Joseph Audo

Joseph Audo
Patriarch Joseph VI. Audo (Foto aus einer Bildsammlung der Konzilsteilnehmer 1870)

Joseph Audo (auch Audu oder Oddo) (* 1790 in Alqosh; † 14. März 1878 in Mosul) war unter dem Namen Joseph VI. Audo Patriarch der Chaldäisch-Katholischen Kirche.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Im Jahre 1814 trat er als Mönch in das Kloster Rabban Hormizd bei Alqosh ein und wurde dort zum Priester geweiht. Am 25. März 1825 wurde er vom Patriarchal-Administrator Augustinus Hindi zum Bischof von Mosul geweiht. In den Jahren 1830 bis 1847 bekleidete er das Amt des Metropoliten von Amadiyah. Nach dem Rücktritt des Patriarchen Nikolaus Zaya wurde er am 28. Juli 1847 inthronisiert und am 11. September 1848 durch Papst Pius IX. als neuer Patriarch bestätigt.

Konkurrierende Jurisdiktionen

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts standen in der Chaldäisch-Katholischen Kirche zwei patriarchale Sukzessionenlinien nebeneinander. Auf der einen Seite stand das Kloster Rabban Hormizd und das Patriarchat der "Josephs-Linie" in Diyarbakir unter der Leitung des Augustinus Hindi. Auf der anderen Seite stand das das traditionelle Patriarchat von Babylon ("Elias-Linie"), dessen katholischen Flügel in Erbfolge Yohannan Hormizd leitete. Joseph Audo war ein Anhänger des Augustinus Hindi ("Patriarch Joseph V.") und wurde zu einem aktiven Gegner von Yohannan Hormizd; der Streit führte schließlich zu einer Intervention Roms, die zur Schlichtung der Auseinandersetzungen zwei Apostolische Delegaten entsandte. Zum Nachfolger des Yohannan Hormizd ernannte Rom Nikolaus Zaya, der sich aber Verdächtigungen und der Opposition mehrerer Bischöfe ausgesetzt sah, zu denen auch Joseph Audo gehörte. Schließlich legte Nikolaus Zaya sein Patriarchenamt nieder; zu seinem Nachfolger wurde Joseph Audo bestimmt.

Joseph Audo als Patriarch

Unter dem neuen Patriarchen erlebte die Chaldäisch-Katholische Kirche einen Aufschwung. Audo verbesserte die Priesterausbildung und konnte mit der finanziellen Hilfe des Vatikans ein Priesterseminar im Kloster Notre Dame bei Alqosh und ein syrisch-chaldäisches Priesterseminar in Mosul errichten.

Der Konflikt mit Rom

1861 entsandte Patriarch Audo eigenmächtig einen Bischof namens Thomas Rocos[1] nach Indien um den dortigen Thomaschristen, die den gleichen ostsyrischen Messritus befolgten, gegen die Latinisierung ihrer Liturgie durch den Apostolischen Vikar Bernardine Baccinelli beizustehen. Dies geschah jedoch ohne Absprache mit Rom und Rocos trat überdies in Indien mit dem Anspruch auf, vom Patriarchen im Auftrag Papst Pius IX. gesandt zu sein, um die Thomaschristen zu regieren. Es entwickelte sich ein Schisma; die meisten indischen Thomaschristen sagten sich von der Herrschaft Bischof Baccinellis los und unterstellten sich dem irakischen Bischof Rocos. Von 154 Gemeinden blieben lediglich 38 der legitimen kirchlichen Autorität treu.

