EuGH

EuGH
Sitz des Europäischen Gerichtshofs (Luxemburg)

Der Europäische Gerichtshof (EuGH), amtlich Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, mit Sitz in Luxemburg ist das oberste rechtsprechende Organ der Europäischen Gemeinschaften. Er nimmt damit im politischen System der EU die Rolle der Judikative ein; präziser spricht man jedoch von den Gerichten der Europäischen Gemeinschaften, denn es gibt mittlerweile drei Spruchkörper.

Inhaltsverzeichnis

Zuständigkeit und Verfahren

Aufgaben und Zuständigkeit

Die Aufgaben des EuGH sind in den Art. 220 bis 245 EG-Vertrag, Artikel 46 EU-Vertrag sowie einer eigenen Satzung festgeschrieben. Dazu zählt insbesondere, die einheitliche Auslegung des europäischen Rechts zu gewährleisten. Im Jahr 1989 wurde zur Entlastung des Gerichtshofs das Europäische Gericht erster Instanz (kurz EuG oder EuGI) geschaffen. Seit dem Jahr 2005 besteht darüber hinaus als sog. Gerichtliche Kammer das Gericht für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union (kurz EuGD), das vom EuG die Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten zwischen der Gemeinschaft und ihren Beamten oder sonstigen Bediensteten übernommen hat. Der Gerichtshof selbst ist bei direkten Klagen natürlicher und juristischer Personen nunmehr als Rechtsmittelinstanz für Entscheidungen des Europäischen Gerichts erster Instanz zuständig. Das EuG ist – von wenigen Ausnahmen abgesehen – auch für Klagen der Mitgliedstaaten gegen die Europäische Kommission im dritten Rechtszug zuständig.

Verfahren

Für Klagen der Europäischen Kommission (v. a. Vertragsverletzungsverfahren), Klagen anderer Gemeinschaftsorgane oder der Mitgliedstaaten, die nicht gegen die Kommission gerichtet sind, sowie für die Entscheidungen im Vorabentscheidungsverfahren ist der Gerichtshof allein zuständig. (Siehe auch: Rechtsschutz (EG))

  • Vertragsverletzungsverfahren (Art. 226 EG-Vertrag): Die Europäische Kommission kann einen Mitgliedstaat − nach einem Vorverfahren − vor dem EuGH verklagen. Der Gerichtshof prüft dann, ob ein Mitgliedstaat seinen sich aus dem EG-Vertrag ergebenden Verpflichtungen nicht nachgekommen ist. Dem EuGH wird eine Klageschrift zugestellt, die teilweise im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und dem Beklagten zugestellt wird. Je nach Fall kommt es zu einer Beweisaufnahme und einer mündlichen Verhandlung. Im Anschluss daran gibt der Generalanwalt seine Schlussanträge ab. Darin macht er einen Urteilsvorschlag, an den der EuGH jedoch nicht gebunden ist. Gemäß Art. 227 EG-Vertrag kann auch ein Mitgliedstaat gegen einen anderen vor dem EuGH (nach einem Vorverfahren durch Einschaltung der Kommission, Art. 227 Abs. 2–4 EG-Vertrag) vorgehen.
  • Vorabentscheidungsverfahren (Art. 234 EG-Vertrag): Die nationalen Gerichte können bzw. müssen, soweit es sich um die letzte Instanz (z. B. Bundesfinanzhof, Bundesgerichtshof) handelt, dem EuGH Fragen hinsichtlich der Auslegung von Gemeinschaftsrecht vorlegen. Außerdem können sie überprüfen lassen, ob ein europäischer Gesetzgebungsakt gültig ist. Dies soll in besonderem Maße die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts durch die nationalen Gerichte, die für dessen Durchsetzung zu sorgen haben, sicherstellen. Das nationale Gericht muss in seiner Verhandlung auf die Auslegung bzw. Gültigkeit des Gemeinschaftsrechts angewiesen sein (sie muss entscheidungserheblich sein und die Auslegung darf nicht bereits geklärt sein), um eine Frage vorlegen zu dürfen. Es unterbricht dabei sein Verfahren bis zur Antwort des EuGH. Die vorgelegte Frage wird zunächst in alle Amtssprachen übersetzt und im Amtsblatt bekanntgegeben. Dies gibt den beteiligten Parteien, sämtlichen Mitgliedstaaten und den europäischen Organen die Möglichkeit, Stellungnahmen abzugeben. Wiederum folgen i. d. R. eine mündliche Verhandlung sowie Schlussanträge des Generalanwalts, bevor es zu einem Urteilsspruch kommt. Das vorlegende Gericht (und andere Gerichte in ähnlichen Fällen) sind an das Urteil des EuGH gebunden.

