- Julius Fromm
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Julius Fromm (* 4. März 1883 in Konin; † 12. Mai 1945 in London, Geburtsname: Israel Fromm) war ein Gummifabrikant im Deutschen Reich. Er brachte 1916 unter dem Firmennamen Fromms Act das weltweit erste Qualitäts-Kondom ohne störende Naht, genannt Fromms, auf den Markt.
Inhaltsverzeichnis
Werdegang
Julius Fromm war das erste Kind einer armen ostjüdischen Familie aus dem damals zum Russischen Reich gehörenden Teil Polens. Seine Eltern lebten im Schtetl, dem jüdischen Armenviertel, das zur Kleinstadt Konin gehörte und 120 Kilometer östlich von Posen lag. Wegen der Armut und Perspektivlosigkeit wanderte die Familie 1893 in die deutsche Hauptstadt Berlin aus, lebte im Scheunenviertel in Berlin-Mitte nahe dem Alexanderplatz und bestritt ihren Lebensunterhalt mit Heimarbeit durch Herstellung und Verkauf von Zigaretten. Neben seiner Arbeit als Zigarettenverkäufer studierte Julius in Abendkursen Chemie. 1906 heiratete er seine bereits schwangere Verlobte. Insgesamt hatte das Paar drei Söhne.
Nach dem frühen Tod seiner Eltern übernahm Fromm 1912 die Verantwortung für seine acht jüngeren Geschwister und machte sich selbstständig. Er gründete 1914 in einer Hinterhofwerkstatt im Berliner Stadtbezirk Prenzlauer Berg sein Fabrikations- und Verkaufsgeschäft für Parfümerie und Gummiwaren. Fromm experimentierte mit Gummi und erfand das transparente und nahtlose Kondom aus Naturkautschuk, bei dem ein Glaskolben in eine Rohgummilösung getaucht wurde. Als Ein-Mann-Unternehmen stellte er es anfangs her und vertrieb es, wie damals üblich, über den Drogeriehandel. 1916 brachte er mit seiner nun Fromms Act Gummiwerke GmbH genannten Firma sein erstes Markenkondom unter dem Namen Fromms Act (Schutzmarke) auf den Markt.
Die damals gebräuchlichen Kondomarten, meist aus Tierdärmen, Fischblasen oder Gummiprodukten genäht, waren unbeliebt, fanden jedoch Verwendung, um sich vor der gefürchteten Syphilis zu schützen (diese Krankheit wurde damals mit hochgiftigem Quecksilber behandelt, das Penicillin wurde später entdeckt). Fromms modernes Produkt wurde zum Marktführer im Bereich Kondomherstellung. Nebenher vertrieb er auch andere Gummiprodukte.
Soldatenbordelle im Ersten Weltkrieg
Im Ersten Weltkrieg kam es zur massenhaften Verbreitung des Kondoms. In den meisten Soldatenbordellen war ungeschützter Geschlechtsverkehr nicht erlaubt, um Soldaten vor Geschlechtskrankheiten zu schützen. Dadurch lernten Millionen Männer das Kondom kennen, das dem Schutz der Gesundheit diente und ungewollte Schwangerschaften stark reduzierte.
Expansion in den 1920er Jahren
Die Nachfrage nach Verhütungsmitteln war entsprechend dem Bedürfnis nach Familienplanung am Anfang des 20. Jahrhundert stark gestiegen und wurde auch durch die sexuell freizügigere Kultur der 1920er Jahre gefördert. Populäre Slogans wie „Wenn’s euch packt, nehmt Fromms Act“ machten den Firmennamen zum Synonym für Kondome schlechthin. Bereits 1919 wurden täglich 150.000 „Frommser“ produziert. Ein Dreierpack kostete damals 72 Reichspfennige.[1] 1922 errichtete Fromm in der Rahnsdorfer Straße im Ortsteil Berlin-Friedrichshagen (Bezirk Treptow-Köpenick) eine Kondomfabrik (noch vorhandene Gebäudeteile wurden im Juni/Juli 2007 abgerissen), die bei der Produktion der Kondome 1928 schnell an die Grenzen ihrer Kapazität gelangt war. Zur Erweiterung der Produktionskapazität kaufte Fromm daher 1929 in der Friedrichshagener Straße in Berlin-Köpenick ein 16.000 m² großes Gelände und errichtete dort bis 1930 nach Plänen der Architekten Arthur Korn und Siegfried Weitzmann, die zu jener Zeit zur Avantgarde des Neuen Bauens zählten, ein modernes Fabrikgebäude, welches national und international Beachtung fand. Durch die streng betonte Sachlichkeit und die vorherrschenden Baustoffe Stahl, Beton und Glas schufen sie eine Art Prototyp der modernen Fabrikarchitektur.
