wyduckel (Hrsg.): Politische Theorie des Johannes Althusius, Berlin, 1988
  • Thomas O. Hüglin: Sozietaler Föderalismus. Die politische Theorie des Johannes Althusius, Berlin/New York, 1991
  • Horst Dreitzel: Althusius 1614, u.a. zu Entwicklung und Grundlagen seiner Politica. In ders.: Absolutismus und ständische Verfassung in Deutschland. Ein Beitrag zu Kontinuität und Diskontinuität der Politischen Theorie in der Frühen Neuzeit. S. 17-32, Mainz, 1992
  • Peter Nitschke: Johannes Althusius - oder: der Begriff des Politischen als theokratischer Reflex. In ders.: Staatsräson kontra Utopie?. S. 153-177, Stuttgart/Weimar, 1995
  • Giuseppe Duso/Werner Krawietz/Dieter Wyduckel (Hrsg.): Konsens und Konsoziation in der politischen Theorie des frühen Föderalismus, Berlin, 1997
  • Peter Blickle/Thomas O. Hüglin/Dieter Wyduckel (Hrsg.): Subsidiarität als rechtliches und politisches Ordnungsprinzip in Kirche, Staat und Gesellschaft, Berlin, 2002
  • Emilio Bonfatti/Giuseppe Duso/Merio Scattola (Hrsg.): Politische Begriffe und historisches Umfeld in der Politica Methodice Digesta des Johannes Althusius, Wiesbaden, 2002
  • Johannes Althusius: Politik, dt. Teilübersetzung der Politica des Johannes Althusius von Heinrich Janssen, in Auswahl herausgegeben, überarbeitet und eingeleitet von Dieter Wyduckel. (Einführung mit Althusius-Biographie und neuerem Literaturüberblick), Berlin 2003
  • Frederick S. Carney/Heinz Schilling/Dieter Wyduckel (Hrsg.): Jurisprudenz, Politische Theorie und Politische Theologie. Symposion zum 400. Jahrestag der Politica des Johannes Althusius 1603-2003, Berlin, 2004
  • Thomas O. Hüglin: Johannes Althusius, Überblicksdarstellung in: Wilhelm Bleek/Hans J. Lietzmann (Hrsg.) Klassiker der Politikwissenschaft, S. 65-78, München, 2005
  • Henning Ottmann: Johannes Althusius oder Reformierte Politik auf Deutsch, Überblicksdarstellung in: ders. (Hrsg.): Geschichte des politischen Denkens, Die Neuzeit. Von Machiavelli bis zu den großen Revolutionen, S. 93 ff., Stuttgart/Weimar, 2006
  • Giuseppe Duso: Die moderne politische Repräsentation: Entstehung und Krise des Begriffs. Darin u.a.: Von der ständischen zur modernen Repräsentation - Der Begriff des Volkes und die ständische Repräsentation - Naturgemäße Gemeinschaft und Regierung bei Althusius, S. 61 ff., Dt. Übersetzung, Berlin, 2006
  • Peter Nitschke: Johannes Althusius, Politik, Überblicksdarstellung in: Manfred Brocker (Hrsg.): Geschichte des Politischen Denkens, S. 167-181, Frankfurt, 2007

Einzelnachweise

  1. Klaus von Beyme: Politische Theorien im Zeitalter der Ideologien, 2002

Weblinks


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