Eine Besonderheit des EuGH ist die Institution des Generalanwalts (Art. 222 EG-Vertrag). Die Generalanwälte haben die Aufgabe, nach der mündlichen Verhandlung einen Vorschlag für ein Urteil zu unterbreiten („Schlussanträge“). Dazu fassen sie insbesondere die bisherige Rechtsprechung des EuGH in ähnlichen Fällen zusammen und nutzen diese, um ihre Vorstellungen hinsichtlich der Beurteilung des vorliegenden Falls zu begründen. Der Generalanwalt ist dabei nicht Vertreter einer der beiden Parteien, sondern soll seinen Vorschlag unabhängig und neutral entwickeln. Der EuGH ist an diese Vorschläge nicht gebunden, in der Praxis folgt er jedoch in etwa dreiviertel aller Fälle den Vorschlägen des Generalanwalts. Da die Entscheidungen des Gerichtshofs selbst in den rechtlichen Ausführungen meist äußerst knapp gehalten sind, geben oft erst die erheblich analytischeren Ausführungen in den Schlussanträgen Aufschluss über die Erwägungen, die der Spruchpraxis des EuGH zugrunde liegen.

Sprachliche Aspekte

Verfahrenssprache kann jede Amtssprache der Europäischen Union sein. Die Auswahl fällt der Klage erhebenden Partei zu, beim Vorabentscheidungsverfahren ist es die Sprache im Mitgliedsland des anfragenden Gerichts, bei Klagen gegen einen Mitgliedstaat wird dessen Amtssprache (ggf. auch mehrere) Verfahrenssprache. Diese Regelung soll sicherstellen, dass jeder Angehörige der Europäischen Union in seiner Sprache Rechtshandlungen vornehmen kann. Alle Verfahrensdokumente werden in die Verfahrenssprache sowie ins Französische – traditionell die interne Arbeitssprache des EuGH, was allerdings zunehmend, vor allem auch von osteuropäischen Staaten, kritisiert wird – übersetzt, Vorabentscheidungsersuchen und die Urteile von EuGH und EuG in alle Amtssprachen. Äußerungen des Generalanwalts, der sich in seiner eigenen Sprache äußern kann, werden in die Verfahrenssprache(n) und alle Amtssprachen übersetzt.

EuGH und EuG unterhalten einen gemeinsamen Übersetzungsdienst, der eine eigene Direktion (mit 20 Sprachabteilungen und einer Abteilung Allgemeine Dienste) bildet. Die Übersetzer beim EuGH verfügen alle über eine abgeschlossene juristische Ausbildung und werden auch als „Sprach- und Rechtssachverständige“ („Lawyer-Linguists“) bezeichnet.

Mündliche Verhandlungen bei EuGH und EuG werden von Konferenzdolmetschern simultan übersetzt. Der Gerichtshof unterhält dafür einen Dolmetscherdienst mit beamteten Dolmetschern und zieht bei Bedarf freiberuflich tätige Dolmetscher hinzu.

Auslegungsmethoden

Bei der Auslegung von Rechtsnormen des europäischen Gemeinschaftsrechts durch den EuGH ergeben sich einige Besonderheiten gegenüber den gewöhnlichen juristischen Auslegungsmethoden.

