Jonglieren

Jonglieren
3-Ball-Kaskade
Wave-Figur mit Comet-Poi
Zirkusjonglieren

Jonglieren ist als Bewegungskunst Teil der Artistik und gehört traditionell zu den Darbietungen des Zirkus beziehungsweise des Varietés. Dabei ist in erster Linie die Fertigkeit gemeint, mehrere Gegenstände wiederholt in die Luft zu werfen und wieder aufzufangen, so dass sich zu jedem Zeitpunkt mindestens einer der Gegenstände in der Luft befindet. Es wird vor allem mit Bällen, Keulen und Ringen jongliert.

Im weiteren Sinne gehören dazu auch Künste wie das Spiel mit Diabolo oder Devilstick und die verschiedenen Formen der Kontaktjonglage, bei denen Gegenstände auf dem Körper balanciert bewegt werden sowie das Spinning, bei dem Gegenstände fest um ein Zentrum kreisen wie etwa beim Poischwingen, Stabdrehen oder Penspinning. Es finden regelmäßig verschiedenartige Jonglierconventions in diversen Städten statt.

Inhaltsverzeichnis

Etymologie

Der Ursprung des Wortes „Jongleur“ ist bisher nicht eindeutig geklärt. Eine beliebte Vermutung ist, dass das lateinische Wort „jaculator“ für Werfer aus den lateinischen Worten „joculator“ für (Hof)narr und „pilarius“ für Ball zusammengesetzt wurde. Im Französischen wurde daraus zunächst „joglar“ und schließlich „Jongleur“.

Geschichte

Antike

Dieses ägyptische Wandgemälde (ca. 1794–1781 v. Chr.) zeigt wohl vier jonglierende Frauen

Das Jonglieren ist eine Fertigkeit, die von zahlreichen Völkern, wie den Chinesen, Indern oder Azteken zu allen Zeiten und vermutlich auch schon vor den ersten Aufzeichnungen erprobt wurde. Eines der ältesten Jonglier-Requisiten, das Diabolo, wurde in China erfunden. Ebenso gibt es Darstellungen auf antiken griechischen Terrakottascheiben von Jo-Jo spielenden Jungen und Nachweise Poi-spielender Frauen auf Neuseeland. Die früheste bekannte Quelle ist ein Bild, welches aus Ägypten von einem unbekannten Prinzen im 15. Grab in Beni Hasan aus einer Zeit um etwa 1794–1781 v. Chr. stammt. Es zeigt vier jonglierende Frauen.

Europa

Eine sehr frühe griechische Statue von einem Jongleur wurde in den Pyrinen gefunden und kann heute im Nationalen Museum in Athen besichtigt werden. Bei den Römern war es zur Belustigung des Volkes modisch, Gaukler aus dem Orient zu importieren. Häufig handelte es sich dabei um Sklaven. Aber auch normale Bürger und Offiziere jonglierten in ihrer Freizeit. Auf Tagatus Ursus Grabstein findet sich beispielsweise der Hinweis, dass er der erste Mensch sei, der mit Glasbällen jongliert hat und Sidonius Apollinaris, ein Offizier in der römischen Legion, unterhielt seine Truppen mit der Aufführung von Jongliertricks mit Bällen.

China

Verschiedene Jongleure wurden in den Aufzeichnungen erwähnt. Hauptsächlich handelte es sich dabei um Krieger, die so ihre Kampfkunst unter Beweis stellten und manchmal einen Konflikt beenden konnten, bevor es zu Kämpfen kam. Einige Jongleure wurden namentlich genannt, wie etwa:

  • Lan Zi aus der Provinz Song, soll mit sieben Schwertern jongliert haben.
  • Yi Liao von Shinan, der durch eine Balljonglage den Konflikt zwischen zwei Häusern beenden konnte.
  • Xiong Yiliao jonglierte mit neun Bällen in den Auseinandersetzungen zwischen der Provinz von Chu und der Provinz von Song

Mittelalter

Jongleur mit Bällen und Messern

Im Mittelalter scheinen die Jongleure in Ungnade gefallen zu sein, da viele Kleriker und Pfarrer, welche die Geschichtsschreibung übernahmen, ihnen eine lose Moral und manchmal sogar Hexerei unterstellten. Seit Beginn des 6. Jahrhunderts traten Barden oder Hofnarren auf Märkten, Festen oder in Gasthäusern auf und führten kurze, unterhaltsame und schlüpfrige Auftritte auf. Sie reicherten ihre Shows häufig mit kurzen Jongliertricks oder etwas Akrobatik an und reichten am Ende ihrer Vorstellungen Hüte oder Taschen für Spenden herum.

