Ikaria (Demos)

Ikaria (Demos)

Ikarios (griechisch Ἰκάριος, auch Ἰκάρος und Ἰκαρίων), war der namengebende Heros des attischen Stammes Ikaria und in der griechischen Mythologie der sagenhafte Begründer des Weinbaus.

Ikarios lebte zur Zeit des attischen Königs Pandion[1] und war mit Phanothea, der Erfinderin des Hexameters,[2] verheiratet.

In der Bibliotheke des Apollodor wird Ikarios ausdrücklich als Kulturbringer bezeichnet: Demeter mit der Gabe des Korns und Dionysos mit der Gabe des Weins erscheinen gleichzeitig in Attika und Ikarios spielt in Athen als Verbreiter des Weinbaus die gleiche Rolle wie Keleos bzw. dessen Sohn Triptolemos in Eleusis als Verbreiter des Getreideanbaus.[3]

Ikarios hatte den wandernden Dionysos gastfreundlich aufgenommen. Eine zunächst angebotene frische Ziegenmilch lehnte der Gott ab und machte seinen Gastgeber stattdessen mit der sorgenbrechenden Kraft des Weines vertraut. Da Ikarios als geschickter Gärtner galt, unterwies ihn Dionysos darüber hinaus in der Kunst des Weinbaus. Im Auftrag des Gottes fuhr Ikarios auf einem mit Weinschläuchen beladenen Wagen durch Attika, um die Bewohner des Landes mit dem neuen Trank bekannt zu machen. Als einige Hirten in tiefem Rausch besinnungslos wurden, meinten ihre Kameraden, sie wären vergiftet worden, ermordeten den Ikarios und verscharrten die Leiche unter einem Baum auf dem Hymettos. Hyginus referiert auch eine abweichende Version, nach der Ikarios nicht unter einem Baum verscharrt, sondern in den Quell des Anigros geworfen worden wäre, weshalb niemand mehr von dessen Wasser getrunken habe.

Nach langem Suchen fand endlich seine Tochter Erigone, geleitet von ihrem Hund Maira das Grab, beerdigte den Vater und erhängte sich an dem Baum. Auch der Hund Maira gab sich den Tod.

Ikarios wurde als Bootes („Ochsentreiber“, da er auf einem Ochsengespann umhergefahren war), Erigone als Jungfrau, Maira als Sirius an den Himmel versetzt. Den Bewohnern Attikas aber schickte Dionysos eine Selbsmordepidemie unter den Jungfrauen, die nicht endete, bis man der Erigone und dem Ikarios ein Opferfest stiftete, das sogenannte „Schaukelfest“ (Aiora).[4]

Vom Schicksal der Mörder berichtet Hyginus in seinen Sternsagen, sie hätten sich auf die Insel Keos geflüchtet und hätten dort freundliche Aufnahme gefunden. Daraufhin hätte Sirius-Maira sich erhoben und durch die Hitze der Hundstage die Bewohner zum Verschmachten gebracht. Aristaios, der König von Keos und Sohn des Apollon bat seinen Vater um ein Orakelspruch, wie dem Elend abzuhelfen sei. Der Gott antwortete, Aristaios soll zur Sühne reichliche Opfer spenden und Zeus bitten, einen linden Wind zur Milderung der Hitze zu senden. Das geschah und Zeus sandte die in den Sommermonaten 40 Tage lang wehenden Etesienwinde, die heute als Meltemi bekannt sind.[5]

Hyginus verknüpft unter Berufung auf das nur in Fragmenten überlieferte Gedicht Erigone des Eratosthenes von Kyrene folgende Episode mit dem Beginn der griechischen Tragödie: Ikarios habe mit den von Dionysos erhaltenen Rebstöcken einen Weingarten gepflanzt. In diesen sei ein Bock eingebrochen und habe die Weinblätter abgefressen. Daraufhin tötete Ikarios den Bock, zog ihm das Fell (griechisch τραγος, tragos) ab, blies es auf und brachte seine Gefährten dazu, um das aufgepumpte Fell zu tanzen.[6]

D. h., das Fell des geopferten Bockes wäre der erste Dichterpreis und Ikarios der erste Chorführer gewesen. Vergil bestätigt in den Georgica diese Ätiologie.[7] Auch das als askoliasmos (griechisch ἀσκωλιασμ́ος) bezeichnete Springen (auf einem Bein) über die aufgeblasene Bockshaut beim Trinkgelage soll hier seinen Ursprung haben.[8]

In den Dionysiaka des Nonnos von Panopolis wird im 47. Gesang[9] ebenfalls der Mythos von Ikarios und Erigone mit einigen Abweichungen erzählt. Solmsen vertritt die These, dass Nonnos den Mythos auf der Grundlage des schon erwähnten Gedichts des Eratosthenes gestaltet hat.[10]

Pseudo-Plutarch erzählt in den Parallela Minora (Kap. 9) ein römisches Analogon: Dort ist von Ikarius die Rede, der von Saturn besucht wird, der die Tochter, die hier Entoria heisst, verführt und mit ihr vier Söhne zeugt (Janus, Hymnus, Faustus, und Felix). Saturn lehrt Ikarius den Weinbau, es kommt zum gleichen Missverständnis und Ikarius wird gesteinigt, worauf sich seine Söhne erhängen. Es wird allerdings davon ausgegangen, dass es sich bei den Parallela Minora um eine Parodie (mit auffallenden sprachlichen Schwächen) handelt.[11]

Literatur

  • Hans von Geisau: Ikarios 1). In: Der Kleine Pauly (KlP). Band 2, Stuttgart 1967, Sp. 1358.

Weblinks

Belege

  1. Apollodor Bibliotheke 3.191
  2. Clemens von Alexandria Stromateis I.16 § 318
  3. Apollodor Bibliotheke 3.191
  4. Hyginus Fabulae 130 u. 224
  5. Hyginus Astronomica 2.4
  6. Hyginus Astronomica 2.2
  7. Vergil Georgica 2.380-396
  8. Ernst Maas: Analecta Erastostenica. Berlin 1883. S. 60ff., 114
  9. Nonnos Dionysiaka 47.34-264
  10. Friedrich Solmsen: Eratosthenes' Erigone: A Reconstruction. In: Transactions and Proceedings of the American Philological Association, Vol. 78 (1947). S. 252-275
  11. Einführungstext Parallela Minora [1]

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