- Ignace Murwanashyaka
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Ignace Murwanashyaka (* 14. Mai 1963 in Butare, Ruanda[1]) ist der Anführer der Forces Démocratiques de Libération du Rwanda (FDLR), einer Rebellengruppe der Volksgruppe der Hutu, die auf dem Staatsgebiet der Demokratischen Republik Kongo operiert. Die Gruppe ist für Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in großer Anzahl bekannt und wurde vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen 2004 zur Entwaffnung und zum sofortigen Verlassen des Landes aufgefordert.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Studium und Asyl
Murwanashyaka kam im März 1989 als Wirtschaftsstudent mit einem Stipendium für die Bonner Universität nach Deutschland. Auch während des ruandischen Genozids 1994 hielt er sich in Deutschland auf. Er zog nach Mannheim, heiratete dort eine Deutsche und bekam mit ihr mindestens zwei Kinder. 2001 promovierte er an der Universität zu Köln zum Thema „Geldnachfrage in Südafrika“.
Im Februar 2000 beantragte Murwanashyaka in Deutschland Asyl. In seinem 25-seitigen Antrag gab sich der Ruander als politisch Verfolgter aus. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) genehmigte den Antrag binnen sechs Wochen. Er erhielt eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.[2]
FDLR
Zwischen 2001 und 2006 reiste Murswanashyaka mehrfach zwischen Deutschland und Kongo hin und her, unterzog sich in den Wäldern sogar einer zweimonatigen Militärausbildung. Er reiste mit einem ugandischen Pass und einem deutschen Pass, der nicht auf seinen Namen ausgestellt war. Bei seiner ersten Reise, nach Kinshasa 2001, wurde er von 30 Wahlmännern einstimmig zum Präsidenten der FDLR gewählt. 2005 wurde er mit 24 von 27 Stimmen im südkongolesischen Lubumbashi wiedergewählt.[3]
Wie ein Feldherr habe Murwanashyaka auf seinem monatelangen Gewaltmarsch im Jahr 2005 von Bukavu nach Rutshuru jedem Bataillon einen Besuch abgestattet und den Kommandanten Bündel mit Dollarscheinen überreicht, berichtet einer seiner 30 persönlichen Leibwächter, der ihn auf der monatelangen Reise begleitete, der TAZ.[4]
Ermittlungen
Nachdem gegen ihn 2006 durch die Bundesanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen „Anfangsverdachts wegen Beteiligung an Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Demokratischen Republik Kongo“ eingeleitet wurde[5], wurde ihm zeitweise das Aufenthaltsrecht entzogen. Die Anklage wurde später aus Mangel an Beweisen fallen gelassen.[6]
Für Äußerungen, die gegen das Verbot der politischen Betätigung verstießen, das die Stadt Mannheim verfügt hatte, wurde Murwanashyaka vom Landgericht Mannheim zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.[7]
Murwanashyaka wird von Ruanda über Interpol gesucht.[8] Einem Auslieferungsantrag wegen der Beteiligung am Völkermord in Ruanda durch Ruanda wurde bisher nicht entsprochen.[9] In einem Interview mit der Redaktion des ARD-Nachrichtenmagazins Fakt bestätigt Murwanashyaka selbst, dass er die Kontrolle über seine Miliz hat.[10] Laut eines Abteilungsleiters von Ruandas Generalstaatsanwaltschaft, Jean Bosco Mutangana, gäbe es in Ruanda genügend Zeugen, damit die deutsche Bundesanwaltschaft gegen Murwanashyaka ein Verfahren nach dem deutschen Völkerstrafgesetzbuch von 2002 eröffnen könnte. Die deutsche Botschaft in Kigali sei darüber informiert und habe entsprechende Dokumente von Zeugenaussagen erhalten.[11]
Festnahme und Kriegsverbrecherprozess
Am 17. November 2009 wurde Murwanashyaka in Mannheim wegen des dringenden Verdachts, Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben, festgenommen.[12] Ein Bericht der UNO belastet ihn.[13] Im Dezember 2010 klagte die Bundesanwaltschaft Murwanashyaka sowie seinen 49-jährigen Stellvertreter Straton Musoni wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit an. Sie wirft ihnen 26 Verbrechen gegen die Menschlichkeit und 39 Kriegsverbrechen vor, die ihre Milizen 2008 und 2009 in der Demokratischen Republik Kongo begangen haben sollen. Dabei wurden der Bundesanwaltschaft zufolge mehr als 200 Menschen getötet, zahlreiche Frauen vergewaltigt, etliche Dörfer geplündert und gebrandschatzt, Unschuldige als Schutzschild gegen militärische Angriffe missbraucht und Kinder als Kindersoldaten für die Miliz zwangsrekrutiert.[14]
Am 4. Mai 2011 begann vor dem Oberlandesgericht Stuttgart der Prozess gegen Murwanashyaka und Musoni. Es handelt sich um den ersten Prozess in Deutschland auf Grundlage des Völkerstrafgesetzbuches[15], nach dem ausländische Kriegsverbrecher vor deutschen Gerichten zur Verantwortung gezogen werden können.