Jongleure waren zu dieser Zeit sehr schlecht angesehen, und sie wurden auch nicht ganz ohne Grund mit Vorsicht und Argwohn behandelt, da sich auch viele Landstreicher, Trickbetrüger und Diebe in der Jonglierkunst übten. Eine weitere Schwierigkeit war, dass die Jongleure, anders als die Poeten und Musiker, keine Möglichkeit besaßen ihre Erfolge und Errungenschaften der Nachwelt zu hinterlassen. Schnell wurden sie daher als, wenn auch unterhaltsame, Tagediebe oder Taugenichtse abgestempelt. Aus dieser Zeit stammt daher auch der Ausspruch:

„Qual mestiers es plus aontos, d'eser joglar o laire?“ – frei übersetzt: „Was kann eine schlimmere Beschimpfung sein, ein Jongleur oder ein Dieb zu sein?“

Eine andere Vermutung ist, dass Jongleure erst im 11. Jahrhundert aus den englischen Minnesängern und Spielleuten hervorgegangen sind. Mit dem Aufkommen der Troubadoure wurden die Jongleure mit ihren vielen Talenten zu beliebten Helfern der Troubadoure und zu Unterhaltern der Adeligen. Sie zogen über das Land, von Hof zu Hof und verfeinerten ihr Können in „Schulen“ und „Bruderschaften“. Die erste Nennung einer solchen Bruderschaft stammt aus dem Jahre 1331; die „Confrerie de St. Julian“ in Paris.

Industrialisierung

Im Jahre 1768 eröffnete Philip Astley den ersten modernen Zirkus. Einige Jahre später heuerte er auch einige Jongleure an. Von da an fanden Jongleure professionelle Arbeit beim Zirkus. Die neuere Geschichte des Jonglierens ist eng mit der Geschichte des Varietés und des Couplets verbunden. Mit dem Einsetzen der Industrialisierung wurde die Kleinkunst und mit ihr das Jonglieren bis zur Mitte des 20 Jahrhunderts immer beliebter. Jongleure wurden zunächst engagiert, um in den Pausen das Publikum vor verschlossenen Vorhang zu unterhalten, während hinter dem Vorhang die Bühne umgebaut wurde. Diese Jongleure konnten sich nun auf die eigentliche Jonglierkunst spezialisieren und vernachlässigten andere Kunststücke wie Schwertschlucken oder die Zauberei. Der Gentleman-Jonglier-Stil wurde von den Deutschen Jongleuren Salerno und Kara erfunden, und mit der Entwicklung des Kunststoffes verwendeten die Jongleure auch zunehmend Gummibälle. Zuvor wurden Jonglierbälle aus Garn, gefüllten Lederbeuteln, Holz oder Metall gemacht. Die Gummibälle hatten den Vorteil, dass man sie auch springen lassen konnte. Mit der weiten Verbreitung der drei großen Unterhaltungsmedien, Radio, Tonfilm und Fernsehen, verlor die Kleinkunst dann wieder drastisch an Bedeutung.

Rekorde

Auswahl von Weltrekorden klassischer europäischer Wurfjonglage[1]:

5 Bälle >1h
7 Bälle 10 min 12 s
9 Bälle 250 Fänge
12 Bälle 12 Fänge
9 Ringe 235 Fänge
13 Ringe 13 Fänge
5 Keulen 53 min 21 s
7 Keulen 4 min 13 s
8 Keulen 16 Fänge
9 Keulen 9 Fänge
5 Diabolos 15 Fänge

Formen und Abwandlungen

Inzwischen haben sich, neben der klassischen europäische Wurfjonglage, auch weitere Formen etabliert. Hierbei sind insbesondere die verschiedenen Formen des Spinning und die Kontaktjonglage zu erwähnen.

