- Innergemeinschaftliche Lieferung
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Als innergemeinschaftliche Lieferung wird ein Steuerbefreiungstatbestand des Umsatzsteuerrechts bezeichnet, nach dem eine grenzüberschreitende Lieferung innerhalb der Europäischen Union (ursprünglich innerhalb der Europäischen Gemeinschaft) von der Umsatzsteuer im Staat des Beginns des Transports steuerfrei gestellt wird. Voraussetzung dafür ist, dass ein Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens die Lieferung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausführt und der Gegenstand tatsächlich von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat im Rahmen der Lieferung transportiert wird.
Eine Sonderform der innergemeinschaftlichen Lieferung ist die innergemeinschaftliche Verbringung. Hier kommt es nicht zu einer Lieferung zwischen zwei Unternehmen. Die Verbringung innerhalb eines Unternehmens wird als innergemeinschaftliche Lieferung fingiert.
Die innergemeinschaftliche Lieferung führt aus der Sicht des Erwerbers zu einem innergemeinschaftlichen Erwerb. Damit wird die Umsatzbesteuerung im Erwerberstaat sichergestellt. Der Erwerber hat die Erwerbsumsatzsteuer abzuführen und kann gleichzeitig diese als Vorsteuer abziehen, soweit er zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
Inhaltsverzeichnis
Begründung für die Steuerbefreiung
Das Rechtsinstrument der innergemeinschaftlichen Lieferung, korrespondierend mit dem innergemeinschaftlichen Erwerb, war notwendig, da mit dem Jahreswechsel 1992/1993 der europäische Binnenmarkt eingeführt worden ist und damit die Zollabwicklung innerhalb der Europäischen Union entfallen ist. Es ist der steuerrechtlich bedeutsamste Teil des Binnenmarktes. An die Stelle der steuerfreien Ausfuhrlieferung ist die steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung getreten und die Einfuhrumsatzsteuer wurde durch die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs abgelöst. Ausfuhrlieferung und Einfuhrumsatzsteuer haben jedoch weiterhin im Warenverkehr mit Staaten außerhalb der Europäischen Union (Drittlandstaaten) eine erhebliche Bedeutung.
Voraussetzungen und rechtliche Einordnung
Vorab ist zu klären, ob es sich um die Lieferung eines Gegenstandes oder um eine sonstige Leistung (Dienstleistung) handelt. Innergemeinschaftliche Dienstleistungen an Unternehmer werden nach anderen Regelungen ohne Berechnung der Umsatzsteuer ausgeführt.
Wie bei einer inländischen Lieferung wird der umsatzsteuerliche Ort nach §3 Abs. 6 UStG bestimmt und befindet sich demnach dort, wo die Beförderung beginnt. Eine Lieferung von Deutschland ins EU-Ausland ist also trotzdem grundsätzlich im Inland steuerbar nach §1 Abs. 1 Nr. 1 UStG.
Die Steuerbefreiung nach § 4 i.V.m. § 6a ist daran geknüpft, dass
- die Ware tatsächlich von einem EU-Mitgliedstaat in einen anderen EU-Mitgliedstaat transportiert wird,
- dass der Empfänger Unternehmer ist und die Ware im Rahmen seines Unternehmens erwirbt (Ausnahme: Fahrzeugeinzelbesteuerung, hier erfolgt auch die Lieferung neuer Fahrzeuge an Privatpersonen steuerfrei), und
- dass sichergestellt ist, dass der Abnehmer einen innergemeinschaftlichen Erwerb in seinem Heimatstaat versteuert.
Da diese Regelung die Lieferung steuerfrei stellt, werden strenge Voraussetzungen an die Nachweise gestellt.
Mit dem Buchnachweis (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV, die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit müssen der Buchführung entnehmbar sein) und dem Belegnachweis (§§ 17a und b UStDV, Nachweis, dass der Gegenstand transportiert wurde) kommt der Unternehmer seiner Beweispflicht nach.
Von der Unternehmereigenschaft des Abnehmers kann regelmäßig ausgegangen werden, wenn dieser eine gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer vorlegt. Die Nummer muss im Rahmen des Buchnachweises aufgezeichnet werden. Der liefernde Unternehmer muss prüfen, ob die Umsatzsteuer-ID-Nummer gültig ist, mit ungültigen Nummern kann die Lieferung nicht steuerfrei erfolgen. Mithilfe der USt-ID-Nummer kann das Finanzamt dann überprüfen, ob der Geschäftspartner den Erwerb versteuert hat.
Seit dem Urteil des Bundesfinanzhofs V R 59/03 vom 6. Februar 2008[1], welches auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs C-146/05 "Albert Collée" vom 27. September 2007[2] zurückgeht, ist in Deutschland anerkannt, dass der Buch- und Belegnachweis als solcher keine materielle Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist. Vielmehr kommt es darauf an, ob tatsächlich eine innergemeinschaftliche Lieferung vorliegt. Der Buch- und Belegnachweis ist damit nicht mehr eine zwingende (materielle) Voraussetzung für die Gewährung der Steuerfreiheit aber in der Regel erforderlich, um gegenüber dem Finanzamt problemlos den Nachweis erbringen zu können.
Das Bundesministerium der Finanzen hat mit einem Schreiben vom 5. Mai 2010 hinsichtlich verschiedener Fragen zur Rechtsanwendung die Verwaltungsauffassung dargelegt.[3] (Geschäftszeichen IV D 3 -S 7141/08/10001) Der BMF berücksichtigt dabei die aktuelle Rechtsprechung des EuGH.
Innergemeinschaftliches Verbringen
Um dem Bestimmungslandprinzip gerecht zu werden, muss auch eine innergemeinschaftliche Lieferung gemeldet werden, wenn Gegenstände aus innerbetrieblichen Gründen zum permanenten Verbleib in einen anderen EU-Staat verbracht werden. Dieser Vorgang wird einer normalen Lieferung gleichgestellt (§3 Abs. 1a UStG). Im anderen Staat muss entsprechend ein innergemeinschaftlicher Erwerb versteuert werden. Hierunter fällt zum Beispiel die Umlagerung von Waren.
Gegenstände, die nur vorübergehend in einem anderen Staat verwendet werden (z.B. Ausstellungsstücke für eine Messe) müssen nicht versteuert werden (kein permanenter Verbleib).
Für diesen Vorgang muss der Unternehmer in mehreren Ländern umsatzsteuerlich erfasst sein und auch zwei Umsatzsteuer-ID-Nummern besitzen.
Meldepflichten
Die Summe der steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen muss nachrichtlich in den Umsatzsteuer-Voranmeldungen angegeben werden (§ 18b).
Der Unternehmer hat die ausgeführten innergemeinschaftlichen Lieferungen in einer zusammenfassenden Meldung beim Bundeszentralamt für Steuern zu melden (§ 18a.[4] Damit kann europaweit kontrolliert werden, dass die Erwerber die Lieferungen in ihren Staaten besteuern. Je nach Umfang der Lieferungen muss die Meldung monatlich oder vierteljährlich erstellt werden.
Problematik
Das Verfahren birgt für den leistenden Unternehmer eine Vielzahl von Gefahren, da er der Finanzverwaltung alle Voraussetzungen nachweisen muss. Gelingt ihm das nicht, hat er aus dem Preis die deutsche Umsatzsteuer nachzuentrichten, wenn er sich nicht auf einen guten Glauben im Sinne des § 6a Abs. 4 UStG berufen kann.
Siehe auch
Einzelnachweise
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