Jugend am Werk

Jugend am Werk
Jugend am Werk
Die neue Dachmarke von Jugend am Werk
Zweck: Förderung eines selbstbestimmten Lebens junger Menschen
Vorsitz: Geschäftsführer: Dr. Walter Schaffraneck; Vorsitzende: Prof. Erika Stubenvoll
Gründungsdatum: 1945 (Jugend in Not 1930er)
Sitz: Wien 15, Thaliastraße

Jugend am Werk ist ein gemeinnütziger Verein, der Jugendlichen, die keine Lehrstelle finden konnten und Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht. Er ist in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland tätig, hat aber auch Dependencen in der Steiermark und Kärnten.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Einrichtung im Wiener Karl-Seitz-Hof

Jugend in Not

In der Zwischenkriegszeit wurde die Organisation Jugend in Not gegründet. Das Ziel dieser Organisation war anfangs die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, später wurden unter dem Namen Jugend am Werk Arbeitsgruppen gegründet, die arbeitslosen Jugendlichen die berufliche Aus- und Weiterbildung ermöglichen. Dieses Modell wurde auch in anderen Bundesländern übernommen. Nach der Machtübernahme Hitlers in Österreich 1938 wurden diese Organisationen aufgelöst.

Neugründung im Jahre 1945

ehemaliges Logo

Am 1. Juni 1945 gründete die Stadt Wien im Rahmen der Magistratsabteilung 11 (Jugendamt) Jugend am Werk. Fritz Konir vom Österreichischen Gewerkschaftsbund übernahm die erste Leitung der Organisation und Leo Mistinger wurde von der Stadtregierung damit betraut, die Organisation Jugend am Werk innerhalb der Stadt Wien aufzubauen. Mittels Flugblättern und im Radio ergingen Aufrufe an die Jugendlichen und deren Eltern, sich bei den Beratungsstellen der Aktion Jugend am Werk zu melden. Zu Beginn halfen die Jugendlichen bei der Beseitigung des Bombenschutts und später bei Ernteeinsätzen auf dem Land. Im Herbst 1945 wurden die ersten Berufsausbildungskurse in den ÖGB-Lehrwerkstätten Hellwagstraße und Hofmühlgasse aufgenommen.

Berufsvorbereitungskurse

1948 starteten Berufsvorbereitungskurse, die vom Arbeitsamt vermittelt werden. Sie dienten den Jugendlichen als Überbrückungsmaßnahme, bis sie einen geeigneten Arbeits- oder Lehrplatz bekamen. Durch den Erfolg der Angebote stieg auch die Nachfrage nach zusätzlichen Maßnahmen bei Jugend am Werk an. Von 1948 bis 1954 wurden in den Bundesländern Jugend am Werk-Initiativen gegründet. Darunter war die 1953 in Vorarlberg vom späteren Toni-Russ-Preisträger Helmutz Lutz († 2000) gegründete Berufsvorschule Jugend am Werk[1]

1951 fand Felix Dvorak, später Schauspieler und Autor, als Jugendlicher Aufnahme in den Werkstätten zuerst in der Herklotzgasse, 1150, und dann in der Grundsteingasse, 1160.

Jugend am Werk wird 1957 ein Verein

Im Jahr 1957 wurde Jugend am Werk aus der Magistratsabteilung der Stadt Wien ausgegliedert und ein eigenständiger Verein. Mitglieder des Vereins waren die Gemeinde Wien, das Bundesministerium für soziale Verwaltung, der Österreichische Gewerkschaftsbund, die Gewerkschaft der Bau- und Holzarbeiter, die Gewerkschaft der Metall- und Bergarbeiter, das heutige Arbeitsmarktservice und die Kammer für Arbeiter und Angestellte. Die ÖGB-Lehrwerkstätten für Metall- und Holzverarbeitung wurden in den Verein Jugend am Werk integriert.

Die erste Werkstätte für Beschäftigungstherapie in Österreich

Nach der systematischen Vernichtung von Menschen mit einer geistigen Behinderung in der Zeit des Nationalsozialismus gab es 1945 nur wenige behinderte Menschen, die der Aktion T4 entkommen konnten. Erst als eine neue Generation heranwuchs, gab es auch wieder Kinder mit einer geistigen Behinderung, die zu Jugendlichen heranwuchsen. Da es kaum Angebote zur Schul- und Berufsbildung für diese jungen Menschen gab, stellte sich Jugend am Werk dieser neuen Herausforderung und errichtet 1958 gemeinsam mit dem Arbeitsamt und dem Wiener Stadtschulrat drei Arbeitsgruppen für junge Menschen mit geistiger Behinderung.

Für jenen Teil der Jugendlichen mit einer geistigen Behinderung, die aus der Schule austreten und nicht für einen späteren Einstieg in das Berufsleben geeignet waren, mussten neue Angebote entwickelt werden. Damit erweiterte sich der inhaltliche Aufgabenbereich, denn bisher stand die Vorbereitung auf das Berufsleben im Vordergrund. Nun wurden Angebote entwickelt, die eine sinnvolle Beschäftigung ermöglichten. In einem ehemaligen Schulgebäude der Stadt Wien in der Kuefsteingasse 38 eröffnete Jugend am Werk im Jahr 1959 die erste Werkstätte für Beschäftigungstherapie in Österreich. Neben Kursen zur Förderung der individuellen Fähigkeiten der Jugendlichen mit geistiger Behinderung wurden bereits erste Aufträge aus der Wirtschaft entgegengenommen.