Jonglage

Geräte

Daniel Hochsteiner, Jonglage mit Tennisschlägern
Spinning: Astrojax (1) und Jonglagegeräte: phosphoreszierende Jonglierbälle (2), Jonglierfackeln (3), Feuerbälle mit Kevlarhandschuh (4), Jongliertücher (5), Jonglierwürfel (6), Footbag (7)

Zu den Gegenständen, mit denen ausschließlich jongliert wird, gehören u. A.:

Im Prinzip eignet sich zum Jonglieren alles, was ein Mensch in die Luft werfen kann. Selbst mit laufenden Motorsägen wird jongliert, dabei läuft dann aber normalerweise nur der Motor und nicht die Kette.

Grundmuster

Passen

Eine Variation der Solo-Jonglage ist das Passen, bei dem zwei oder mehr Jongleure gleichzeitig jonglieren und sich dabei auch gegenseitig zuwerfen. Größtenteils wird mit Keulen gepasst. Mit drei und mehr Jongleuren können auch Positionsänderungen und komplizierte Laufwege Teil der Muster sein. Eine mathematische Art der Notation für Jongliermuster ist Siteswap.

Joggling

Die Kombination aus Joggen und Jonglieren heißt Joggling. Es finden auch Joggling-Wettbewerbe statt. Beim Joggling kann man ebenso wie beim Jonglieren eine beliebige Zahl von Bällen (mindestens drei) oder eben Keulen verwenden.

3-Ball-Joggling Rekorde: 100 m: 11,68 (Owen Morse, 1989); 400 m: 56,06 (Franz Roos, 1998); Meile: 4:42,36 (Will Howard, 2003); 5 km: 16:55 (Kirk Swenson, 1986); 10 km: 36:27 (Mivhal Kapral, 2006); Marathon: 2:52:15 (Zach Warren, 2006)

5-Ball-Joggling Rekorde: 100 m: 13,8 (Owen Morse, 1988); Marathon: 5:40 (Barry Goldmeier).

Jonglierspiele

  • Volleyclub: Die Mischung von Volleyball und Jonglage wird auf großen Jonglierconventions gespielt.
  • Combat: Hierbei wird von den Jonglierenden versucht andere Jonglierende dazu zu bringen die von ihnen jonglierten Gegenstände (meist Keulen) fallen zu lassen. Der 'Angreifende' versucht natürlich selbst weiter zu jonglieren. Wer als Letzter übrig bleibt ohne einen Gegenstand fallen zu lassen ist der Gewinner einer Runde. Von Combat gibt es auch eine Abwandlung, nämlich das 1-on-1-Combat, genannt Fight-Club.
  • Endurance: Alle Teilnehmer jonglieren gleichzeitig los – es gewinnt, wer am längsten durchhält. Häufigste Formen: Fünfballendurance, Endurance mit zwei Devilsticks
  • Toss-Up: So viele Jongliergegenstände wie möglich werden nach einem Countdown hochgeworfen. Ein Toss-Up findet auf vielen Jonglierconventions als Teil der Spiele statt und liefert dann immer ein schönes Erinnerungsfoto.
  • Long Distance (auch Long Distance Passing): Passen auf möglichst große Entfernungen
  • Jolleystick: Eine Mischung aus Devilstick und Badminton. Ein Devilstick wird mit einem Handstab in der Luft gehalten und dem Gegner über ein Badmintonnetz zugeworfen. Punkte werden gewertet, sobald der Stab den Boden berührt.

Feuerjonglage

Bei der Feuerjonglage werden Materialien, mit denen jongliert wird, angezündet. Dabei wird ein Dochtband aus Kevlargewebe mit Lampenöl getränkt. Dieses wird nach häufiger Benutzung porös und kann dann ausgetauscht werden. Beliebte Feuerjonglierrequisiten sind: Diabolos, Bälle, Devilsticks, Stäbe, Fackeln, Firepoi, Hula-Hoop-Reifen und verschiedene Feuerseile.

