Interfacedesign

Interfacedesign

Interfacedesign (dt.: Schnittstellendesign) ist eine Disziplin des Designs, die sich mit der Gestaltung von Benutzeroberflächen zwischen Mensch und Maschine beschäftigen. Dafür werden die Bedingungen, Ziele und Hindernisse dieser Interaktion sowohl von menschlicher als auch von technischer Seite erforscht und später – soweit möglich – auf den Menschen hin optimiert. Ziel des Interfacedesigns ist eine Anwenderschnittstelle, die so gestaltet ist, dass ein möglichst breiter Kreis von Nutzern eine optimale Wunsch-/Bedürfnis-/Zielerfüllung durch angemessene Handlungsschritte erfährt. Während sich Designer übergreifend beim Interactiondesign (dt.: Interaktionsgestaltung) eingehend mit dem Verhalten und der Konzeption (Nutzungsszenarien) eines Artefaktes beschäftigt, geht es im Interfacedesign um die konkrete Gestaltung, wenn auch nicht nur visuell, einer Schnittstelle. Beide Disziplinen sind schwer voneinander zu trennen, die Grenzen sind fließend, denn jeder Interactiondesigner gestaltet meist im Laufe des Prozesses ein Interface. Typische Arbeitsfelder von Interfacedesignern sind Softwaredesign, Usability-Forschung, Webdesign oder Produktdesign.

In der Definition des Begriffes begrenzt Jef Raskin die Bedeutung nicht nur auf die Gestaltung grafischer Benutzeroberflächen(GUI), sondern benutzt den Begriff Interface stellvertretend für eine "Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine oder Mensch und Computer". Eine Spracherkennung ist demnach ebenfalls ein Interface. Konkret sagt er: "Ein Interface bezeichnet nämlich die Art und Weise, wie ein Produkt eine bestimmte Aufgabe ausführt - also was der Benutzer tun kann und wie das System darauf reagiert"(vgl. "Das Intelligente Interface", Raskin 2001 S.18) In dieser Bedeutung wird der Begriff Interfacedesign der deutschen Übersetzung "Schnittstellendesign" eher gerecht, man beschäftigt sich also nicht nur ausschließlich mit der visuellen, grafischen Gestaltung. Eine gelungene Abgrenzung der Begrifflichkeiten Interfacedesign und Interactiondesign ist die Betrachtung des Interactiondesigns als Gestaltung eines Prozesses, während das Interfacedesign der Gestaltung eines Endprodukt am nähesten kommt.

Inhaltsverzeichnis

Arbeitsfeld

Die Interaktion mit einer Bedienoberfläche – meist ein Bildschirm, aber auch Automaten oder etwa Maschinen – soll vom Interaktionswunsch des Nutzers über angelegte Rückkoppelungsmechanismen (Ein- und Ausgabe von Daten per Tastatur/Steuerung/gezielter Handlung) in angemessener Zeit zu einem abgeschlossenen und sinnvollen Ergebnis führen. Ein wichtiger Aspekt hierbei ist, dass der Nutzer bei der Interaktion ein möglichst positives Anwendungserlebnis User Experience erfahren soll.

Das weitaus größte Feld innerhalb des Interface-/Interaktionsdesigns ist die Interaktion mit einem Computer. Hier ist Interfacedesign ein Teilbereich der Mensch-Computer-Interaktion. Ziel ist das optimale Finden, Bewerten, Verändern und Speichern von Information, die der Nutzer innerhalb eines digitalen Wissensraumes (Webseite, Datenbank, Programm, Angebote aller Art) vornimmt. Dabei werden konzeptionelle (mess- und steuerbare, „harte“), sowie ästhetische (individuelle, „weiche“) Aspekte der Interaktion berücksichtigt. In der Praxis werden dafür üblicherweise schon während der Entwurfsphase Tests an der jeweiligen Zielgruppe durchgeführt.

Geschichte

Interfacedesign ist eine junge Disziplin, deren Geburtsstunde mit dem Ende der textgesteuerten Computersteuerung, und dem Beginn von visuellen Anwenderschnittstellen einherging (Arbeiten mit der Maus; grafische Darstellung von Inhalten; siehe auch Benutzeroberfläche des Apple Macintosh ca. 1980). Mit der Zunahme von Bildschirmarbeitsplätzen entstand der Begriff der Software-Ergonomie, der seit 2000 in Deutschland per Gesetz oder bei Software-Herstellern in internen Entwicklungsrichtlinien fixiert ist.