1963 gründete Fritz Muster mit Andreas Rett in Wien die erste geschützte Werkstätte für nervenkranke Jugendliche. [2]

Wiener Behindertengesetz 1966

Mit der Verabschiedung des Wiener Behindertengesetzes 1966 gelang ein Quantensprung in der Betreuung von Menschen mit Behinderung in Wien. Mit Organisationen schloss die Stadt Wien Verträge ab, in denen Tagsätze als Finanzierungsgrundlage vereinbart wurden.

In den frühen 70er Jahren wuchs der Aufgabenbereich der Behindertenhilfe rasant. Es wurden laufend neue Werkstätten eröffnet und zusätzliche Wohnheime in Betrieb genommen. In den Werkstätten wurde das Angebot ausgebaut.

Wohngemeinschaften

Die ersten Wohngemeinschaften für Menschen mit geistiger Behinderung wurden bei Jugend am Werk im Jahr 1984 eingerichtet. Bei dieser Wohnform leben 8-10 Personen in einer Großwohnung, die mitten in einem Wohngebiet liegt, um die Integration mit der Umgebung zu fördern.

Integrationsbegleitung

1996 organisierte Jugend am Werk eine internationale Fachtagung zum Thema Berufliche Integration und startete als Pionier in Österreich mit der Integrationsbegleitung. Die Integrationsbegleiter unterstützen die Teilnehmer der Qualifizierungsprojekte von Jugend am Werk bei der Suche nach einem Arbeitsplatz und beraten die Betriebe. In den folgenden Jahren entstanden auch Projekte zur Arbeitsassistenz und dem Job Coaching.

Jugend am Werk beteiligte sich 1997 an einem Programm der Arbeitsgemeinschaft Wohnplätze, in dem die ersten Wohnangebote für Menschen mit Behinderung, die oft jahrelang in Psychiatrischen Krankenhäusern isoliert untergebracht waren, eingerichtet wurden. In der Sobieskigasse im 9. Bezirk richtete Jugend am Werk eine Wohngemeinschaft für diese Zielgruppe ein. Eine intensive Phase des gegenseitigen Kennenlernens begann und viele Bewohner artikulierten oft zum ersten Mal in ihrem Leben, ihre eigenen Wünsche.

Selbst- und Mitbestimmungsinitiativen

Nach einem Vortrag von Michael Long, dem führenden Repräsentant der people first-Bewegung wurde bei Jugend am Werk im Jahr 2000 die Gruppe Vienna People First – gemeinsam ans Werk gegründet. People first steht für eine Bewegung aus den USA, die für die Selbstvertretung von Menschen mit einer Lernbehinderung eintritt.

Aufbauend auf den Erfahrungen der Zukunftskonferenz werden die Mitbestimmungsmöglichkeiten für Lehrlinge und Menschen mit Behinderung ausgebaut. So finden jährliche Lehrlingsbefragungen und regelmäßige Hausparlamente in den Werkstätten statt. Mittlerweile haben sich auch Selbstvertretungsorgane für Menschen mit Behinderung als Werkstättenrat und Wohnrat etabliert.

Im Jahr 2007 veranstaltete Jugend am Werk einen internationalen Kongress unter dem Titel Wir haben Recht(e), an dem über 300 Selbstvertreter für die Rechte von Menschen mit Lernbehinderungen teilnahmen.

Geschäftsführer seit 1945

  • 1945: Fritz Konir, Österreichischer Gewerkschaftsbund
  • 1945–1950: Leo Mistinger, Stadt Wien
  • 1950–1966: Josef Blaszovsky
  • 1966–1980: Fritz Muster
  • 1980–1995: Hans Sutara
  • seit 1995: Walter Schaffraneck

Struktur

Im Jahr 1957 wurde Jugend am Werk aus der Gemeinde Wien ausgegliedert und als eigener Verein organisiert. Gründungsmitglieder und Förderungsgeber im Vorstand sind die Stadt Wien, die Republik Österreich vertreten durch das Bundessozialamt, das Arbeitsmarktservice, die Arbeiterkammer, der Österreichische Gewerkschaftsbund und die Fachgewerkschaften Metall-Textil und Bau-Holz, sowie das Land Burgenland und der Europäische Sozialfonds.

Heute

Mit Stichtag 31. Dezember 2010 wurden 1702 Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung in einer Werkstätte begleitet. In Wohneinrichtungen (Wohnheime, Wohngemeinschaften oder Begleitete Einzelwohnplätze) wurden 753 Menschen mit Behinderung betreut.

Rund 1650 Jugendliche, die keine Lehrstelle finden konnten, besuchten Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen. Insgesamt 200 Menschen mit Behinderung haben Angebote zur beruflichen Integration in Anspruch genommen.

Die Organisation Jugend am Werk zählt damit zu den größten derartigen Einrichtungen in Österreich.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Werkzeit Vorarlberg GmbH: Geschichte, Zugriff am 15. Oktober 2011
  2. Andreas Rett: Kinder in unserer Hand - Ein Leben mit Behinderten, ORAC Wien 1990, ISBN 3-7015-0178-5, Seite 141.

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