Bereits 1926 verfügte die Firma auch über Niederlassungen im Ausland und produzierte 24 Millionen Kondome.
„Arisierung“ des Betriebes und Exil
Unter der nationalsozialistischen Herrschaft versuchte Fromm, seinen Betrieb weiterzuführen, schaltete Anzeigen, ließ in der Werkskantine eine Hakenkreuzfahne aufhängen und verteilte bei den Olympischen Sommerspielen 1936 in Berlin an die internationalen Gäste einen zweideutigen „Nahverkehrsplan“.[2] Fromm experimentierte zusammen mit der I.G. Farben AG in Leverkusen an der Erfindung eines geeigneten synthetischen Gummis, um sich von dem knapper und teurer werdenden Naturkautschuk unabhängig zu machen. Gleichzeitig verbesserte Fromm die Gleitfähigkeit der Kondome und verhinderte durch Beigabe von Talkum, Glimmer und anderen Pulvern das bis dahin lästige Verkleben der zusammengerollten Kondome.
Obwohl er nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wegen des stärker werdenden Antisemitismus in Deutschland seine Söhne ins Ausland brachte, empfand er die Nazi-Herrschaft nicht als persönliche Bedrohung und glaubte, dass die NSDAP-Herrschaft eine vorübergehende Angelegenheit sei, die man als erfolgreicher Unternehmer im Lande „aussitzen“ könne. 1934 leiteten NS-Behörden allerdings ein betriebswirtschaftliches Verfahren ein, um Fromm die deutsche Staatsbürgerschaft entziehen zu können. Das Gutachten kam aber zu dem Ergebnis, dass sich Fromm als Unternehmer vorbildlich für die Arbeitsbedingungen und die sozialen Belange seiner Mitarbeiter einsetze. Die Behörden fanden auf diesem Wege keine Handhabe gegen Fromm.
Nach den Olympischen Spielen 1936 begann die antisemitische Zeitung Der Stürmer eine Hetzkampagne gegen Julius Fromm und andere jüdische Geschäftsleute. Im Verlauf der Kampagne musste Fromm erkennen, dass sein Verbleiben als Jude in Deutschland ohne Gefahr für Leib und Leben nicht möglich war. Er beauftragte seine Bank, die Reichs-Kredit-Gesellschaft AG, mit dem Verkauf seiner Firma, die einen Wert von etwa 8 Millionen Reichsmark (nach heutiger Kaufkraft etwa 120 Millionen Euro) hatte. Der Verkauf wurde aus politischen Gründen verschleppt, und Fromm sah sich gezwungen, den Kaufpreis um 50 % zu reduzieren. Schließlich lehnte das Reichswirtschaftsministerium den Verkauf an einen Käufer nach freier Wahl des Verkäufers ab, und das Frommsche Unternehmen wurde am 4. August 1938 im Rahmen der sogenannten Arisierung zum Spottpreis von 200.000 Schweizer Franken (118.000 Reichsmark) auf Geheiß von Hermann Göring an dessen Patentante Elisabeth Edle von Epenstein-Mauternburg zwangsverkauft. Göring erhielt für dieses Geschäft von der Baronin unter anderem die Burgen Veldenstein und Mauterndorf. Julius Fromm konnte Deutschland nach dem Zwangsverkauf seines Unternehmens verlassen und emigrierte mit seiner Familie nach London, wo Julius Fromm 62-jährig, nur wenige Tage nach dem Kriegsende in Europa, verstarb.[3]
Nach 1945