Das Internet mit seiner weltweiten Verbreitung ab Ende der 90er Jahre brachte den Begriff der Usability, unter dem zunächst Privatpersonen (Jakob Nielsen) das neue Medium auf Gebrauchstauglichkeit durch heterogene Benutzergruppen untersuchten. Der fortschreitende weltweite Einsatz und die Akzeptanz von digitalen Angeboten, verbunden mit ihrer hohe Interaktivität, führten zur gegenwärtigen universitären und kommerziellen "Usabilityforschung", die strukturiert Problemfelder in der Mensch-Maschine-Interaktion untersucht.

Nomenklatur

Zu unterscheiden sind in jedem Fall die Begriffe Interaction Design und Interfacedesign. Auch wenn beides ineinander übergeht.

Mit dem Begriff Interfacedesign wird der Schwerpunkt auf die sinnvolle Gestaltung von interaktiven Oberflächen gelegt. Diese können aber nur dann erfolgreich sein, wenn man die involvierten Nutzer, Daten und Ziele des zu untersuchenden Prozesses kennt, und diese mit einbezieht. Der Begriff "Schnittstelle" impliziert jedoch die Konzentration auf die interaktiven Bedienelemente für ein interaktives Produkt. Kurz: Schwerpunkt Oberfläche und Informationsdarstellung, unter Berücksichtigung einer dynamischen Umgebung.

Beim Begriff Interaction Design ist das generelle Interaktionskonzept gemeint, das hinter der Oberfläche liegt. Die Betrachtung ist ganzheitlicher - es wird nicht für ein bestehendes Produkt eine Schnittstelle zum Benutzer definiert, sondern das Produkt wird aus der gewünschten Interaktion heraus neu erdacht. Hierfür sind anschließend natürlich auch interaktive Schnittstellen vonnöten, ohne die diese Prozesse nicht erfolgreich sein können. Kurz: Schwerpunkt Nutzungsszenarien und -prozesse, dynamische Umgebung und Informationstransport, unter Berücksichtigung der dafür notwendigen Interaktionselemente.

Literatur, Forschung, Lehre

Wichtige Namen in diesem Zusammenhang (einschließlich dem für das Interfacedesign äußerst relevanten Bereich der kognitiven Psychologie) sind Donald Norman, Jef Raskin, Ben Shneiderman, Bruce Tognazzini, Jakob Nielsen und Steve Krug, die alle einen Schwerpunkt auf den "Common-Sense-Approach" legen. Für den Bereich Design wäre hier der Designtheoretiker Dr. h. c. Gui Bonsiepe zu nennen.

In den USA gibt es einen sehr engagierten Fachbereich am MIT. In Europa entstehen derzeit stetig neue Lehrangebote zu dieser Disziplin. Lehrstühle mit anerkannter Reputation sind beispielsweise die Hochschule Malmö in Schweden und die Fachhochschule Potsdam mit eigenen Studiengängen zu diesem Thema vertreten. Das Umeå Institute of Design (Schweden) bietet einen Masterstudiengang in Interaction Design an. Außerdem wird an der Universität von Süddänemark das IT-Produktdesign-Masterstudium unterrichtet.

In Deutschland bieten neben der Muthesius Kunsthochschule in Kiel und der Hochschule Magdeburg-Stendal (Master of Arts in Interaction Design) auch die Hochschule Potsdam und seit dem Herbst 2007 die Hochschule für Gestaltung Schwäbisch Gmünd Studiengänge an. Die Hochschule Fulda hat zur Thematik seit 2005 ein interdisziplinäres und fachbereichsübergreifendes Kompetenzzentrum für Mensch-Computer-Interaktion.

In diesem Zusammenhang sind auch das Interface Labor der Kunsthochschule für Medien Köln, das Institut HyperWerk der Hochschule für Gestaltung und Kunst der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) in Basel/Schweiz, der Studienbereich Interaction Design an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich und das Interaction Design Institute Ivrea in Italien zu nennen.

Im Umfeld der Informatik bietet die Universität Konstanz die Vertiefungsrichtung Mensch-Computer-Interaktion im Rahmen des Bachelor- oder Master-Studiums Information Engineering an, die sich im interdisziplinären Spannungsfeld zwischen Informatik, Design und Psychologie bewegt. Die Universität Duisburg-Essen verbindet die Disziplinen Psychologie und Informatik in einem Studiengang, der sich „Angewandte Kognitions- und Medienwissenschaft“ nennt. Im zugehörigen Master studiert man dann eher Psychologie oder eher Informatik. Im Bachelor geht es vor allem darum funktionale Medienkonzepte zu entwickeln, etwa für Communities oder CMS-Systeme.