Filme
- Susanne Babila, Die Kriegstreiber von nebenan: Deutschland und der Terror im Kongo, 2011 im Südwestrundfunk
Schriften
- Untersuchungen über die Geldnachfrage in Südafrika, Marburg : Tectum-Verl., 2001
Literatur
- Markus Frenzel: Leichen im Keller. Wie Deutschland internationale Kriegsverbrecher unterstützt. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2011 ISBN 9783423248761
Weblinks
- Literatur von und über Ignace Murwanashyaka im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Markus Frenzel: Der Warlord. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 17. April 2011, abgerufen am 18. April 2011 (deutsch).
- Andrea Böhm, Christian Denso: Der Milizenchef aus Mannheim. In: Die Zeit. 28. April 2011, abgerufen am 4. Mai 2011 (deutsch).
- Simone Schlindwein: Massaker per SMS. Wie Kongo-Milizen aus Deutschland gesteuert wurden. In: Deutschlandradio. 4. Mai 2011, abgerufen am 5. Mai 2011 (mp3; flash, deutsch, Radiofeature zum Gerichtsverfahren gegen Ignace Murwanashyaka).
- Schwerpunkt: Kongo-Kriegsverbrecherprozess. In: die tageszeitung. Abgerufen am 28. Oktober 2011 (deutsch, Ausführliche Berichterstattung zum Gerichtsverfahren).
Einzelnachweise
- ↑ Interpol-Fahndungsprofil
- ↑ Simone Schilndwein, in: Guerillas im Nebel, http://www.eed.de//fix/files/doc/100205_eed_Analyse_09_Guerillas-im-Nebel_deu.pdf
- ↑ Simone Schlindwein, in TAZ: Befehle kommen aus Deutschland, 10. Oktober 2009. http://www.taz.de/1/politik/afrika/artikel/1/die-befehle-kommen-aus-deutschland/
- ↑ Simone Schlindwein, Befehle kommen aus Deutschland, in TAZ, 10. Oktober 2009; http://www.taz.de/1/politik/afrika/artikel/1/die-befehle-kommen-aus-deutschland/
- ↑ Mannheimer Polizei nimmt Anführer von Hutu-Milizen fest
- ↑ taz.de: Ruandas Miliz-Führer in Deutschland
- ↑ Sieht so ein Kriegsherr aus?, Die Zeit, 30. Juli 2009
- ↑ Suchanzeige
- ↑ JURIST – Paper Chase: Suspected Rwanda war criminal arrested in Germany
- ↑ ARD Magazin FAKT: Gesuchter kongolesischer Milizenchef in Deutschland, Link inaktiv, 3. November 2008; Manuskript zum Beitrag (PDF)
- ↑ Simone Schlindwein: Die Befehle kommen aus Deutschland. In: Die Tageszeitung, 10. Oktober 2009
- ↑ Deutsche Polizei nimmt Hutu-Milizführer fest. In: Spiegel Online, 17. November 2009 (online)
- ↑ Dossier des Grauens. In: Spiegel Online, 4. Dezember 2009 (online)
- ↑ Bundesanwaltschaft erhebt Anklage gegen Ruander in: Spiegel Online vom 17. Dezember 2010
- ↑ vgl. Erster Völkerstrafrechtsprozess in Stuttgart begonnen bei de.reuters.com, 4. Mai 2011 (aufgerufen am 4. Mai 2011).
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