Information Literacy

Information Literacy

Informationskompetenz (engl. Information Literacy) stellt in der modernen, stark dynamischen Informationsgesellschaft eine Schlüsselqualifikation zur Bewältigung von Problemen dar. Sie gehört zum Bereich der soft skills und umfasst im Allgemeinen eine Reihe von Fähigkeiten, die dem Einzelnen den kompetenten, effizienten und verantwortungsbewussten Umgang mit Informationen ermöglicht. Diese Fähigkeiten beziehen sich auf alle Aspekte des problembezogenen Erkennens eines Bedarfs an Informationen, ihrer Lokalisation, ihrer Organisation, ihrer zielgerichteten Selektion durch Analyse und Evaluation und ihrer zweckoptimierten Gestaltung und Präsentation.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

„The next best thing to knowing something, is knowing where to find it.“

Samuel Johnson

Dieses Zitat des englischen Schriftstellers und Gelehrten Samuel Johnson hat seine Gültigkeit bis heute behalten. Allerdings ist die Befähigung zum kompetenten Umgang mit Informationen vor dem Hintergrund einer durch rapiden Wandel gekennzeichneten Gesellschaft, in der sich jeder Einzelne mehr und mehr einer immer größer werdenden Informationsflut und damit dem Problem der Informationsüberflutung ausgesetzt sieht, zu einer Basisqualifikation geworden. Diese als Informationskompetenz bezeichnete Befähigung ist eine Voraussetzung für das selbstorganisierte Erschließen von Wissen, dem Aufbau neuer und dem Erweitern vorhandener Fähigkeiten und dem Bewältigen von Problemen. Sie gehört damit zu den essentiellen Werkzeugen zur Bewältigung des Alltags in allen Lebensbereichen, die durch Informations- und Kommunikationstechnologie maßgeblich mitgestaltet werden. Im Konzept des lebenslangen Lernens, welches jeden Menschen dazu befähigen soll, eigenständig über die gesamte Lebensspanne hinweg zu lernen, nimmt die Informationskompetenz eine wichtige Rolle ein.

Entwicklung

Der Begriff Informationskompetenz tauchte in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts im englischen und amerikanischen Bibliothekswesen vor dem Hintergrund einer ständig wachsenden Informationsmenge auf. Er wird hauptsächlich in Bezug auf das bibliothekarische Informationsangebot (Kataloge, Datenbanken, E-Journals, E-Books) verwendet, wobei zunehmend auch die effiziente Weiternutzung der Informationen als eine Form des individuellen Wissensmanagements thematisiert wird.

Durch Berichte aus den USA und Großbritannien beeinflusst, begann in Deutschland ebenfalls in den durch Bildungsreformen und steigende Studentenzahlen geprägten siebziger Jahren eine vergleichsweise zögerliche Entwicklung im Bibliothekswesen. Diese äußerte sich durch eine verstärkte Benutzerorientierung der Bibliotheken, die ihren Kunden durch strukturierte Schulungen Kenntnisse über Nutzungs- und Zugangsbedingungen, Rechercheinstrumente und Kataloge vermittelten. Die Relevanz dieser Entwicklung zur aktiven Informationsbewältigung wurde aber auch in anderen Bereichen erkannt. So bezeichnete Dieter Mertens die Befähigung zur Gewinnung und Verarbeitung von Informationen 1974 im Rahmen der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung als Schlüsselqualifikation.

In den folgenden Jahren forderten mehrere Studien den Ausbau und die Weiterentwicklung der Benutzerschulung. Jedoch wurden nur wenige der Forderungen und Ergebnisse dieser Forschungsprojekte realisiert, da sich die Bibliotheken in den achtziger Jahren mit der ressourcenzehrenden Umstellung der Bewältigung ihrer Aufgaben mittels EDV und fehlendem Personal konfrontiert sahen.