Der Begriff Interfacedesign sollte nicht mit dem alleinstehenden Begriff Interface verwechselt werden. Der Interface-Begriff steht im Designdiskurs ganz allgemein für die Beziehung zwischen Menschen, Artefakten (bzw. Werkzeugen) und Handlungen. Er bildet in diesem speziellen Sinne einen gemeinsamen Nenner zwischen verschiedenen Designdisziplinen.

Verwandte Wissensgebiete

Da beim Interfacedesign komplexe Prozesse erfolgreich miteinander verknüpft werden sollen, liefern andere Wissensgebiete Erkenntnisse und Anregungen für das Interfacedesign:

  • Design und Gestaltung – insbesondere in Typografie, Farbenlehre, Layout (siehe auch Screendesign)
  • Heuristik – die Wissenschaft der allgemein wiederholbaren Vorgehensweisen in Lern-, Erkenntnis- und Problemlösungsprozessen. D. h. wie der Mensch sich Wissen aneignet und gedanklich organisiert.
  • Psychologie – insbesondere die kognitive Psychologie, also die Erkenntnis über unsere Rezeption und Bewertung von Kommunikation.
  • Archivierung – Wissenschaft und Praxis darüber, wie man Daten zum erfolgreichen Wiederfinden durch Dritte ablegt und dabei erhält.
  • Medientheorie – die eher theoretische Untersuchung, welche Typologien und innewohnenden Eigenschaften Medien haben und wie diese beim Gebrauch durch den mediennutzenden Menschen zum tragen kommen.
  • Informatik, Programmierung und Künstliche Intelligenz (KI) - Da ein Interface immer die Landkarte der darunter liegenden Datenagglomeration ist, müssen auch die Abläufe und Bedingungen der Datenverarbeitung bekannt sein.
  • Soziologie – ein Wissensbereich, der derzeit noch wenig mit dem Interfacedesign verbunden ist, aber in Zukunft an Bedeutung gewinnen wird: Wie begegnen unterschiedliche Lebensalter und Kulturen einer Mensch-Maschine-Schnittstelle?

Literatur

  • Alan Cooper: The Inmates Are Running the Asylum, Sams (31. März 2004), ISBN 0-672-32614-0.
  • Alan Cooper: About Face 3.0: The Essentials of Interaction Design, Wiley & Sons, Auflage: 3. überarb. (30. Mai 2007), ISBN 978-0-470-08411-3.
  • Maximilian Eibl, Harald Reiterer, Peter Fr. Stephan: Knowledge Media Design. Theorie, Methodik, Praxis, Oldenbourg; Auflage: 2., korr. Aufl. (Juni 2006), ISBN 3-486-58014-0.
  • Steven R. Johnson: Interface Culture: How New Technology Transforms the Way We Create and Communicate, Basic Books; Auflage: Reprint (Oktober 1999), ISBN 0-465-03680-5.
  • Cyrus D. Khazaeli:Systemisches Design, Rowohlt Tb. (Juli 2005), ISBN 3-499-60078-1.
  • Steve Krug: Don't Make Me Think!: A Common Sense Approach to Web Usability, New Riders, Auflage: 2nd ed. (8. September 2005), ISBN 978-0-321-34475-5.
  • Bill Moggridge: Designing Interactions (with CDROM), The MIT Press (30. Oktober 2006), ISBN 0-262-13474-8.
  • Donald A. Norman:Things That Make Us Smart: Defending Human Attributes in the Age of the Machine, Perseus Books; Auflage: Reprint (Mai 1994), ISBN 0-201-62695-0.
  • Donald A. Norman:The Invisible Computer: Why Good Products Can Fail, the Personal Computer Is So Complex and Information Appliances Are the Solution, Mit Press; Auflage: Reprint (August 1999), ISBN 0-262-64041-4.
  • Bernhard Preim, Raimund Dachselt: * Interaktive Systeme. Springer, 2010
  • Jef Raskin: Das intelligente Interface. Neue Ansätze für die Entwicklung interaktiver Benutzerschnittstellen, Addison-Wesley; Auflage: 1. Aufl. (15. April 2001), ISBN 3-8273-1796-7.
  • Ben Shneiderman: Designing the User Interface, Addison-Wesley Longman, Amsterdam (Mai 2004), ISBN 0-321-26978-0.
  • Ben Shneiderman: Leonardo's Laptop. Human Needs and the New Computing Technologies., B&T (September 2003), ISBN 0-262-69299-6.

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