Die erste Besonderheit liegt darin, dass die Rechtsquellen des Gemeinschaftsrechts keine einheitliche, verbindliche sprachliche Fassung kennen, sondern derzeit in 23 verschiedenen Sprachen verbindlich sind, was sich aus Art. 314 EG-Vertrag (bzw. Art. 225 EAGV) sowie den Beitrittsdokumenten der letzten beiden Erweiterungsrunden ergibt. Bei abweichendem Sinn verschiedener Sprachfassungen stößt die reine Wortlautauslegung daher an ihre Grenzen, und die zusätzliche Verwendung rechtsvergleichender, systematischer oder teleologischer Argumente wird notwendig.

Des Weiteren ergeben sich Auslegungsprobleme aus der sprachlichen Ungenauigkeit des Primärrechts – sie ist Folge schwieriger politischer Willensbildungsprozesse, an denen eine Vielzahl von Organen bzw. Personen beteiligt ist. So beschränken sich viele Normen auf allgemeine Formulierungen, um den Gemeinschaftsorganen einen Entscheidungsspielraum zu gewähren und eine dynamische Interpretation zu ermöglichen. Auch sind die in den Verträgen verwendeten Begriffe autonom, d. h. mit gemeinschaftsrechtlichen Bedeutungen, zu verstehen und können nicht dem Sprachgebrauch einzelner Mitgliedstaaten entnommen werden. Der Gerichtshof bedient sich hier bei der Suche nach systematischer Geschlossenheit oft der sog. „wertenden Rechtsvergleichung“, wobei er in den nationalen Regelungen nach der besten Lösung sucht.

Weitere Besonderheiten zeigen sich bei der Auslegung der Verträge nach Sinn und Zweck. So handelt es sich etwa bei dem Effektivitätsgrundsatz („effet utile“) um eine besondere Form der Auslegung nach Sinn und Zweck, nämlich die nach den Vertragszielen. Demnach sollen die einzelnen Bestimmungen der Verträge so ausgelegt werden, dass sie die größtmögliche Wirksamkeit entfalten. Insbesondere die Berufung auf den „effet utile“ benützt der EuGH häufig, um Normen des Primärrechts teilweise erheblich über den Wortlaut hinaus auszudehnen und der Gemeinschaft Kompetenzen und Befugnisse zukommen zu lassen, die ursprünglich so nicht vorgesehen waren.

Geschichte

Der Europäische Gerichtshof wurde im Jahr 1952 durch den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) gegründet und nahm im Jahr 1953 seine Arbeit auf. Er war zunächst nur für Streitigkeiten innerhalb des EGKS-Vertrages zuständig. Nach Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Europäischen Atomgemeinschaft (EAG oder EURATOM) durch die Römischen Verträge 1957 war der EuGH als gemeinsames Organ der Gemeinschaften für sämtliche Streitigkeiten aufgrund der drei Verträge zuständig. Das Gericht erster Instanz wurde dem Gerichtshof 1989 zugeordnet, das Gericht für den öffentlichen Dienst der EU 2005.

Entscheidungen

Urteile des EuGH, soweit sie im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 234 EGV ergangen sind, dienen zunächst dazu, dem vorlegenden nationalen Gericht die Entscheidung im Ausgangssachverhalt zu ermöglichen. Grundsätzlich bindet die EuGH-Entscheidung durch die Auslegung des Gemeinschaftsrechts nur das anfragende Gericht, dessen Urteil wiederum theoretisch nur für den entschiedenen Einzelfall gilt.

Die faktische Wirkung eines EuGH-Urteils ist jedoch ungleich größer, sie geht weit über den einzelnen Sachverhalt, der zur Vorlage geführt hat, hinaus. Da der EuGH für alle Mitgliedstaaten verbindlich Gemeinschaftsrecht auslegt, gilt die Norm des Gemeinschaftsrechts, so wie sie durch die im Urteil verkündete Auslegung zu verstehen ist, für alle Mitgliedstaaten und − in der Regel − ex tunc, d. h. rückwirkend. Anders formuliert: Der EuGH stellt fest, wie eine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts immer schon und von allen hätte verstanden werden müssen.

Eine unbegrenzte Rückwirkung der Urteile wird jedoch ggf. durch die nationalen Verfahrensrechte verhindert, insoweit als sie regeln, dass ein bestandskräftiger Verwaltungsakt ohne gesonderte Vorschrift nicht mehr geändert werden kann.