Erst in den neunziger Jahren kam es durch die technische Entwicklung im Bereich des Internets und der Vernetzung von Arbeitsplätzen wieder zu zahlreichen Initiativen auf dem Gebiet der Informationskompetenz. Jüngste Untersuchungen und Veröffentlichungen beziehen sich dabei nicht nur auf Bibliotheken, sondern bringen den Begriff auch in anderen Lebensbereichen zur Diskussion. Nachdem im amerikanischen Bibliothekswesen bereits Standards für informationskompetente Studenten entwickelt wurden, beschäftigte sich eine vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in Auftrag gegebene Studie mit der Informationskompetenz an deutschen Hochschulen. Die im Jahr 2001 veröffentlichte SteFi (Studieren mit elektronischer Fachinformation) genannte Studie fordert die verstärkte Einbindung der Vermittlung von Informationskompetenz in die Hochschullehre. Der Wissenschaftsrat kommt in einer im selben Zeitraum erschienenen Veröffentlichung zu ähnlichen Ergebnissen und empfiehlt neben einer besseren Versorgung von Forschung und Lehre mit digitalen Informationen eine stärkere Kooperation der Informations- und Kompetenzzentren der Hochschulen. Auch im Rahmen der viel diskutierten PISA-Studie definiert die OECD Kompetenzen im Bereich der Nutzung und Organisation von Wissen und Informationen als Schlüssel für ein erfolgreiches Leben.

Im Januar 2006 wurden erstmals in Deutschland eigene „Standards der Informationskompetenz für Studierende“ von einer Arbeitsgruppe Baden-Württembergischer Wissenschaftlicher Bibliotheken verabschiedet. Diese Standards bilden die Grundlage für die Weiterentwicklung der bibliothekarischen Schulungsaktivitäten und eine Verankerung in die Fachcurricula einzelner Fächer. In den USA existieren z.T. bereits fachspezifische Standards, so etwa „Information Competencies for Chemistry Undergraduates“ der Special Libraries Association Chemistry Division.

Implizierte Fähigkeiten

Informationskompetenz steht immer im Bezug zu verschiedenen inneren und äußeren Faktoren. Innere Faktoren sind z. B. das fachliche Wissen, die Sprachkenntnisse, die Kreativität und Ambitionen einer Person, während als äußere Faktoren Kultur, Gesellschaft, Informationsformen, technische Entwicklung und Lebenssituation eine Rolle spielen. Die individuelle Ausprägung von Informationskompetenz und damit auch die Ausprägung der nachfolgend aufgeführten Fähigkeiten ist demnach ebenfalls von diesen Faktoren abhängig.

Im Allgemeinen geht der Suche nach Informationen die Einsicht einer Person voraus, dass ihr Wissen in bestimmten Bereichen unzureichend ist, um ein Problem zu lösen, eine Aufgabe zu bewältigen oder eine Frage zu beantworten. Erst diese Einsicht ist Motivation für weitere Handlungen.

Um Informationen effektiv recherchieren zu können, sollte eine Suchstrategie entwickelt werden, zu der die präzise Formulierung des Informationsbedarfs gehört. Weitere Schritte könnten die Auswahl der wichtigsten Begriffe und ihrer Synonyme oder die Festlegung übergeordneter Themenbereiche sein. Die Identifikation geeigneter Informationsquellen gehört ebenfalls dazu. Diese können z. B. Bibliotheken, Archive oder das Internet, aber auch die Befragung von kompetenten Personen oder Institutionen sein. Zur Orientierung innerhalb dieser unterschiedlich strukturierten Informationswelten stehen dem oder der Suchenden Hilfsmittel, sogenannte Findmittel oder Recherchesysteme mit Referenzinformationen wie Bibliothekskataloge, Datenbanken und Suchmaschinen zur Verfügung, die dann die Umsetzung der entwickelten Suchstrategie erleichtern. So lassen sich z. B. bei der Recherche mit Hilfe von Suchmaschinen und Datenbanken im Internet, aber auch in elektronischen Bibliothekskatalogen bestimmte Begriffe von der Suche ausschließen oder gemeinsam auftretende Begriffe verknüpfen, um den Suchbereich einzugrenzen.

Diese Fähigkeit beinhaltet u. a. die Beherrschung verschiedener Strukturierungstechniken wie Clustering und Mind-Mapping, Methoden zur gezielten Weiterverarbeitung der Informationen und Strategien zur zweckmäßigen Verwaltung und Sicherung. Die Aufbereitung hinsichtlich der Problem-, bzw. Fragestellung kann unter verschiedenen Zielsetzungen wie Übersichtlichkeit oder Reduktion des Themas erfolgen, ist aber besonders dann sinnvoll und nützlich, wenn es bei der Einbeziehung einer Vielzahl von Informationsquellen und -medien zu Desinformation durch ein unüberschaubares und schwer auswertbares Überangebot kommen kann.

