Jean Meslier

Jean Meslier
Jean Meslier (1664-1729), französischer Aufklärer.
Foto der kleinen Kirche in Étrépigny, in der Jean Meslier wirkte.

Jean Meslier (* 15. Juni 1664 in Mazerny; † im Frühsommer 1729 in Étrépigny) war ein französischer katholischer Priester (curé; abbé) im Zeitalter der Aufklärung, der noch vor Julien Offray de La Mettrie (L'homme machine, 1748) von einem konsequent materialistischen, atheistischen Standpunkt aus eine radikale Kirchen- und Religionskritik schrieb. Sein zu Lebzeiten nicht veröffentlichtes Manuskript zirkulierte klandestin (heimlich, im Verborgenen) und übte so einen starken Einfluss auf die französischen Aufklärer des 18. Jahrhunderts aus. Eine ungekürzte Buchausgabe seines Testaments erschien erstmals 1864 in Amsterdam.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Jean Meslier wurde als Sohn eines Tuchhändlers in Mazerny in den Ardennen geboren. Im Alter von 25 Jahren wurde er Pfarrer des nahegelegenen Dorfes Étrépigny. Das Priesteramt übte er bis zu seinem Tod im Jahr 1729 aus.

Meslier empörte sich über die schlechte Behandlung der Bauern seiner Gemeinde durch den adeligen Grundherrn de Toully und prangerte diese auch in seinen Predigten an. Der Edelmann beschwerte sich beim zuständigen Bischof und postwendend erhielt der Pfarrer einen Verweis mit bestimmten Auflagen. Das änderte aber Mesliers Haltung und öffentliche Kritik nicht. Auf die erneuten Klagen des Grundherrn Toully hin wurde der Landpfarrer zum Erzbischof nach Reims zitiert und gründlich ins Gebet genommen, so gründlich, dass Meslier es nie wieder wagte, öffentlich Kritik zu üben.

Aber der unter Druck gesetzte Dorfpastor dachte nicht daran, den Widerstand aufzugeben. Vielmehr fing er an, ein Doppelleben zu führen. Nach außen tat er seinen Dienst, insgeheim aber schrieb er ein religionskritisches Manuskript von weit über tausend Seiten. Der Form nach handelt es sich um eine Predigtreihe barocker Art, bestimmt für seine Gemeinde, der Absicht nach ein Appell an alle „Leute von Geist und Autorität, die Partei der Gerechtigkeit und der Wahrheit zu ergreifen und die schlimmen Irrtümer und Zustände, den abscheulichen Aberglauben und die ganze abscheuliche Tyrannei anzuprangern und zu bekämpfen, bis sie vernichtet wären“.

Werk

Mesliers Werk gliedert sich in acht Teile:[1] 1. Die Religionen „sind allesamt nur menschliche Erfindungen“; 2. „Blinde Gläubigkeit“ ist das Prinzip allen Irrtums und aller Illusionen; 3. Falschheit der „angeblich göttlichen Visionen und Offenbarungen“; 4. „Eitelkeit und Falschheit der angeblichen Prophezeiungen des Alten Testamentes“; 5. „Irrtümer der Lehre und Moral der christlichen Religionen“; 6. „Die christliche Religion duldet die Missbräuche und Tyrannei der großen Herren“; 7. Falschheit der angeblichen „Existenz von Göttern“; 8. Falschheit der Idee der Spiritualität und der Unsterblichkeit der Seele.

Meslier schrieb sein Werk in seinem letzten Lebensjahrzehnt, denn er setzt Fénelons Buch Demonstration de l'existence de Dieu (1718) voraus und widerlegt dessen Gottesbeweise einen nach dem anderen.[2]

Meslier selbst fertigte von seinem Werk drei fast gleichlautende Exemplare an. Schon bald kursierten Abschriften in Paris, natürlich nur unter der Hand. An die Drucklegung wagte sich niemand, denn das Buch wäre sofort beschlagnahmt und verbrannt worden. Für Leute mit Spürsinn und Geld war es dennoch nicht allzu schwierig, eine Abschrift zu bekommen. Voltaire war reich und findig genug, ein komplettes Manuskript aufzutreiben. Es spricht für Voltaire, dass er den Wert des Fundes erkannte. Er ließ das „Zeugnis der Wahrheit“ unter den Enzyklopädisten zirkulieren.

Im Jahr 1762 ließ Voltaire, ohne sich als Herausgeber zu erkennen zu geben, überarbeitete Auszüge aus Mesliers Werk publizieren. Mesliers ursprünglicher radikaler Atheismus findet sich in der Ausgabe Voltaires zum vorsichtigen Deismus abgemildert. Auch Baron d'Holbach veröffentlichte eine Schrift über Meslier und sein Werk (Le bon sens du Curé Jean Meslier suivi de son testament). Eine vollständige Ausgabe erschien erst 1864 in drei Bänden in Amsterdam, herausgegeben von Rudolf Charles (er benutzte nur seine Vornamen), dem Pseudonym von Rudolf Charles d´Ablaing van Giessenburg. Die maßgebliche Edition ist die von Albert Soboul und andere 1972 aufgrund der Originalmanuskripte erstellte.

Sein Testament macht Meslier zu einem der herausragenden Vorläufer des Zeitalters der Aufklärung. In der Neuzeit war Meslier der erste, der einen kompromisslosen Atheismus vertrat. Gleichzeitig entwickelte Meslier frühzeitig einen rigorosen Materialismus und eine von anarchistischen und sozialistischen Gedanken geprägte Konzeption der Gesellschaft.

Werkausgaben

  • Jean Meslier Oeuvres completes, Herausgeber: J . Deprun, R. Desne, A. Soboul, 3 Bände, Paris, 1970 bis 1972
  • Das Testament des Abbé Meslier, hg. u. eingel. v. Günther Mensching, übers. v. Angelika Oppenheimer. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1976 ISBN 3-518-06000-7; neu hg. u. eingel. v. Hartmut Krauss. Osnabrück: Hintergrund Verlag 2005 ISBN 3-00-015292-X

Literatur

  • Johann Haar: Jean Meslier und die Beziehungen von Voltaire und Holbach zu ihm. Diss. Hamburg 1928
  • Friedrich Hagen: Jean Meslier oder: Ein Atheist im Priesterrock. Leverkusen, Köln: Lit. Verlag Braun, 1977, ISBN 3-88097-046-7
  • Paul Heinrich Dietrich Holbach: Le bon sens du Curé Jean Meslier suivi de son testament. G. Olms, 1970
  • Günter Mager: Das Wissen des Jean Meslier. Über die wahre Entstehung der Aufklärung. Friedmann Verlag, 2006, ISBN 3-933431-75-1 (Roman)
  • Georges Minois: Geschichte des Atheismus: Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Böhlaus Nachfolger 2000, ISBN 3-7400-1104-1 (über Meslier im 4. Teil, 10. Kapitel)
  • Lire Jean Meslier - Curé et athée révolutionnaire - Introduction au mesliérisme et extraits de son oeuvre. Éd. Serge Deruette. Bruxelles: Éd. Aden 2008, ISBN 978-2-930402-50-5
  • Hartmut Krauss (Hrsg.): Das Testament des Abbé Meslier. Die Grundschrift der modernen Religionskritik. Neuausgabe, Osnabrück 2005. ISBN 3-00-015-292-X. Hardcover. 406 Seiten

Belege

  1. Minois, Geschichte des Atheismus, S. 312.
  2. Minois, Geschichte des Atheismus, S. 313.

Weblinks


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