Von 1953 bis Ende 2005 wurden 13.960 Rechtssachen beim EuGH anhängig gemacht; in 6.827 Fällen sind Urteile ergangen.

Eigenständige Rechtsordnung der EG

Eine der wichtigsten Entscheidungen des EuGH ist das Urteil in der Sache „Van Gend & Loos“ von 1963. In dieser Entscheidung begründete der EuGH die Doktrin, dass es sich beim europäischen Gemeinschaftsrecht um eine selbstständige Rechtsordnung sui generis handele, die von dem Recht der Mitgliedstaaten losgelöst sei. Dies bedeutete eine Abkehr von der bisherigen Auffassung, es handle sich beim Recht der europäischen Gemeinschaften um gewöhnliches Völkerrecht. Die Entscheidung hat große Bedeutung und sorgte in der Fachwelt für Aufsehen, da der EuGH damit auch begründete, dass Subjekte des Europarechts nicht nur die Mitgliedstaaten, sondern auch die einzelnen Bürger seien.

Aus der in Van Gend & Loos begründeten Doktrin von der Eigenständigkeit des Europarechts entwickelte der EuGH 1964 in der Entscheidung „Costa/ENEL“ die weitere Doktrin vom Vorrang des Europarechts gegenüber dem Recht der Mitgliedstaaten.[1]

In diesen und den darauf folgenden Entscheidungen betonte der EuGH immer wieder, dass sich die Mitgliedstaaten freiwillig einer Gemeinschaft mit eigenständiger Rechtsordnung unterworfen haben. Dass es sich hierbei um eine Rechtsordnung und nicht bloß um ein politisches Zweckbündnis handelt, zeigt sich vor allem in solchen Entscheidungen des EuGH immer wieder.

So wurde am 13. Juli 2004 ein Beschluss der EU-Finanzminister revidiert, der die Defizit-Strafverfahren gegen Deutschland und Frankreich ausgesetzt hatte. Diese Entscheidung der Minister sei nicht mit EU-Recht vereinbar. Geklagt hatte die EU-Kommission.

Warenverkehrsfreiheit

Hauptartikel: Warenverkehrsfreiheit

Eine gleichermaßen wichtige Entscheidung des EuGH im Zusammenhang des freien Warenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten ist die Cassis-de-Dijon-Entscheidung von 1979. Darin untersagte der EuGH Deutschland, Anforderungen an ein Produkt zu stellen, die es in seinem Herkunftsland nicht erfüllen muss. Die Entscheidung führt zum Prinzip der „wechselseitigen Anerkennung“ der nationalstaatlichen Produktionsstandards, die jedoch durch sogenannte allgemein gültige Mindeststandards oder Schutzklauseln beschränkt sind. z. B. Verbraucher- und Umweltschutz.

Steuerrecht

Entscheidungskompetenz des EuGH

Die nationalen Steuervorschriften innerhalb der EU sind vor allem im Bereich der direkten Steuern noch kaum harmonisiert (anders die indirekten Steuern, die über die Mehrwertsteuerrichtlinien stark vereinheitlicht wurden). Die Gemeinschaft hat in diesem Bereich auch keine ausdrückliche Harmonisierungskompetenz, aufgrund des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung und den Grundsätzen der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit (s. Art. 5 EG-Vertrag) darf sie daher diesen Bereich (unter weiteren Voraussetzungen) nur dann harmonisieren, wenn die Errichtung oder das Funktionieren des Europäischen Binnenmarktes behindert wird (s. Art. 94 EG-Vertrag). Daher ist es im Bereich der direkten Steuern nur in wenigen Bereichen zu einer Harmonisierung gekommen, beispielsweise im Rahmen der Mutter-Tochter-Richtlinie und der Fusionsrichtlinie.