Feuerbälle sind meist ein Drahtgeflecht, in das ein Dochtband eingearbeitet wurde. Dieses tränkt man mit Lampenöl (oft als Petroleum bezeichnet) und kann mit ihnen jonglieren wie mit normalen Bällen. Es existieren auch massive Bälle. Dabei sollten angefeuchtete Handschuhe aus Baumwolle oder besser noch Kevlar getragen werden, da diese einen gewissen Schutz vor Verbrennungen liefern. Dabei kann ein beeindruckender Effekt entstehen: Wenn sich nach einiger Zeit Brennstoff auf dem Handschuh absetzt und immer für kurze Zeit entflammt, bekommt man kleine Flammen in der Handinnenfläche.

Feuerpoi (oder Feuerketten) sind brennende Dochte bzw. Kevlarbänder, die aufgewickelt oder geflochten zu einem Knoten oder einer Rolle an Ketten befestigt und mit Lampenöl getränkt angezündet werden. Durch das Rotieren um die Hände und den ganzen Körper entstehen in der Dunkelheit weit sichtbare Feuerkreise.

Lichtjonglage

Bei der Lichtjonglage wird mit Leuchtbällen, Leuchtstäben, Leuchtkeulen und Leuchtpoi jongliert. Die Bandbreite der Requisiten reicht von fluoreszierenden Objekten, die unter Schwarzlicht verwendet werden, über phosphoreszierende bis hin zu selbstleuchtenden Objekten mit eingebauten LEDs. Seit einigen Jahren sind auch Requisiten erhältlich, bei denen über einen Computer komplexe und längere Sequenzen hinsichtlich Leuchtstärke, Farbe und Dauer programmiert werden können. So ist es möglich, über eine komplette Nummer hinweg Requisiten passend zu den jonglierten Tricks und zur Musik leuchten, blinken und die Farbe über das komplette RGB-Farbspektrum hin wechseln zu lassen.

Kraftjonglage

Hierbei wird mit besonders schweren Gegenständen jongliert, z. B. mit Bowlingkugeln. Teilweise wird auch die Jonglage mit unhandlichen Dingen als solche bezeichnet, z. B. mit Billard-Queues oder Stühlen.

Spinning und Kontaktjonglage

In Abwandlung zum freien Werfen von Gegenständen (sog. Wurfjonglage) gibt es auch Geschicklichkeitsspiele, bei denen Dinge um ein Zentrum bzw. um sich selbst gedreht werden (Spinning) oder am Körper gehalten balanciert werden (sog. Kontaktjonglage). Einige werden dabei an einer Schnur gedreht und haben teilweise eine jahrtausendealte Tradition (siehe Poi)[2], andere behalten dabei permanent Körperkontakt (siehe Kontaktjonglage) und sind recht neu. Das (geschmeidige) Übergeben von Bällen, Stiften, Stöcken, Keulen etc., ohne dass diese die Hände, Arme oder einen anderen Körperteil verlassen, wurde vor allem von Michael Moschen mit Kristallkugeln entwickelt und popularisiert, aber auch schon immer von sehr guten Schlagzeugspielern mit ihren Sticks praktiziert. Knicklichter werden sowohl für das Spinning mit Schnur als auch mit Körperkontakt verwendet.

Spinning mit Schnur

Spinning mit Körperkontakt

Gesundheitliche Aspekte

Jonglieren ist sehr gut geeignet, das körperliche und geistige Wohlbefinden zu steigern. So fördert es die Konzentrationsfähigkeit, die Reaktionsschnelligkeit, das räumliche Vorstellungsvermögen, sowie Zeit-, Rhythmus- und Gleichgewichtsgefühl. Durch die gleichmäßige Beanspruchung der Muskeln und des Bewegungsapparats wird die Beweglichkeit und Ausdauer erhöht. Jonglieren erhöht außerdem das periphere Sehvermögen und schult Koordination und Wahrnehmung. Nicht zuletzt ist Jonglieren eine gute Möglichkeit, durch seine beinahe meditative Gleichförmigkeit Stress abzubauen. Außerdem führt die Gewissheit, etwas Außergewöhnliches zu beherrschen, zu einer Stärkung des Selbstbewusstseins. Das ständige Fangen ist allerdings auch eine Belastung für die Gelenke, gerade der Hand. Sehr langes Training kann zu Prellungen und Gelenkschmerzen führen.

