Jacques Audiard

Jacques Audiard
Jacques Audiard bei der Premiere seines Films Ein Prophet bei den 62. Filmfestspielen von Cannes (2009)

Jacques Audiard (* 30. April 1952 in Paris) ist ein französischer Regisseur und Drehbuchautor. Bekanntheit erlangte er in seinem Heimatland durch Genrefilme wie Lippenbekenntnisse (2001) oder Der wilde Schlag meines Herzens (2005) mit denen er sich als einer der wichtigsten Vertreter im gegenwärtigen französischen Kino etablierte.[1]

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Ausbildung und Erfolg als Drehbuchautor

Jacques Audiard wurde 1952 in Paris als Sohn des bekannten Drehbuchautors und Regisseurs Michel Audiard geboren. Als Jugendlicher widerstand er zuerst, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten. Audiard begann ein Studium der Literatur und Philosophie an der renommierten Pariser Universität Sorbonne, um Lehrer zu werden. In seinen Semesterferien kam er jedoch als Praktikant bei einem Cutter mit dem Medium Film in Berührung. Audiard gab daraufhin sein Studium auf und begann als Assistent von Cuttern im Filmgeschäft allmählich Fuß zu fassen, so u. a. 1976 bei Roman Polanskis Psychothriller Der Mieter oder Patrice Chéreaus Drama Die letzte Ausgabe (1978). Zur selben Zeit widmete sich der Neffe eines Filmproduzenten auch der Theaterarbeit und adaptierte literarische Werke für Bühneninszenierungen.

Anfang der 1980er Jahre trat Jacques Audiard, als Drehbuchautor erfolgreich in die Fußstapfen seines Vaters. 1983 schrieb er gemeinsam mit Michel Audiard das Drehbuch zum Psychothriller Das Auge, eine Adaption von Marc Behms gleichnamigen Roman. In dem Film von Claude Miller mit Michel Serrault, Isabelle Adjani und Stéphane Audran in den Hauptrollen besetzt, glaubt der Titelheld, ein gealterter Detektiv, in der schönen Mörderin Catherine seine verstorbene Tochter wieder zu erkennen. Das Auge wurde von der Kritik gelobt und ein Jahr später für fünf Césars nominiert, dem wichtigsten französischen Filmpreis. Es folgten Drehbücher für Filmproduktionen von Edouard Niermans, Josiane Balasko oder Michel Blanc. Neben seiner Arbeit als Drehbuchautor versuchte sich Audiard in dieser Zeit auch als Regisseur von Kurzfilmen.

Karriere als Regisseur

Durch den Erfolg seiner Drehbücher konnte Jacques Audiard im Jahr 1994 seinen ersten eigenen Film realisieren. In dem Thriller Wenn Männer fallen spielt Jean Yanne die Hauptrolle des Simon, einem auf die sechzig zugehenden Handelsvertreter, der den Mord an seinen Freund, einen Polizisten, aufklärt. Audiards Regiedebüt, in weiteren Rollen mit Jean-Louis Trintignant und Mathieu Kassovitz besetzt, wurde von der Kritik positiv aufgenommen und gewann 1995 drei Césars, u. a. in der Kategorie Bestes Erstlingswerk. Mit dem jungen Matthieu Kassovitz in der Hauptrolle drehte der Regisseur auch seinen zweiten Film Das Leben: Eine Lüge, die Adaption eines Romans von Jean-François Deniau. In dem Drama kommt der Protagonist Albert Ende des Zweiten Weltkriegs Familiengeheimnissen auf die Spur. Sein Vater war kein Kriegsheld und seine Mutter sympathisierte mit den deutschen Soldaten. Mit Das Leben: Eine Lüge konnte Audiard erfolgreich an sein Erstlingswerk anknüpfen. Die Produktion wurde auf den internationalen Filmfestivals von Stockholm und Valladolid preisgekrönt und 1997 für sechs Césars nominiert, darunter die erste Nominierung für Jacques Audiard als Bester Regisseur.