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH müssen die Mitgliedstaaten allerdings bei Ausübung der ihnen verbleibenden Kompetenz die Schranken, die Ihnen das Gemeinschaftsrecht auferlegt, beachten. Das heißt, dass obwohl die Ausgestaltung des nationalen Steuerrechts Teil der Souveränität der Nationalstaaten ist und bleibt, das Ergebnis der Kompetenzausübung, also die nationalen Steuergesetze, nicht gegen Gemeinschaftsrecht, insbesondere nicht gegen die Grundfreiheiten verstoßen dürfen.[2]

Wichtige Entscheidungen

  • Manninen-Entscheidung: Nach der Manninen-Entscheidung des EuGH ist die Beschränkung eines Körperschaftsteuer-Anrechnungsverfahren auf die Anrechnung nur inländischer Körperschaftsteuer EG-rechtswidrig. Auch ausländische Körperschaftsteuer muss angerechnet werden. Dieses Urteil (zusammen mit dem Urteil Fokus Bank ASA des EFTA-Gerichtshofs) ist das endgültige Ende für Körperschaftsteueranrechnungssysteme in Europa.
  • Lasteyrie du Saillant-Entscheidung: Die Besteuerung von stillen Reserven beim Wohnsitzwechsel von natürlichen Personen ins Ausland (nicht dagegen beim inländischen Wohnsitzwechsel) wie er auch in Deutschland durch § 6 Außensteuergesetz (AStG) vorgesehen ist, wurde in Frankreich für EG-rechtswidrig angesehen (s. auch Wegzugsbesteuerung). Diesbezüglich steht ein Vertragsverletzungsverfahren der Kommission gegen Deutschland im Raum.
  • Gerritse-Entscheidung: Nach dem Urteil Gerritse ist es unzulässig, dass beschränkt Steuerpflichtige ihre Werbungskosten nicht abziehen dürfen, wenn es unbeschränkt Steuerpflichtige dürfen.
  • Lankhorst-Hohorst-Entscheidung: Hier wurden die deutschen Regeln zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung für EG-rechtswidrig erklärt.
  • Eurowings-Entscheidung: Die hälftige Hinzurechnung von Leasinggebühren, die an Ausländer gezahlt werden, bei der Gewerbesteuer wurde für EG-rechtswidrig befunden.
  • Marks & Spencer-Entscheidung: Einem Konzern darf die Verrechnung eigener Gewinne mit den Verlusten einer ausländischen Tochter dann nicht untersagt werden, wenn im Sitzland der Tochter die Nutzung dieser Verluste unmöglich ist.
  • Cadbury-Schweppes-Entscheidung: Eine Hinzurechnungsbesteuerung der Gewinne von Tochtergesellschaften im niedrig besteuernden Ausland ist nur bei einer nach objektiven Kriterien zu beurteilenden missbräuchlichen Gestaltung zulässig.
  • Francovich-Entscheidung: Dem einzelnen Bürger steht bei einer Verletzung des Gemeinschaftsrechts durch einen Mitgliedstaat ein Anspruch auf Ersatz zu, wenn dem Einzelnen durch den staatlichen Verstoß ein Schaden entstanden ist.

Weitere Entscheidungen

  • 1993: Keck-Entscheidung (Legitimationen der Einschränkung der Marktfreiheit)
  • IATA und ELFAA: Der Wortlaut des Art. 251 EG-Vertrag schränkt somit die Maßnahmen des Vermittlungsausschusses, die eine Einigung über einen gemeinsamen Entwurf (zwischen Rat und Europäischem Parlament) ermöglichen sollen, inhaltlich nicht ein. (C-344/04)

Richter

Aus jedem Mitgliedstaat der EG stammt ein Richter am EuGH (Art. 221 EG-Vertrag). Die Personen müssen unabhängig sein und die in ihrem Land für eine Tätigkeit am höchsten Gericht erforderliche Qualifikation aufweisen oder von „anerkannt hervorragender Befähigung“ sein. Alle drei Jahre wird die Hälfte der Richter von den Regierungen neu ernannt. Sie bleiben jeweils für sechs Jahre im Amt. Eine Wiederernennung ist möglich. (Art. 223 EG-Vertrag)

Siehe: Liste der Richter am Europäischen Gerichtshof, Liste der deutschen Richter und Generalanwälte am Europäischen Gerichtshof