Kognitionsentwicklung

Obwohl die neuronale Plastizität in der Kindheit am stärksten ausgeprägt ist, konnten positive Auswirkungen motorischer Aktivität auf die kognitive Entwicklung auch über die Kindheit hinaus belegt werden. Eine 2004 an der Universität Regensburg durchgeführte Studie ergab, dass regelmäßiges Jonglieren selbst bei Erwachsenen zu einer vorübergehenden Verdichtung der grauen Substanz im Gehirn führt.[3][4] Die Veränderung fanden zum einen im visuellen Bereich der Hirnrinde statt, die das Erfassen von räumlichen Bewegungen kontrolliert. Zum anderen veränderte sich die linke Pars posterior sulci parietalis, der das Ergreifen von Gegenständen steuert.

Bittmann et al. (2005) betonen, dass die Bewegungswahrnehmung zu einer „harmonischen beidseitigen Hirnentwicklung beiträgt“ (siehe hierzu auch: Hirnhemisphären) und so die kognitive Leistung stark beeinflussen kann. So konnten sie nachweisen, dass ein positiver Zusammenhang zwischen Balancefähigkeit und Schulerfolg besteht. Lernstarke Schüler wiesen in einer 2005 durchgeführten Studie ein besseres Balanceverhalten auf als lernschwache Schüler.[5]

Eine Studie von Scholz, Klein, Behrens und Johansen-Berg aus dem Jahr 2009 unter Verwendung des Diffusions-Tensor-Bildgebung-Verfahrens führte zu ähnlichen Erkenntnissen: Die weiße Hirnsubstanz in einer Region des Parietallappens steige nach sechswöchigem Training (3 Bälle, fünfmal pro Woche eine halbe Stunde) auch dann um etwa 5%, wenn die Probanden das Ziel, die Drei-Ball-Kaskade zu lernen, nicht erreichten. [6]

Kontemplativer Ansatz

Doch auch auf einem anderen Feld finden sich interessante Ansätze. In seinem Buch »Zen in der Kunst des Jonglierens«[7] beschreibt Dave Finnigan, ein weltweit bekannter Jongleur, seine Erfahrungen während eines mehrmonatigen Jongliercamps in einem ehemaligen taiwanesischen Kloster. Ziel des Jonglierens ist es, ein Muster aufrechtzuerhalten. Der Schlüssel zum Erfolg liegt dabei im Loslassen: Statt mit den Augen den Bällen zu folgen schauen gute Jongleure dorthin, wo die Bälle beim Flug ihren höchsten Punkt erreichen oder, wie im Falle des Poi-Spiels, versuchen die durch die Fliehkraft merkliche Position des Poi zu in der Führhand zu erspüren. Mit der Zeit lernt der Spieler, die Bälle mit dieser Information blind zu führen und vertraut auf die Gesetze der Physik, die genau vorschreiben, welchen weiteren Weg der Ball nehmen wird.

Jonglieren kann so zu einer speziellen Form von Meditation werden: Man konzentriert seine gesamte Aufmerksamkeit auf ein mehr oder weniger einfaches, dafür aber vollkommen periodisches und meist sehr symmetrisches Muster, das man völlig kontrollieren kann. Zum Vorausplanen oder Zurückschauen bleibt keine Gelegenheit, wenn man an der Grenze seiner Fähigkeiten jongliert, muss man sich voll auf das Muster und dessen aktuellen Zustand konzentrieren. So ist es möglich, sich eine Zeit lang gedanklich völlig aus dem Alltag zu bewegen und innere Ruhe zu entwickeln. Dies ist auch der Kern der sog. Kontemplation, die im Gegensatz zur Meditation, nicht versucht den Geist zu leeren, sondern den sanften inneren Focus auf eine wiederkehrende, grundlegende mentale Aussage zum Leben, eine positive Affirmation oder die emotionale Befreiung von den Sorgen und Zwängen des Alltags richtet.