Audiards dritter Langspielfilm folgte erst fünf Jahre nach Das Leben: Eine Lüge. Dazwischen drehte er den Kurzfilm Norme française (1998) und verfasste gemeinsam mit Regisseurin Tonie Marshall und Marion Vernoux das Drehbuch zu Marshalls preisgekrönter Komödie Schöne Venus, die Audrey Tautou 1999 in Frankreich zum Star machte. Im Jahr 2001 folgte der Thriller Lippenbekenntnisse, das auf einem Originaldrehbuch von Audiard und Tonino Benacquista basiert. Hier spielt Vincent Cassel den frisch aus dem Gefängnis entlassenen Dieb Paul, der eine Liaison mit einer hörgeschädigten Sekretärin (gespielt von Emmanuelle Devos) eingeht und eine Gruppe von Kriminellen betrügt. Mit dem Thriller war Jacques Audiard erneut Erfolg bei Kritikern und Publikum beschieden und das Werk wurde 2002 insgesamt neun Mal für den César nominiert, darunter in den Kategorien Bester Film, Regie und Drehbuch. Zwar unterlag Lippenbekenntnisse in den wichtigsten Kategorien Jean-Pierre Jeunets weltweit gefeierter Komödie Die fabelhafte Welt der Amélie, doch gewann das Werk drei Césars, darunter den Preis für das Beste Drehbuch und Emmanuelle Devos als Beste Hauptdarstellerin. 2005 wiederholte Jacques Audiard die Zusammenarbeit mit Tonino Benacquista und schrieb mit ihm das Drehbuch zu Der wilde Schlag meines Herzens, ein Remake von James Tobacks B-Movie Finger – Zärtlich und brutal aus dem Jahr 1978. Das Werk in dem Romain Duris den musikalisch begabten Tom mimt, der zwischen einer kriminellen Karriere in der Pariser Immobilienszene und der als Konzertpianist abwägen muss, stellt den bisher größte Erfolg des französischen Regisseurs und Drehbuchautors dar. Audiard wurde für seine im Vergleich zum Original düstere und realistischere Inszenierung von der internationalen Kritik gefeiert und zog in Frankreich eine Million Zuschauer in die Kinos. Das Drama erhielt 2006 zehn Nominierungen für den César, und konnte sich in acht Kategorien durchsetzen. Audiard erhielt die Trophäen für den besten Film, Regie und das beste adaptierte Drehbuch.

Audiard mit Niels Arestrup (li.) und Tahar Rahim (re.) bei den Filmfestspielen von Cannes (2009)

Jacques Audiard gilt mittlerweile als Meister des französisches Thrillers, obwohl er selbst von sich sagt keine Genrefilme zu drehen. Für seine realistischen, düsteren Inszenierungen genießt er internationale Achtung bei seinen Regiekollegen. Der Filmemacher, der in seiner Heimat als potentieller Nachfolger von Regisseuren wie Jean-Pierre Melville (1917–1973) oder Henri-Georges Clouzot (1907–1977) gehandelt wird, wollte im Jahr 2006 seinen fünften Langspielfilm Les Disparus (dt.: „Die Vermissten“) inszenieren. Der Thriller sollte die dritte Zusammenarbeit zwischen Jacques Audiard und Tonino Benacquista begründen und eine Pariser Mutter (gespielt von Juliette Binoche) in den Mittelpunkt stellen, die dem mysteriösen Verschwinden ihrer 14-jährigen Tochter auf die Spur kommt. Das Projekt zerschlug sich jedoch und der Regisseur stellte drei Jahre später den Gefängnisfilm Ein Prophet fertig, der von französischen Kritikern als bisher bester Film des Regisseurs bewertet wurde.[2] Die Geschichte über einen jungen Waisenjungen maghrebinischer Abstammung (gespielt von Tahar Rahim), der mit Hilfe der korsischen Mafia zum einflussreichen Kriminellen avanciert, erhielt 2009 den Großen Preis der Jury im Wettbewerb der 62. Filmfestspiele von Cannes.[3] Wenige Monate später wurde Ein Prophet als offizieller französischer Beitrag für die Nominierung um den besten fremdsprachigen Film bei der Oscarverleihung 2010 ausgewählt[4] und 2010 in neun Kategorien mit dem César prämiert, darunter bester Film, beste Regie und Original-Drehbuch.

