Josef Edmund Jörg

Josef Edmund Jörg

Josef Edmund Jörg (* 23. Dezember 1819 in Immenstadt; † 18. November 1901 auf Burg Trausnitz in Landshut) war ein bayerischer Politiker, Historiker, Publizist und Archivar.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Jörg war Sohn eines Glasermeisters und Gerichtsschreibers. Seine Kindheit verlebte Jörg in der Handwerkerfamilie. Er besuchte die Gymnasien in Füssen und Kempten mit großem Erfolg. Seine hervorragenden Leistungen erlaubten ihm seit 1839 ein Studium an der Universität München, wo er sich zunächst für zwei Jahre an der philosophischen Fakultät immatrikulierte, um danach Theologie unter anderem bei Ignaz von Döllinger zu studieren. Wieder fiel er durch großen Fleiß auf und graduierte 1843 als Jahrgangsbester. Das Priesteramt wählte Jörg jedoch nicht, weil er sich in seine spätere Frau verliebte.

1838 war Jörg mit Guido Görres, dem Sohn Joseph Görres’, in Kontakt gekommen und auf diese Weise auch zu den Historisch-politischen-Blättern, dem Sprachrohr des Görreskreises, gestoßen. Im Jahre 1852 schließlich übernahm er deren Redaktion, was ihm die Möglichkeit zu großer Einflussnahme in Bayern bot. Seine oftmals regierungskritische Haltung brachte ihn freilich in Konflikt mit der Obrigkeit, ja sogar mit dem König Maximilian II., sodass er auf einen Archivarposten in Neuburg an der Donau versetzt wurde. Erst die Regierungsübernahme Ludwigs II. ermöglichte es seinen Gönnern, eine Versetzung auf die Burg Trausnitz bei Landshut durchzusetzen, wo er das niederbayerische Staatsarchiv verwaltete und ordnete. Diesen Posten behielt Jörg sein Leben lang, was ihm später den Schmähnamen „Einsiedler auf der Trausnitz“ einbrachte.

Jörgs parlamentarische Karriere begann 1865, als er in den bayerischen Landtag gewählt wurde. 1869 half er bei der Gründung der Bayerischen Patriotenpartei, deren programmatischer Führer er in der Folgezeit wurde. 1868/69 war er Mitglied im Zollparlament. Bei der im Winter 1870/71 stattfindenden Debatte, ob Bayern dem neuen deutschen Reich beitreten solle oder nicht, war er die führende Persönlichkeit der Vertragsgegner. Jörg sah mit dem Beitritt Bayerns zum Reich zwar sein politisches Lebenswerk gescheitert, vertrat aber trotzdem im Reichstag der Jahre 1874 bis 1878 seinen katholisch-partikularistische Haltung in Zeiten des Kulturkampfes.

Jörg war „eine der markantesten Gestalten im deutschen Katholizismus des 19. Jahrhunderts.“ Seine „katholisch-konservativ-großdeutsche Gesinnung“ paarte sich mit einem „intensiven Bewusstsein der gewaltigen Umbrüche in Staat und Gesellschaft durch Revolution und Industrialisierung“, einer klaren Positionierung „gegen den Nationalstaat, gegen den Liberalismus in Religion, Staat, Gesellschaft und Wirtschaft, gegen die preußisch-kleindeutsche Lösung der deutschen Frage“ und dem „Bewusstsein der Bedeutung der sozialen Frage und mit starkem sozialpolitischem Engagement.“[1] (Dieter Albrecht).

Werke

  • Deutschland in der Revolutionsperiode von 1522 bis 1526. Aus den diplomatischen Correspondenzen und Original-Akten bayerischer Archive dargestellt. Freiburg/Br. 1851
  • Glossen zur Tagesgeschichte, Aphoristische Zeitläufte, Zeitläufe und verschiedene Artikelserien in den Historisch-Politische Blättern der Jahre 1852–1901
  • Der Irvingianismus. Abgedr. aus den Historisch-Politische Blättern, München 1856
  • Geschichte des Protestantismus in seiner neuesten Entwicklung. 2 Bände, Freiburg/Br. 1858
  • Die neue Ära in Preußen. Regensburg 1860
  • Geschichte der socialpolitischen Parteien in Deutschland. Freiburg/Br. 1867

Literatur

  • Dieter Albrecht (Hrsg.): Jörg, Josef Edmund, Briefwechsel. 1846–1901. Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, hg. von Konrad Repgen, Reihe A: Quellen, Band 41, Mainz 1988.
  • Dieter Albrecht: Joseph Edmund Jörg. Archivar und Politiker. In: Rudolf Vogel (Hg.): Immenstadt im Allgäu. Immenstadt 1996, S. 575–578.
  • Winfried Becker: Josef Edmund Jörg. In: Jürgen Aretz u.a. (Hg.): Zeitgeschichte in Lebensbildern. Band 3. Aus dem deutschen Katholizismus des 19. und 20. Jahrhunderts. Münster 1979, S. 75–90.
  • Winfried Becker: Mitteleuropavorstellungen deutscher Publizisten. Joseph Edmund Jörg und Friedrich Naumann. In: Heinrich Oberreuter (Hg.): Weltpolitik im 21. Jahrhundert. Wiesbaden 2004, S. 281–294.
  • Viktor Conzemius: Ignaz von Döllinger und Edmund Jörg. In: Dieter Albrecht (Hg.): Festschrift für Max Spindler. München 1969, S. 734–765.
  • Heinz Gollwitzer: Josef Edmund Jörg. In: Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte. Band 15/1, 1949, S. 125–148.
  • Franz Herre: Josef Edmund Jörg. Ein Klassiker des Föderalismus. München 1994.
  • Karl-Hermann Lucas: Konservative Publizistik zwischen Revolution und Reichsgründung. Köln 1969.
  • Heribert Raab: Der Einsiedler von Trausnitz. Ein Beitrag zu einer Biographie Josef Edmund Jörgs mit unveröffentlichten Briefen. In: Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte. Band 45, 1982, S. 575–587.
  • Gerhard Tausche: Jörg, Joseph Edmund. Archivar, Historiker, Publizist, Politiker. In: Große bayerische biographische Enzyklopädie. Band 2, 2005, S. 956.
  • Bernhard Zittel: Josef Edmund Jörg (1819–1901). In: Götz von Pönitz (Hg.): Lebensbilder aus dem Bayerischen Schwaben. Band 4. München 1955, S. 395–429. ISBN 978-3-87437-068-4
  • Franz Binder: Josef Edmund Jörg. In: Historisch-Politische Blätter. Band 128, 1901, S. 773–792
  • Albert Maria Weiss: Ein Kapitel Erinnerungen aus der großen Zeit. In: Historisch-Politische Blätter. Band 141, 1908, S. 293–312
  • Martin Spahn: Edmund Jörg. In: Hochland. Band 17,1, 1919/29, S. 273–283, 434–443
  • Heinrich Reinarz: Aus Josef Edmund Jörgs socialpolitische Gedankenwelt. Diss. Köln 1923
  • Rainer Witt: Jörg, Joseph Edmund. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 3, Herzberg 1992, ISBN 3-88309-035-2, Sp. 132–138.

Einzelnachweise

  1. Dieter Albrecht: Patriotenpartei - Zentrumspartei. In: Alois Schmid (Hg.): Handbuch der bayerischen Geschichte. Band 4,1. München 2003, S. 338.

Weblinks


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