Der später seliggesprochene Pater Kuriakose Elias Chavara genoss unter den indischen Syro-Katholiken großes Ansehen. Bischof Rocos bot ihm daher die Bischofsweihe an, falls er sich auf seine Seite stelle, was Chavara mit Hinweis auf die zu bewahrende Einheit der Kirche ablehnte. Vielmehr schrieb er persönlich an den Papst, bat ihn um Klärung der Sachlage und definitive Weisung was er tun solle. Pius IX. antwortete ihm brieflich am 5. September 1861 und Pater Chavara stellte sich nachdrücklich hinter die erhaltenen römischen Weisungen. Trotzdem auch er die Latinisierung seines Ritus mißbilligte, ordnete er sich der legitimen Autorität unter und unterstützte den Apostolischen Vikar Bernhardine Baccinelli, der ihn daraufhin für die syro-malabarischen Gemeinden, zu seinem Generalvikar mit besonderen Vollmachten berief. Pater Chavara ist es zu verdanken, dass das Schisma an der Malabarküste nicht weiter um sich griff. Er bereiste im päpstlichen bzw. bischöflichen Auftrag jede einzelne Pfarrei und führte sie unter die Jurisdiktion des Vikariats Verapoly zurück. Dann verhandelte er mit Bischof Rocos, Indien zu verlassen und überredete Erzbischof Baccinelli, dem Iraker, den er inzwischen exkommuniziert hatte, die Heimfahrt zu bezahlen. Daraufhin kehrte dieser 1862 nach Mosul zurück, zumal ihn auch Patriarch Joseph Audo auf Anordnung des Papstes zurückbeordert hatte. Sowohl Audo als auch Rocos einigten sich mit dem Vatikan gütlich und das Schisma erlosch. Die Kongregation für die Verbreitung des Glaubens entschied 1865 gegen die Ansprüche des chaldäischen Patriarchen von Babylon.

Auf dem Ersten Vatikanischen Konzil von 1869 bis 1870 zählte Patriarch Joseph VI. Audo als Konzilsteilnehmer zur Minorität, welche die Dogmatisierung der Unfehlbarkeit und die Entscheidung über den obersten Jurisdiktionsprimat des Papstes ablehnte.

In seiner EnzyklikaQuae in Patriarchatu“ ging Papst Pius IX. 1872 ausführlich auf die indischen Juridiktionskontroversen ein. Joseph Audo beharrte zunächst auf seinen Positionen; er weigerte sich auch, von Rom für seine Kirche benannte Kandidaten zu Bischöfen zu weihen und änderte erst nach Jahren seine Einstellung. 1874 entsandte Audo erneut einen Bischof namens Elias Mellus nach Indien, wodurch das alte Schisma wieder auflebte. Auch dieses Mal konnte schließlich eine gütliche Regelung erzielt werden. Der Konflikt wurde mit einer Loyalitätserklärung (1877) durch Joseph Audo beigelegt, in der er die weitere Zusammenarbeit mit dem Heiligen Stuhl anerkannte; Bischof Mellus unterwarf sich erst 1889 und erhielt 1893, unter Papst Leo XIII., das chaldäisch-katholische Bistum Mardin in der Türkei. Ein Teil seiner Anhänger - genannt Mellusianer - folgte ihm nicht, sondern verließ den Katholizismus und trat 1907/09 der autokephalen „Assyrischen Kirche des Ostens“ bei, so dass das zweite von Joseph Audo verursachte Schisma bis heute andauert. Diese Gruppe bildete in der „Assyrischen Kirche des Ostens“ eine eigene Kirchenprovinz („Chaldean Syrian Church“) mit Sitz in Trichur, Süd-Indien. Deren Erzbischof Thomas Darmo (1903-1969) spaltete seinerseits wieder die gesamte autokephale „Assyrische Kirche des Ostens“ auf, indem er sich 1968 zum Gegenpatriarchen der Gemeinschaft ausrufen ließ. Auch diese erneute Spaltung, innerhalb der „Assyrischen Kirche des Ostens“, dauert an.

Sonstiges

Des Patriarchen Neffe Thomas Audo (1855-1918) war ein bekannter Semitist und chaldäisch-katholischer Erzbischof von Urmia, dessen Bruder Israel Audo (1859-1941) Erzbischof von Mardin.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Zu Bischof Thomas Rocos oder Rokos


Vorgänger Amt Nachfolger
Nikolaus Zaya Patriarch von Babylon
18481878
Eliyya XIV. Abbo-Alyonan

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