Kritik

In einem Rechtsstaat besteht die Aufgabe des obersten Gerichts auch und gerade in einer verfassungsmäßigen Kontrolle des Gesetzgebers und der Regierung. Dies erfordert, dass verfassungswidrige Maßnahmen dieser Organe auch entsprechend gekennzeichnet werden. Der Europäische Gerichtshof hat Derartiges nur selten getan (Beispiel: Aufgrund einer Nichtigkeitsklage des BGH und eines Vorabentscheidungsersuchens des High Court of Justice im Zusammenhang mit einer Klage mehrerer Tabakfirmen (Imperial Tobacco u. a.) erklärte der EuGH mit Urteil vom 5. Oktober 2000, Geschäftszahl C-376/98, die Richtlinie 98/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen für nichtig und hob sie - als der höchsten Norm, nämlich dem EG-Vertrag widersprechend - auf). Zudem können die Regierungsvertreter der Länder die Richter selbst bestimmen, wohingegen bspw. in Deutschland die Unabhängigkeit der Richter dadurch gestärkt wird, dass sie von Bundestag und Bundesrat gewählt werden. Weitere Kritikpunkte sind die kurze Amtszeit und die Möglichkeit zur Wiederwahl.

Präsident des Europäischen Gerichtshofs

Der Präsident des Europäischen Gerichtshofs wird auf drei Jahre gewählt, und zwar indem die Richter für einen aus ihrer Mitte abstimmen. Der Präsident kann uneingeschränkt wiedergewählt werden.

Er leitet die Verwaltung des Gerichts und die sonstigen richterlichen Aufgaben und führt den Vorsitz bei Anhörungen und Beratungen in den Kammern. Er teilt die Fälle den Kammern für jegliche vorbereitende Aufgaben zu und wählt außerdem einen Richter der Kammer aus, um als Berichterstatter zu fungieren. Des Weiteren legt er die Daten und den Zeitplan für die Sitzungen der „Großen Kammer“ und des gesamten Gerichtes, fest. Der Präsident nimmt auch persönlich Stellung, wenn es um Anfragen für einstweilige Verfügungen u.ä. geht.

Siehe: Liste der Präsidenten des Europäischen Gerichtshofs

Weitere internationale, multinationale oder regionale Gerichtshöfe

Literatur

  • Mariele Dederichs: Die Methodik des EuGH. Baden-Baden 2004, ISBN 3832906940.
  • Stephan Keiler / Christoph Grumböck (Hrsg): EuGH-Judikatur aktuell. Wien 2006, ISBN 3707306062 (Inhaltsverzeichnis hier).
  • Matthias Pechstein: EU-/EG-Prozessrecht. Unter Mitarbeit von Matthias Köngeter und Philipp Kubicki. 3. Auflage. Mohr Siebeck, Tübingen 2007, ISBN 9783161492693.
  • Bernhard Schima: Das Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH. München 2005, ISBN 3406515746.
  • Martina Schmid: Die Grenzen der Auslegungskompetenz des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EG. Dargestellt am Beispiel der überschiessenden Richtlinienumsetzung. Bern 2005, ISBN 3631543417.
  • Alexander Thiele: Individualrechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof durch die Nichtigkeitsklage. Nomos, Baden-Baden 2006, ISBN 9783832923761.
  • Alexander Thiele: Europäisches Prozessrecht. Verfahrensrecht vor dem EuGH. Ein Studienbuch. C.H. Beck, München 2007, ISBN 9783406557491.
  • Bertrand Wägenbaur: EuGH VerfO. Satzung und Verfahrensordnungen EuGH/EuG. Kommentar. C.H. Beck, München 2008, ISBN 9783406552007.

Weblinks

Quellen

  1. EuGH, Urteil vom 15. Juli 1964, Rs. 6–64, EuGHE 1964, 1141 – „Costa/E.N.E.L.“
  2. vgl. etwa EuGH, Urteil vom 14. Februar 1995, Rs. C-279/93 – „Schumacker“, Rz. 21

49.626.13944444444457Koordinaten: 49° 37′ 12″ N, 6° 8′ 22″ O


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