Wurfhöhen und Wurffrequenz

Physikalisch lässt sich berechnen, um wie viel höher man die jonglierten Objekte werfen muss, damit der Jongleur mit der gleichen Wurffrequenz f jonglieren kann. Angenommen wird eine senkrechte Flugbahn.

Für die Flugzeit t gilt bei einer Abwurfgeschwindigkeit von v und der Schwerebeschleunigung g:

t = 2 \frac {v}{g}

Für den Fall von n Objekten ergibt sich daraus eine Wurffrequenz f von:

f = \frac {n}{t} =\frac {ng}{2v}

Die Stieghöhe eines jeden Objektes s beträgt:

s = \frac {v^2}{2g}

daraus folgt:

v = \sqrt{2sg} und f = \frac{ng}{2\sqrt{2sg}} = \frac{n}{2} \sqrt{\frac {g}{2s}}

Verlangt man nun bei zwei verschiedene Objektenzahlen n1 und n2 ein konstante Wurffrequenz fconst ergibt sich:

\frac{n_1}{2} \sqrt{\frac {g}{2s_1}} = \frac{n_2}{2} \sqrt{\frac {g}{2s_2}} = f_\mathrm{const}

und daraus

\frac{s_2}{s_1} = \frac{n_2^2}{n_1^2}

Aus der Verhältnisgleichung folgt, dass sich die Wurfhöhen genau so verhalten müssen wie die Quadrate der Anzahl der jeweils verwendeten Objekte, damit mit der gleichen Wurffrequenz jongliert werden kann.

Literatur

  • Dave Finnigan: Alles über die Kunst des Jonglierens. DuMont, Köln 1988, ISBN 3-7701-2214-3.
  • Charlie Dancey: Encyclopaedia of Ball Juggling. Butterfingers, Bath 1995, ISBN 1-898591-13-X.
  • Hermann Sagemüller: Michael Kara – König der Jongleure – Jongleur der Könige. Selbstverlag, Nördlingen-Baldingen 1973/1996.
  • Jörg Treiber: Richtig Jonglieren. (Sportpraxis 257). BLV, München-Wien-Zürich 1992, ISBN 3-405-14427-2.
  • Karl-Heinz Ziethen: 4.000 Years of Juggling. Volume 1 and 2. Michel Poignant, Sainte Genevieve/Frankreich 1981/82
  • Karl-Heinz Ziethen und Andrew Allen: Juggling – The art and its artists. Rausch & Lüft Inc., Berlin, ISBN 3-9801140-1-5.
  • Karl-Heinz Ziethen: Die Kunst der Jonglerie. Henschelverlag, Berlin 1988, ISBN 3-362-00123-8.
  • Karl-Heinz Ziethen: Non Plus Ultra – Enrico Rastelli und die besten Jongleure der Welt – Francis Brunn, Sergei Ignatow, Anthony Gatto. Die Jonglerie Lüft KG, Berlin 1996, ISBN 3-9801140-9-0.
  • Karl-Heinz Ziethen und Alessandro: Virtuosos of Juggling. [Luci della Giocoleria] Renegade Juggling, Santa Cruz 2003, ISBN 0-9741848-0-2.

Verwandte Themen

Anmerkungen und Quellen

  1. JIS Committee on Numbers Juggling
  2. Poi Spinning: A Jam-packed Guide (Broschiert) von Michal Kahn, Lucy J. Batchelor, ISBN 1-898591-19-9.
  3. Draganski B, Gaser C, Busch V, Schuierer G, Bogdahn U, May A: Neuroplasticity: changes in grey matter induced by training. Nature. 427 (2004) 311-2
  4. Nature -Uni Jena
  5. Bittmann F, Gutschow S, Luther S, Wessel N, Kurths J: Über den funktionellen Zusammenhang zwischen posturaler Balanceregulierung und schulischen Leistungen Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin. 56
  6. Scholz, Klein, Behrens und Johansen-Berg; Training induces changes in white-matter architecture; Nature Neuroscience; http://www.nature.com/neuro/journal/vaop/ncurrent/full/nn.2412.html.
  7. Dave Finnigan: Zen in der Kunst des Jonglierens« O. W. Barth Bei Scherz, Bern 1993, ISBN 3-502-64201-X.

Weblinks

 Commons: Jonglieren – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

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