Die Freude über das Kriegsende soll den Tod Fromms verursacht haben. Er hatte offenbar beabsichtigt, nach Deutschland zurückzukehren und sein Eigentum wieder zu übernehmen, wie es ihm als Opfer der Nazidiktatur zugestanden hätte. Nach Kriegsende versuchte sein Bruder Siegmund, das Unternehmen von der sowjetischen Militärverwaltung zurückzuerhalten. Da die Frommschen Fabriken (das Köpenicker Werk war bei Luftangriffen 1943 und 1945 zerstört worden) im sowjetischen Sektor Berlins lagen, wurde die Wiedereinsetzung der alten Gesellschafter und die Rückführung in Privateigentum von den regierenden deutschen Kommunisten in der Berliner Stadtverwaltung hintertrieben. Fromm wurde unter anderem als „kapitalistischer Ausbeutertyp“ dargestellt. Außerdem wurde ihm aktive Unterstützung nationalsozialistischer Propaganda unterstellt. Schließlich wurde behauptet, dass Fromm sein Unternehmen als gutes Devisengeschäft an die Nazis freiwillig verkauft hätte.
Vier Jahre nach Fromms Tod wurden per Verwaltungsakt am 2. Dezember 1949 die Frommsche Gummiwerke GmbH durch den Magistrat von Groß-Berlin in Volkseigentum überführt. Grundlage bildete das „Gesetz zur Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten vom 8. Februar 1949“. Ein Antrag der Erben Fromms auf Rückübereignung wurde 1951 abgelehnt.
1947 kaufte Julius Fromms zweiter Sohn Herbert die Rechte am Markennamen von einem Vetter Görings zurück und schloss zwei Jahre später mit der Bremer Hanseatischen Gummiwarenfabrik einen Lizenzvertrag. Seitdem werden am Produktionsstandort Zeven (Niedersachsen) Kondome unter dem Markennamen „Fromms“ hergestellt. Die Firma wurde 1967 von der mittlerweile zur französischen Hutchinson-Gruppe gehörenden Mapa GmbH übernommen.
Der Begriff „Fromms“ bzw. „Frommser“ für Kondome war noch jahrzehntelang umgangssprachlich in Deutschland gebräuchlich, wird jedoch durch neue umgangssprachliche Begriffe für Kondome langsam verdrängt.
Zitate
- Schreiben Sie: Die Konkurrenz platzt. Julius Fromm zu seinem Werbechef angesichts eines bereits 90-prozentigen Marktanteils.[4]
- Unsere Spezialmarken Fromms Act nennen sich nicht nur transparent, sie sind tatsächlich transparent. Werbe-Aussage der Firma Fromms von 1932[5]
Literatur und Quellennachweis
- Götz Aly, Michael Sontheimer: Fromms – Wie der jüdische Kondomfabrikant Julius F. unter die deutschen Räuber fiel. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007. 224 S. ISBN 978-3-10-000422-2
- Götz Aly, Michael Sontheimer: Transparenz für Kenner. In: Berliner Zeitung vom 17./18. Februar 2007
Einzelnachweise
- ↑ http://www.condome.de/condominfos/damals.php
- ↑ Oliver Pfohlmann: Der große Kondom-Klau. In: Frankfurter Rundschau Nr. 47 vom 24. Februar 2007
- ↑ http://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article732112/Wie_die_Nazis_einen_Kondomhersteller_pluenderten.html?print=yes
- ↑ http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/27/0,1872,4394395,00.html
- ↑ Immer noch der Klassiker (taz Nord vom 2. März 2007, S. 23, 171 Z.) Buchrezension von DANIEL WIESE
Weblinks
- Biografie bei zdf.de
- Aus der Versenkung geholt, von Friederike Neubert, Jüdische Zeitung, März 2007
- Der Kondomfabrikant Julius Fromm Artikel von Götz Aly und Michael Sontheimer auf spiegel.de, Februar 2007
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