Neben seiner Arbeit für den Film inszenierte Jacques Audiard auch mehrere Musikvideos, darunter den Clip Comme elle vient der französischen Rockband Noir Désir in dem Taubstumme den Liedtext in Zeichensprache interpretieren. Die Anfangssequenz mit ihrem untertitelten Dialog rief in Frankreich einen kleinen Skandal hervor. In ihr führen drei Frauen eine politische Diskussion und kommen zu dem Ergebnis, dass es besser sei taub zu sein, als Politikern zuzuhören. Als Schauspieler agierte Audiard in Nebenrollen 1990 in Alain Robaks Horrorfilm Baby Blood, sowie 1994 in Denise Abaglias Fernsehfilm Wer kriegt denn hier ein Baby?.

Filmografie

Regisseur

Drehbuchautor (Auswahl)

Auszeichnungen

César

  • 1995: Bestes Erstlingswerk, nominiert in der Kategorie Bestes Drehbuch für Wenn Männer fallen
  • 1997: nominiert in den Kategorien Bester Regie und Bestes Drehbuch für Das Leben: Eine Lüge
  • 2002: Bestes Drehbuch, nominiert in den Kategorien Bester Film und Beste Regie für Lippenbekenntnisse
  • 2006: Bester Film, Beste Regie und Bestes adaptiertes Drehbuch für Der wilde Schlag meines Herzens
  • 2010: Bester Film, Beste Regie und Bestes Original-Drehbuch für Ein Prophet

British Academy Film Award

  • 2006: Bester nicht-englischsprachiger Film für Der wilde Schlag meines Herzens
  • 2010: Bester nicht-englischsprachiger Film für Ein Prophet

Weitere

Berlinale

  • 2005: nominiert in der Kategorie Bester Film für Der wilde Schlag meines Herzens

Internationale Filmfestspiele von Cannes

  • 1996: Bestes Drehbuch für Das Leben: Eine Lüge
  • 2009: Großer Preis der Jury für Ein Prophet

Europäischer Filmpreis

  • 2002: nominiert in der Kategorie Bestes Drehbuch für Lippenbekenntnisse
  • 2005: nominiert in der Kategorie Beste Regie für Der wilde Schlag meines Herzens
  • 2009: nominiert in den Kategorien Beste Regie und Bestes Drehbuch für Ein Prophet

Étoile d’Or

  • 2006: Bester Film und Beste Regie für Der wilde Schlag meines Herzens
  • 2010: Bester Film, Beste Regie und Bestes Drehbuch für Ein Prophet

Independent Spirit Awards

  • 2010: nominiert in der Kategorie Bester ausländischer Film für Ein Prophet

Louis-Delluc-Preis

  • 2009: Bester Film für Ein Prophet

London Critics Circle Film Awards

  • 2010: nominiert in den Kategorien Regie und Drehbuch für Ein Prophet

London Film Festival

  • 2009: Bester Film für Ein Prophet

Newport International Film Festival

  • 2002: Beste Regie für Lippenbekenntnisse

Prix Lumière

  • 2006: Bester Film für Der wilde Schlag meines Herzens
  • 2010: Beste Regie für Ein Prophet

Stockholm International Film Festival

  • 1996: Bestes Drehbuch für Wenn Männer fallen

Syndicat Français de la Critique de Cinéma

  • 2006: Bester Film für Der wilde Schlag meines Herzens

Valladolid International Film Festival

  • 1996: Bestes Drehbuch, nominiert in der Kategorie Bester Film für Wenn Männer fallen

Weblinks

Einzelnachweise

  1. vgl. Turan, Kenneth: Jacques Audiard's 'A Prophet' has a buzz building in der Los Angeles Times, 19. Mai 2009 (aufgerufen am 24. Mai 2009 via calendarlive.com)
  2. vgl. Mandelbaum, Jacques: Jacques Audiard galvanise Cannes avec son film "Un prophète". In: Le Monde, 19. Mai 2009, Editorial – Analyses, S. 1
  3. vgl. Preisträger bei festival-cannes.fr (englisch; aufgerufen am 24. Mai 2009)
  4. vgl. "Un prophète" retenu pour représenter la France aux Oscars bei lemonde.fr, 17. September 2009 (aufgerufen am 18. September 2009)

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