  • Die Fähigkeit zur zielgerichteten Selektion von Informationen

Nicht immer eignen sich die bei der Recherche gefundenen Information zur Aufbereitung und Weiterverarbeitung, da die Quellen in verschiedenen Gesichtspunkten Unterschiede aufweisen können. Eine Analyse nach grundsätzlichen Gemeinsamkeiten, Ähnlichkeiten und Unterschieden in Struktur und Inhalt und eine Evaluation nach Kriterien wie Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit, Aktualität, Autorenschaft und Zielgruppenbezug ist deshalb für eine zielgerichtete Selektion der Informationen notwendig und zweckmäßig. Auf diese Weise soll Wichtiges von Unwichtigem, Glaubwürdiges von Unglaubwürdigem und Aktuelles von Veraltetem getrennt und zielgerichtet zur Bewältigung der Problemstellung, Beantwortung der Frage oder Lösung der Aufgabe ausgewählt werden.

  • Die Fähigkeit zur zweckoptimierten Gestaltung und Präsentation

Um Informationen gezielt vermitteln zu können, ist ihre intentions- und zielgruppenorientierte Gestaltung und Präsentation notwendig. Dabei werden alle Aspekte des Vermittlungsprozesses auf ein bestimmtes Ziel und eine bestimmte Zielgruppe ausgerichtet. In allen Lebensbereichen hat eine Vielfalt von technischen Umsetzungsmöglichkeiten an Relevanz gewonnen, aber der Informationsaustausch über verbale Kommunikation ist weiterhin von entscheidender Bedeutung. Neben dem Wissen über verschiedene medial-technische Gestaltungs- und Präsentationsmöglichkeiten sind deshalb auch grundlegende rhetorische Fähigkeiten sowie Kenntnisse des des Urheberrechts und der - teils fachspezifischen - Zitierregeln notwendig.

Kurzanleitung

Wenn man eine Information erhält, sollte man sich folgenden Fragen stellen und beantworten.

  • Wer sagt das? (hat derjenige Eigeninteressen, welche, ...)
  • Woher weiß er/sie das? (Was macht die oder den zu so einem Experten? Woher stammen seine/ihre Kenntnisse?)
  • Was fehlt? (Welche Information habe ich nicht bekommen? Wurden alle Grundlagen genannt?)
  • Was hat sich verändert? (Was ist mit der Information eigentlich anders als ohne? Was ist anders als vorher?)
  • Ergibt das überhaupt einen Sinn? (reductio ad absurdum)

Werden nicht alle Fragen hinreichend beantwortet, besteht zusätzlicher Informationsbedarf .

Benachbarte Kompetenzen

Da es sich bei Informationskompetenz mehr um ein intellektuelles Werkzeug als um ein fassbares Objekt oder eine messbare Größe handelt, ist eine klare und eindeutige Abgrenzung gegen andere Kompetenzen schwierig. Häufig werden sie verwechselt, miteinander gleichgesetzt oder als Teilkompetenz impliziert. Folgende Kompetenzen werden häufig in Verbindung mit Informationskompetenz genannt:

  • Bibliothekskompetenz (Library Literacy): Fähigkeit, eine Bibliothek und ihre Angebote selbstständig nutzen zu können.
  • Computerkompetenz (Computer Literacy): Fähigkeit, sicher mit Informationstechnologie umzugehen und z. B. den Computer und seine Software als Werkzeug nutzen zu können.
  • Digitalkompetenz (Digital Literacy): Fähigkeit, über Computer dargestellte Informationen unterschiedlicher Formate verstehen und anwenden zu können.
  • Internet-Kompetenz (Internet Literacy): Fähigkeit, das Internet nutzen zu können und seine grundlegenden Konzepte und Funktionsweisen zu kennen.
  • Kommunikationskompetenz: Fähigkeit, situations- und aussagenadäquate Kommunikationen auszugeben und zu empfangen.
  • Lesekompetenz: Fähigkeit, geschriebene Texte zu verstehen, zu nutzen und über sie reflektieren zu können.
  • Medienkompetenz (Media Literacy): Fähigkeit, Medien und durch Medien vermittelte Inhalte den eigenen Zielen und Bedürfnissen entsprechend effektiv nutzen zu können.
  • Schreibkompetenz: Fähigkeit, seine Gedanken mit Hilfe des Mediums Schrift zu formulieren und sich so anderen mitzuteilen.

Literatur

Weblinks

Siehe auch


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